Vergewaltigung als Argument in einer Diskussion

vom 17.02.2015, 13:25 Uhr

Gestern habe ich einer Bekannten von mir helfen wollen: Ein Account von ihr wurde geklaut, da sie ihre Login-Daten auf einer Fake-Internetseite angegeben hat und dadurch hat dieser Hacker nun ihre Accountdaten bekommen. Sie hat sich einen neuen Account erstellt und den Hacker angeschrieben, anschließend schrieb dieser Hacker mit ihr und bedankte sich für ihren Account. Das finde ich schon sehr dreist und da wäre ich auch wirklich wütend geworden, sie anscheinend nicht. Aber jeder Mensch tickt da auch anders.

Später haben diese beiden Personen wohl noch miteinander geschrieben, auf jeden Fall entschuldigte sich dieser Typ bei ihr, machte aber keine Anstalten ihr den Account wieder zu geben. Ich habe sie richtig angemotzt und habe ihr erklärt, dass sie total naiv ist und das nicht machen kann. Dieser Mensch ist ein Dieb und verdient nicht ihre Aufmerksamkeit. Sie entschuldigte ihr Verhalten damit, dass dieser Fremde eben total nett zu ihr wäre und sie im Allgemeinen versucht immer freundlich zu sein. Sie möchte einfach immer ihre Freundlichkeit bewahren, was ich schon ein wenig komisch finde.

Ich erklärte ihr, dass sich der Typ wahrscheinlich über sie lustig macht, insgeheim lacht und sich fragt, wieso sie noch so freundlich ist und anfällig für seinen Kontakt. Nun hat er ihren Account, auf dem sie übrigens auch schon Geld aufgeladen hat und sie ist einfach so blauäugig und lässt sich von einer falschen Freundlichkeit um den Finger wickeln. Es hat mich echt fertig gemacht, dass diese junge Frau so mit sich spielen lässt, obwohl ich ihr helfen wollte.

Nun meinte sie zu mir, ich würde sie gar nicht verstehen, da ich nicht vergewaltigt worden bin. Ich war über diese Aussage total geschockt gewesen, da ich nichts davon wusste. Außerdem fand ich nun nicht, dass es etwas mit unserem Streit zu tun hatte. Plötzlich brach sie weinend zusammen und meinte, alles was in ihrem Leben passierte wäre ihre Schuld gewesen und das hätte ich ihr vor Augen geführt. Ich versuchte ruhig zu bleiben und sagte ihr es stimmt nicht. Keine Frau kann etwas dafür, wenn sie vergewaltigt wird, aber ich wollte sie einfach vor einem Unheil bewahren.

War ich zu hart zu meiner Bekannten? Ich wusste doch gar nichts von ihrer Vergangenheit. Außerdem habe ich nicht wirklich wütend oder aggressiv reagiert, aber ich habe ihr ständig gesagt, sie solle nicht so naiv oder blauäugig sein. Ich habe ein schlechtes Gewissen und ich muss ständig darüber nachdenken. Ich brauche einen anonymen Rat, da mein Freundeskreis keine Rückschlüsse auf die Person ziehen soll. Mein Partner und mein bester Freund meinten allerdings, ich hätte nichts falsch gemacht. Aber diese Meinungen sind vielleicht nicht objektiv, da mein Partner und mein bester Freund mich eben besser kennen.

Ich sitze aber hier und ich habe ein schlechtes Gewissen. Ich wurde motzig, aber ich bin nicht aggressiv oder laut geworden. Ich habe ihr doch geholfen und mit ihr zusammen den Support kontaktiert, damit sie ihren Account vielleicht in Zukunft wieder bekommt. Es gibt zwar keine Gewissheit dafür, aber man kann es ja mal versuchen, wenn man die Möglichkeiten hat. Dafür habe ich nicht unbedingt wenig Zeit für sie investiert, da mir die Sache einfach so wichtig ist. Ich möchte doch nur, dass es meiner Bekannten gut geht. Was nun?

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» soulofsorrow » Beiträge: 9228 » Talkpoints: 24,02 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Geht es dir jetzt darum, ob du zu hart zu ihr warst, als ihr darüber gestritten habt, wie mit dem Account-Typen umzugehen sei? Oder darum, dass sie nun in einer ganz neuen Phase in der Bewältigung ihrer Vergewaltigung ist, weil sie jetzt dank dieser Diskussion denkt, sie wäre selber schuld? Ich finde letzteres viel wichtiger, was dein Text aber nicht erkennen lässt.

Aber gut, widmen wir uns kurz Problem Nr. 1. Du wusstest nichts von der Vergewaltigung. Und selbst wenn, steht die nicht im direkten Zusammenhang mit dem Umgang mit so einem Accountdieb. Sie hat sich naiv und übertrieben freundlich verhalten. Es war richtig, ihr das zu sagen. Immerhin hat sie schon Schaden genommen, wenn sie Geld überwiesen hat und da darf man als Freundin nicht tatenlos daneben stehen. Ich finde also, du hast alles richtig gemacht.

Aber, wie gesagt, viel wichtiger ist, dass sie nun denkt, selber Schuld zu sein an der Vergewaltigung. Ich stelle mir das gerade so vor, dass sie auf einer Party war, der Typ hat sie angemacht, sie war freundlich, obwohl sie kein Interesse hatte. Und dann ist es irgendwie zu der Vergewaltigung gekommen. Diese Situation lässt sich aber in keiner Weise mit der Account-Situation vergleichen. Denn ich nehme mal nicht an, dass sie zu ihrem Vergewaltiger auch während der Vergewaltigung weiterhin freundlich war.

Zu dem Account-Typen ist sie aber weiterhin freundlich, obwohl schon klar ist, dass er ihr schadet. Also in beiden Fällen war sie am Anfang freundlich und naiv. Das darf aber keine Rechtfertigung für die Männer sein, dies auszunutzen und einer Frau Schaden zuzufügen. Da sind ganz allein die Männer Schuld, die sich entscheiden, einer anderen Person Schaden zuzufügen. Die andere Person trägt keine Verantwortung dafür. Egal, wie kurz der Rock ist, wie nett sie war oder wie naiv sie ihre Adresse auf einer Webseite eingibt. Die Männer haben sie getäuscht.

Dass sie aber zu dem Account-Typen weiterhin freundlich ist. Das ist dann ihre Schuld. Wenn sie die Gefahr, den Schaden erkennt und weiß, dass ihr dieser Schaden mutwillig zugefügt wird, muss Schluss sein mit Freundlichkeit. Wie gesagt, ich bezweifel sehr, dass sie zu ihrem Vergewaltiger während der Vergewaltigung freundlich war. Und darin unterscheiden sich die Situationen. Sie sind nicht vergleichbar.

Ich hoffe es hilft etwas, wenn du ihr das erklärst. Freundlichkeit ist eine schöne Eigenschaft. Sie soll sie sich bewahren. Aber zuzulassen, dass einem Schaden zugefügt wird, hat damit nichts mehr zu tun. Sie muss ihn ja nicht mit Schimpfwörtern und Drohungen bewerfen, aber einen Schlussstrich ziehen.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Ich denke ehrlich gesagt nicht das du zu hart warst. Meiner Meinung nach hast du einfach nur ein bisschen zum Nachdenken angeregt und damit eine Lawine losgetreten. Es ist schon so, dass Frauen, die vergewaltigt wurden sich nicht so leicht öffnen können zu dem Thema, aber auch nach Liebe suchen.

Ich denke, dass es gut war, dass du ihr deine Meinung gesagt hast. Das gehört zu einer Freundschaft dazu und ganz abgesehen von ihrer schlimmen Vergangenheit, ist es wichtig diese Meinung auch mal auszusprechen und dem Freund nicht immer nach dem Mund zu reden. Mein bester Freund hat meine Meinung auch schon ein paar Mal zu hören bekommen, da war dann auch mal ein bisschen Streit, aber er schätzt meine Meinung.

Sicherlich braucht sie einfach ein bisschen Zeit um zu erkennen, dass du Recht hattest. Sie wird eine Therapie brauchen wegen der Vergewaltigung, wenn sie diese noch nicht hatte. Das ist wichtig für ihre Seele und du solltest sie dabei auch unterstützen, aber ich denke, dass du das machen wirst. Es gehört viel Mut dazu einem Freund eine unbequeme Wahrheit zu sagen und ich denke, dass ein guter Freund diese auch immer verzeihen wird und auch immer darüber nachdenken wird.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich finde auch nicht, dass du zu hart warst, wenn man aus deinem Text entnimmt, was du eben gesagt oder gemacht hast. Ich denke, dass eigentlich jeder so reagiert hätte, wenn eine Freundin da offensichtlich ausgenommen und auch noch ins Lächerliche gezogen wurde.

Ich könnte mir vorstellen, dass dies einfach alles ein bisschen viel für deine Freundin war und es deswegen der Auslöser dafür war, dass eben die Aussage mit der Vergewaltigung aus ihr heraus gebrochen ist. Vielleicht frisst sie das schon länger in sich hinein und hat sich dahingehend auch keine Hilfe gesucht. Dann ist es ja kein Wunder, wenn sie Selbstzweifel hat und sich an allem die Schuld gibt.

Es kann ja auch ein Fortschritt sein, dass sie dir das gesagt hat. Vielleicht kannst du ihr helfen, dass sie sich professionelle Hilfe sucht und einfach für sie da sein. Ich denke nicht, dass du da ein schlechtes Gewissen haben musst. Du kannst ihr ja sagen, dass du alles nicht böse gemeint hast und einfach nicht möchtest, dass sie sich so ausnutzen lässt.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Ich denke auch nicht, dass du zu hart gewesen bist. Zum einen wusstest du nichts von der Vergangenheit und keine Frau hat es verdient vergewaltigt zu werden, aber es steht hier auch nicht in einem direkten Bezug zueinander. Denn hierbei geht es nur um einen geklauten Account, was etwas ganz anderes darstellt als eine Vergewaltigung.

Aber dennoch, ich kann es nicht nachvollziehen wie jemand nach einer solchen Tat als Opfer nach wie vor weiterhin so gutgläubig und naiv ist und immer nur an das gute im Menschen glaubt. Das entspricht nicht der Regel und eher ist es das Gegenteil der Fall, dass man allen anderen Menschen misstraut und auch nur annimmt, dass diese alle schlecht sind. Daher finde ich die Reaktion schon sehr paradox, aber kann auch damit zusammenhängen, dass sie eben noch in der Vergewaltigung hängt und alles andere als Nebensächlich gar nicht so wahrnimmt und entsprechend "leichter" beurteilt, egal um welches andere Vergehen es sich handelt.

Wegen dem Account, dort scheint die Person sich einen Spaß daraus zu machen das Opfer entsprechend noch "leiden" zu sehen. Das spricht aber auch nicht unbedingt für einen Profi sondern nur ein Zufallstreffer der es nun lustig findet, dass jemand nicht so reagiert wie er sich es erwartet hat. Denn die meisten rasten doch komplett aus und werden sauer, das Gegenteil ist die komplette Ausnahme und darin besteht meiner Meinung nach auch für den Hacker gerade der besondere Reiz dabei.

Mit dem Support darüber sprechen, dann wird so etwas normalerweise auch direkt beendet und wenn Geld dabei im Spiel ist ohnehin nicht lange damit abwarten, denn je länger man wartet desto mehr Mist wird mit solchen Accounts gemacht. In Zukunft einfach sicherere Passwörter verwenden, die Mails nicht einfach öffnen und schon gar nicht auf Links in diesen klicken und Daten eingeben. Das sollte inzwischen schon soweit geläufig sein, aber dennoch passiert es nicht gerade wenigen jeden Tag.

Für alles andere bist du meiner Auffassung nach einfach die falsche Person ihre Probleme aufzuarbeiten und entsprechend wäre der Gang zu einem Psychologen sicherlich nicht das verkehrteste, damit das aufgearbeitet wird und sie auch wieder in ein "normales" Leben zurück findet.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


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