Sollte in Deutschland das Paramedicsystem eingeführt werden?

vom 01.08.2012, 12:44 Uhr

In einer Diskussion im Fernsehen wurde über das Paramedicsystem gesprochen, welches beispielsweise in den USA ist. Hier in Deutschland ist das Notarztsystem. Hier wird ein Mensch, der verunfallt ist oder durch eine Krankheit ins Krankenhaus muss erst von einem Notarzt stabilisiert. In den USA bei dem Paramedicsystem ist es so, dass der Notarzt während der Fahrt ins Hospital den Patienten behandelt und dieser auch mit dem Krankenwagen im gleichen Wagen eintrifft.

Bei dem Paramedicsystem ist es so, dass man so schnell es geht das Krankenhaus erreichen muss und bei dem Notarztsystem ist es so, dass der Mensch erst transportfähig sein muss. In der Diskussion wurde über die Vorteile und die Nachteile gesprochen und irgendwie hörte sich für mich das Paramedicsystem sehr viel vorteilhafter an. Denn angeblich werden in Amerika so viel mehr Menschen gerettet als hier in Deutschland, weil eben die Patienten im Krankenwagen behandelt werden. Hier wird vorher behandelt und im Krankenwagen wird dann nur noch überwacht. So jedenfalls wurde es im Fernsehen gesagt.

Was haltet ihr von diesem Paramedicsystem? Denkt ihr, dass sich dieses System in Deutschland durchsetzen könnte? Würdet ihr es befürworten?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Ich denke, dass beide Systeme Vor- und Nachteile haben. Wenn ein Notarzt gleich mit dem Krankenwagen eintrifft und der Kranke also in den Notarztwagen geschafft werden muss, vergehen einige Minuten ungenutzt, wo man einem Menschen, der schnelle Hilfe benötigt, diese sofort in der Wohnung zuteil werden lassen kann und ihn erst dann, wenn er transportfähig ist, in den Krankenwagen schafft. Diese Hilfe bekommt er aber in dem amerikanischen System erst im Krankenwagen. Da könnte es zu spät sein.

Dann gebe ich noch zu bedenken, dass in Deutschland der Krankenwagen und das Notarztauto oft mit Sirene sehr schnell fahren unter Nichtachtung aller Verkehrsregeln. Passiert trotzdem mal ein Unfall, ist hoffentlich nur ein Auto darin verwickelt. So könnte der Kranke aber von den Insassen des anderen Wagens Hilfe bekommen. In dem Paramedicsystem wären sowohl Notarzt und Sanitäter durch den Unfall blockiert und der Kranke könnte sterben.

Ich glaube nicht, dass durch das Ein-Wagen-System in Amerika mehr Menschen gerettet werden können. Denn manche Kranke können nicht erst transportiert werden, ihnen muss an Ort und Stelle geholfen werden. Sollte mal kein Notarzt verfügbar sein, sind die Rettungssanitäter auch so gut ausgebildet, dass sie - eventuell auch mit telefonischer Rücksprache - einem Kranken auf jeden Fall helfen können. Ich denke schon, dass unser bisheriges System sich bewährt hat. Allerdings dürfte es etwas teurer sein.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


Irgendetwas wurde in dem Bericht aber nicht vernünftig dargestellt. Die Notfallmedizin in den USA sieht überhaupt keinen Arzt vor. Ärzte sind nur in intensivmedizinisch ausgestatteten Rettungswagen und in der Luftrettung dabei. Ansonsten kümmern sich ausschließlich die Paramedics um den Patienten.

Paramedics sind nicht mit unseren Rettungssanitätern gleichzusetzen. Sie dürfen mehr tun. Was sie tun, richtet sich nach festgelegten Handlungsprotokollen. Manches kann über Funk durch einen Arzt erlaubt werden. Natürlich fährt man dort auch mit dem noch nicht richtig stabilisierten Patienten sofort in die Notaufnahme. Schließlich sieht der ansonsten keinen Arzt und der Handlungsspielraum der Paramedics ist ziemlich begrenzt.

Gerade auf dem Land hat man dort unter Umständen mehrstündige Transporte, bei denen das anwesende Personal an feste Protokolle gebunden ist und kein Arzt ist greifbar. Will man das wirklich? Man muss überlegen, woher das amerikanische System stammt. Irgendwann Anno dazumal, als die Möglichkeiten der Notfallmedizin noch stark begrenzt war, hat man festgestellt, dass verletzte Soldaten höhere Überlebenschancen haben, wenn sie möglichst schnell im Lazarett ankommen.

Darauf basiert das Paramedic-System der USA. Seitdem haben sich die Möglichkeiten aber sehr verändert. Und Notfälle im Alltag haben auch wenig mit Kriegsverletzungen zu tun. Hier wird ja nun auch nicht auf Teufel komm raus vor Ort stabilisiert. Wenn es sinnvoller ist, keine Zeit zu verlieren, arbeitet der Arzt auch unterwegs.

» cooper75 » Beiträge: 13430 » Talkpoints: 519,61 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Cid hat geschrieben:Ich denke, dass beide Systeme Vor- und Nachteile haben. Wenn ein Notarzt gleich mit dem Krankenwagen eintrifft und der Kranke also in den Notarztwagen geschafft werden muss, vergehen einige Minuten ungenutzt, wo man einem Menschen, der schnelle Hilfe benötigt, diese sofort in der Wohnung zuteil werden lassen kann und ihn erst dann, wenn er transportfähig ist, in den Krankenwagen schafft. Diese Hilfe bekommt er aber in dem amerikanischen System erst im Krankenwagen. Da könnte es zu spät sein.

Falsch dargestellt, im Paramedic System ist es ebenfalls angedacht dort am Patienten zu arbeiten wenn das erforderlich ist. Ist eine Klinik der Nähe, dann wird Load and Go als Strategie gewählt wie hier auch, denn in einem Rettungswagen (Krankenwagen ist etwas ganz anderes) kann man einfach nicht so behandeln wie in einer voll ausgestatteten Klinik. Das Notarztwagensystem ist weitestgehend abgeschafft und durch Rettungswagen inkl. Notarzteinsatzfahrzeug ersetzt worden, was hierzulande eine bessere Abkömmlichkeit und schnellere Verfügbarkeit des Notarztes machbar macht.

Cid hat geschrieben:Dann gebe ich noch zu bedenken, dass in Deutschland der Krankenwagen und das Notarztauto oft mit Sirene sehr schnell fahren unter Nichtachtung aller Verkehrsregeln. Passiert trotzdem mal ein Unfall, ist hoffentlich nur ein Auto darin verwickelt.

Wo willst du das bitte her haben? Das Sondersignal in Kombination setzt nicht alles direkt außer Kraft und man fährt nicht wie Sau und schon gar nicht unter Nichtachtung aller Verkehrsregeln. Achtsamkeit muss vorliegen, an einer roten Ampel muss gehalten werden und vergewissert, dass alles steht. Schienenverkehr und Flugzeuge haben nach wie vor Vorfahrt und dort bringt das ganze gar nicht. Bitte mal genauer informieren bevor man so etwas in den Raum haut.

Cid hat geschrieben:So könnte der Kranke aber von den Insassen des anderen Wagens Hilfe bekommen. In dem Paramedicsystem wären sowohl Notarzt und Sanitäter durch den Unfall blockiert und der Kranke könnte sterben.

Paramedic sind keine Notärzte und dort gibt es diese auch nicht. Das sind erweitert ausgebildete Rettungsassistenten mit mehr Kompetenzen die hier undenkbar sind wegen der Bundesärztekammer die nach wie vor bestimmte Maßnahmen auch nur für Ärzte vorbehalten wollen. Notfall hin oder her, ausgebildet sind hier die Rettungsassistenten und Notfallsanitäter darauf ebenfalls aber wenn man es anwendet dann steht man mit einem Bein im Knast und muss schon einen sehr gnädigen Richter finden und auch gut begründen können warum man sich dafür entschieden hat diese Maßnahme zu treffen. Notärzte gibt es dort nicht, diese Annahme ist komplett falsch. Auch ein Patient kann in Anwesenheit eines Notarztes sterben nur so am Rande und hier ist ein Rettungsmittel mit Besatzung ebenfalls an einen Einsatz gebunden, egal ob Unfall, Infarkt oder der querliegende Furz seit drei Tagen.

Cid hat geschrieben:Ich glaube nicht, dass durch das Ein-Wagen-System in Amerika mehr Menschen gerettet werden können. Denn manche Kranke können nicht erst transportiert werden, ihnen muss an Ort und Stelle geholfen werden. Sollte mal kein Notarzt verfügbar sein, sind die Rettungssanitäter auch so gut ausgebildet, dass sie - eventuell auch mit telefonischer Rücksprache - einem Kranken auf jeden Fall helfen können. Ich denke schon, dass unser bisheriges System sich bewährt hat. Allerdings dürfte es etwas teurer sein.

Aufgrund der Infrastruktur in den Städten ist das durchaus machbar, da binnen 5 Minuten überall Kliniken sind. Es macht daher auch keinen Sinn, dass man sich in der Wohnung des Patienten breit macht und dort 2 Stunden arbeitet anstatt direkt alles einpacken und in die Klinik schaffen. Maßnahmen können auch unterwegs getroffen werden, läuft dort wie hier nicht anders und ich habe selbst schon unzählige Male unter einer Sondersignalfahrt hinten gestanden oder auf der Trage gekniet (unangeschallt) und Patienten reanimiert.

Bevor jetzt jemand hier schreit, die Anschnallpflicht betrifft uns hinten drinnen nicht, wenn wir am Patienten arbeiten müssen aber der Fahrer muss besonders Aufmerksam fahren damit hinten nicht alles durch die Gegend fliegt an Personal. Beide Strategien mit Load an Go und Stay an Play werden hier ebenfalls angewendet und sind von Faktoren abhängig wie Transportzeit, Zustand des Patienten usw. In der Stadt mit Klinik wird hier großartig auch nicht in der Wohnung vom Patienten oder auf der Straße "gespielt" da packt man ein und fährt zu und macht unterwegs noch das notwendigste.

Unser System hat sich zum Teil bewährt und wurde auch immer wieder umgestellt. So gab es eine Weile die Mehrzweckfahrzeuge, also Fahrzeuge die Rettungsdienst sowie Krankentransport gemacht haben. Blöd war dabei nur, wenn das Fahrzeug an einen Krankentransport gebunden war (etwas geplantes was keine Eile Bedarf und einer 6 Stunden Pflicht unterliegt) kann er nicht zu einem Notfall abgerufen werden (sofortiger Einsatz notwendig). Daher hat man auf das geteilte System mit RTW, KTW und NEF wieder umgestellt. Um bei Verlegungen die Notärzte nicht zu binden, wurde zusätzlich das FEV eingeführt sprich ein Arzt der den ganzen Tag nur durch den Landkreis gekarrt wird und in die Rettungswagen für Verlegungen zusteigt. Mit Notfällen hat das ebenfalls nichts zu tun, diese müssen auch 24 Stunden vorher angemeldet werden von den Kliniken.

Zur Zeit will man wieder Kosten einsparen im Rettungswesen, denn die Notfallsanitäterausbildung kostet die Krankenkassen und die Träger des Rettungsdienstes jede Menge Kohle. Daher wird an manchen Stellen auch das NEF gestrichen, an anderen Stellen wird die Notfallsanitäterbesetzung um Jahre hinausgezögert im Landesrettungsdienstgesetz und manche Bundesländer haben noch nicht einmal angefangen mit Ausbilden, obwohl 2020 das ganze bereits umgesetzt sein soll, dass auf einem Rettungswagen mindestens ein Rettungsassistent und ein Notfallsanitäter sitzen muss. Für neue Ausbildungen dauert der Spaß 3 Jahre, wer vorher schon 5 Jahre gearbeitet hat als Rettungsassistent kann man mit Prüfung einfach antreten, aber in der Regel schickt man diese Mitarbeiter nochmal 3-6 Monate auf Lehrgang damit sie das auch schaffen. In dieser Zeit muss die Arbeit aber dennoch erledigt werden und es muss neues Personal eingestellt werden, sprich für eine Stelle doppelte Kosten, weil einer auf Lehrgang hockt.

@cooper durch das Notfallsanitätergedöns darf man hier nun auch mehr eigentlich. Abgedeckt ist es rechtlich nach wie vor nicht, also nichts geändert im Vergleich zu vorher nur das man nochmals zu einem Staatsexamen antreten darf, wenn man möchte sogar ohne Vorbereitung. Auf telefonische Anweisung kann man auch machen was man möchte oder der Rechtfertigende Notstand wie so schön heißt. So ist eigentlich jeder Rettungsassistent mit seinem ganzen Kram umzugehen und das auch einzusetzen, nur ist die Scheu bei vielen groß weil eben keine rechtliche Sicherheit besteht und auch die Antagonisten für viele Medikamente nicht auf dem Rettungswagen vorgehalten werden aus Kostengründen, wenn doch mal was schief geht bei der Medikamentengabe.

Die Prüfung ist übrigens lächerlich, ich habe es ohne Vorbereitung gemacht und direkt bestanden mit einem guten Schnitt. Gelernt habe ich dafür nichts, ich habe mich einfach auf meine Erfahrung der vergangenen 10 Jahre berufen und mich auch regelmäßig Fortgebildet. Nun habe ich zwar einen tollen Zettel in der Tasche, dennoch untersagt der Ärztliche Leiter in diesem Kreis alles was man mit diesem anwenden dürfte. Denn auch das ist durchaus Realität, da die Ärzte keine Lust haben sich die Butter vom Brot nehmen zu lassen von einem nicht studierten. Lieber wird selbst gepfuscht und der "Sani" darf es am Ende retten, auch das habe ich in 12 Jahren mehr als nur einmal erleben dürfen.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



Nun wissen wir ja ganz genau, wie das System läuft aus erster Hand. Dann ist doch die ganze Fernsehdiskussion, wie Diamante schreibt, nicht richtig gelaufen und die Zuschauer wurden ebenfalls falsch informiert. Denn wie du schreibst, gibt es bei den System keinen Notarzt, der im Wagen mitfährt. Also gibt es nur Notärzte in Rettungswagen für Intensiv-Medizin.

Wo ich das her habe? Nun, ich habe selbst in einem Krankenwagen gesessen, als er einfach über die rote Ampel fuhr. Ferner habe ich es auch als Fußgänger gesehen. Geschrieben hatte ich, dass sie sehr schnell fahren, aber nicht wie Sau, wie du es ausdrückst. Das ist ein Unterschied. Im letzten Jahr ist hier in der Stadt ein Rettungswagen verunglückt.

Patienten können immer sterben, auch wenn der Notarzt daneben kniet. Aber sicherlich nicht so oft, als wenn kein Arzt da wäre.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


Cid hat geschrieben:Nun wissen wir ja ganz genau, wie das System läuft aus erster Hand. Dann ist doch die ganze Fernsehdiskussion, wie Diamante schreibt, nicht richtig gelaufen und die Zuschauer wurden ebenfalls falsch informiert. Denn wie du schreibst, gibt es bei den System keinen Notarzt, der im Wagen mitfährt. Also gibt es nur Notärzte in Rettungswagen für Intensiv-Medizin.

Wie bereits gesagt gibt es so gut wie keine NAW mehr, sprich wenn der Notarzt fest auf einem Rettungswagen ist. Diese steigen vom NEF hinzu, dann wird der RTW kurzfristig zum NAW und an der Klinik trennt man sich wieder oder auch schon vorher, wenn es notwendig ist. Dann stehen die Rettungsassistenten auch alleine ohne Notarzt da und müssen alles weitere machen.

Cid hat geschrieben:Wo ich das her habe? Nun, ich habe selbst in einem Krankenwagen gesessen, als er einfach über die rote Ampel fuhr. Ferner habe ich es auch als Fußgänger gesehen. Geschrieben hatte ich, dass sie sehr schnell fahren, aber nicht wie Sau, wie du es ausdrückst. Das ist ein Unterschied. Im letzten Jahr ist hier in der Stadt ein Rettungswagen verunglückt.

Gratuliere! Und nur weil man nun über eine rote Ampel gefahren ist setzt man sich über ALLE Verkehrsregeln hinweg? Lese mal was du vorher geschrieben hast. Es ist korrekt, dass man Lichtsignale von Ampeln unter der notwendigen Aufmerksamkeit und Vorsicht überfährt, jedoch niemals Schienen oder auf dem Rollfell. Auch einfach entgegen der Einbahnstraße falsch herum einfahren und allgemein auf Geisterfahrer zu machen ist nicht vorgesehen und erlaubt. Also an dieser Kleinigkeit direkt festmachen, dass man sich über alles hinwegsetzen kann und darf ist schlichtweg einfach falsch. Ich empfehle dazu mal die Belehrung über Sonder- und Wegerecht zu genießen oder es entsprechend zu lesen was man darf und was nicht. Viel ist das nicht, wenn "mehr" gemacht wird ist das nicht legitim.

Und nur weil ein RTW verunglückt ist passiert nun genau was? Im letzten Jahre waren es einige, Teilweise aus Selbstverschulden, Teilweise die Schuld von anderen und sogar technisches Versagen war dabei. Was soll das nun aussagen? Ein Rettungsmittel ist nichts weiter als ein üblicher Verkehrsteilnehmer und das Blaulicht auf dem Dach schützt auch nicht vor einem eigenen Unfall.

Cid hat geschrieben:Patienten können immer sterben, auch wenn der Notarzt daneben kniet. Aber sicherlich nicht so oft, als wenn kein Arzt da wäre.

Ahja und wie genau kommst du zu dieser Erkenntnis? Notruf und Medicopter geschaut? Vollkommener Blödsinn, dass weniger Patienten sterben wenn ein Notarzt dabei ist als sonst auch. Jeder Rettungsassistent und Notfallsanitäter, und davon ist mindestens einer auf dem Fahrzeug, haben die Notkompetenzen erlernt und sind in der Lage die ärztlichen Handlungen durchzuführen. Die Frage die sich dabei nur stellt, traut es sich die Person und riskiert dafür in den Knast zu gehen? Ich würde mir das ebenfalls überlegen aber wenn es kurz vor knapp ist, dann gibt es dort nichts zu überlegen da man es ohnehin nicht schlimmer machen kann. Ja, in diesem Moment überschreitet man weit seine Kompetenzen, aber es ist nicht so, dass ein Rettungswagen vor hat eine Operation am offenen Herzen durchzuführen. Hier geht es um Medikamentengaben unterschiedlicher Art, Atemwegssicherungen durch Intubation oder auch eine Kardioversion.

Jedenfalls ist es so, dass es genug Ärzte gibt die als Notarzt draußen unterwegs sind die dort rein gar nichts verloren haben. In einigen Bundesländern werden Hausärzte dazu verdonnert oder auch Augenärzte, also das was man draußen nicht wirklich gebrauchen kann. Dort ist es dann echt so, dass der Rettungsassistent alles macht und in die Hand nimmt und am Ende der Notarzt nur noch seine Unterschrift darunter setzt. Erfahrung und Ahnung ist nicht immer vorhanden, selbst wenn ein Notarztschein und ein Studium existiert. Hingegen gibt es auch verdammt gute Notärzte die sonst Hausarzt oder Gynäkologe sind, aber gerade wenn die Hausärzte müssen aber nicht wollen sieht die Lage komplett anders aus.

Würde da kein Rettungsassistent daneben sitzen, dann würden mit Sicherheit mehr Patienten den Löffel abgeben und nicht umgekehrt. Zudem darfst du auch Bedenken, ein Rettungsassistent hat alles vorher vorbereitet bis der Notarzt kommt. Eine Kunst ist das ansetzen einer Spritze und drücken nicht, aber vorher das richtig aufziehen, richtig dosieren und verdünnen dann schon eher auch darauf wird sich oftmals blind verlassen vom Notarzt. Wären also alle Rettungsassistenten überflüssig wie es hier hingestellt wird, weil ja so viele Patienten sterben wenn nur sie und kein Notarzt daneben sitzt, dann frage ich mich wirklich wozu ich 12 Jahre lang das gemacht habe. Die Bilanz zeigt mir persönlich dabei, alles was an Patienten abgelebt ist wäre auch verstorben wenn der Notarzt daneben gestanden hätte und nicht nur ich.

Oftmals stand dieser sogar dabei und konnte nichts mehr machen, einfach weil die Möglichkeiten außerhalb einer Klinik beschränkt sind und auch nicht jeder Patient frei Zugänglich liegt. Eingeklemmte Personen brauchen schon mal 10-30 Minuten bis sie draußen sind, dass ist halt alles von ihrem eigenen Outcome dann schon weg. Die besten Chancen hat so jemand, wenn er binnen 60 Minuten in der Klinik der Maximalversorgung ankommt. Gewährleiste das mal im Schwarzwald, wenn es im Umkreis von 80 Kilometern gerade einmal 2 Häuser dafür gibt und die Hubschrauber wegen Wolkendecken nicht fliegen. Alleine da bist du 2 Stunden am Fahren alleine wegen der engen kurvigen Strecken, ohne Rettung aus seinem Fahrzeug und Erstversorgung. Wenn es "schnell" geht, kommen solche Leute Bodengebunden im Idealfall nach 3 Stunden in der Klinik an nach dem Ereignis. Mit Hubschrauber schneller, aber wie gesagt, nicht immer Verfügbar und man muss das nehmen was man gerade hat.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


Notfallmedizin ist einfach auch Glückssache, das kann man nicht verhindern. Ein unerfahrener Mediziner oder unerfahrene Sanitäter sind suboptimal, aber niemand kommt mit ganz viel Übung und Erfahrung auf die Welt. Dann ist die Frage, wo es hingeht, wenn der Wagen fährt.

Ein Familienmitglied mit Schlaganfall wäre für eine Stroke Unit ein idealer Fall gewesen. Aber es gab keinen Platz in erreichbarer Nähe. Ich habe noch den frustrierten Sanitäter im Ohr, der die Leitstelle entnervt fragte, ob sie vielleicht nach Hamburg Altona fahren sollten. Wir waren im Ruhrgebiet. Ich hatte dann die Wahl zwischen zwei vollkommen ungeeigneten Kliniken, weil es auch sonst keine Betten gab.

Die Notfallversorgung war sehr gut. Aber was nützt das, wenn es danach keine passende Weiterbehandlung gibt? Eine Unfallklinik war jetzt nicht der Volltreffer, aber die hatten ein Bett. Und sie haben sich sehr viel Mühe gegeben. Nur merkte man an allen Ecken und Enden, dass dort nur theoretisches Wissen irgendwie in die Praxis umgesetzt worden ist. Anderes Personal und es wäre dumm gelaufen.

Und natürlich können immer Unfälle passieren. Ob Rettungswagen, Hubschrauber oder Flugzeug, schief gehen kann immer etwas. Das Personal bleibt menschlich und Menschen machen Fehler, von den ganzen unbeteiligten Verkehrsteilnehmern redet man besser nicht.

» cooper75 » Beiträge: 13430 » Talkpoints: 519,61 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



cooper75 hat geschrieben:Ein Familienmitglied mit Schlaganfall wäre für eine Stroke Unit ein idealer Fall gewesen. Aber es gab keinen Platz in erreichbarer Nähe. Ich habe noch den frustrierten Sanitäter im Ohr, der die Leitstelle entnervt fragte, ob sie vielleicht nach Hamburg Altona fahren sollten. Wir waren im Ruhrgebiet. Ich hatte dann die Wahl zwischen zwei vollkommen ungeeigneten Kliniken, weil es auch sonst keine Betten gab.

Du beschreibst es treffend und so wie in deinem Fall passiert es jeden Tag. Die die einen Platz brauchen bekommen keinen, weil darauf jemand schimmelt der diesen Platz nicht bräuchte z.B. betrunkene die einen Intensivplatz auf der Inneren belegen damit sie überwacht werden können nach ihrem Rausch. Solange hat halt die KHK und dekompensierte Herzinsuffizienz Pech gehabt und muss sich mit etwas anderem begnügen, im Zweifel wird diese auf der Gynäkologie abgeladen weil dort als einziges noch ein Bett frei ist und ein Rettungswagen auch nicht durch die halbe Welt fahren kann wie er lustig ist.

Aber ich habe es auch erlebt, dass ich in Mannheim stand und von dort aus nach Kaiserslautern unter einer laufenden Reanimation fahren sollte obwohl ein Haus der Maximalversorgung (sprich Uniklinik) in Mannheim vorhanden ist, die sich nie abmelden können und mindestens die Erstversorgung übernehmen müssen!

Und auch kurz hinter Nürnberg bei einem Einsatz war der nächste freie geeignete Platz in Murnau. Natürlich Nachts bei schlechtem Wetter, sprich ein Hubschraubertransport ist ausgefallen und so durften wir mit unserem Notfallpatienten 4 Stunden nach Murnau fahren. Die gleiche Fachrichtung die wir gebraucht hätten gibt es zwar auch in Nürnberg, aber dort war man angeblich voll. Hinterher haben wir erfahren, dass dort noch ein Platz vorhanden gewesen wäre aber weil es der einzige im ganzen nördlichen Bayern gewesen ist hat man diesen doch frei gehalten, falls jemand z.B. von Hof, Coburg oder Würzburg kommen würde. Der Rest wurde hunderte Kilometer in den Süden gekarrt, weil dort noch 3 Plätze waren.

Die Leitstelle trifft dabei keine Schuld, da sie ihre freien Plätze von der Klinik mitgeteilt bekommt. Aber dort wird auch gerne gelogen, wenn zu wenig Personal vorhanden ist dann werden Plätze geleugnet und man "ist voll" oder auch wenn nur 1 Platz vorhanden ist im ganzen Land, hebt man diesen auch gerne auf und meldet ihn nicht. Auch da besteht enormer Nachbesserungsbedarf, dass so etwas nicht mehr praktiziert werden kann. Aber das nachzuweisen, dass der Platz vorhanden gewesen wäre ist immer schwierig. Wir haben das auch nur mitbekommen, da die Tochter des Kollegen auf der Station arbeitet die dafür zuständig ist. Aber darauf berufen kann man sich ebenfalls nicht und auch wird man das nicht den Angehörigen mitteilen, dass Oma nun den dauerhaften Schaden hat weil Klinik X ihren freien Platz geleugnet hat.

Dass man dann bestimmte Maßnahmen wie Lyse bereits vergessen kann, erklärt sich von alleine da das Zeitfenster nicht eingehalten werden kann. Also selbst wenn man direkt neben dran steht, alles erkennt was der Patient hat und macht was man auf der Karre hat bringt rein gar nichts, wenn man hinterher Stundenlang in der Gegend stehen gelassen wird und seinen Patienten nirgendwo "abgeben" kann für eine Weiterbehandlung. Das ist doch sehr frustrierend und nicht nur im Ruhrgebiet so, sondern auch in allen anderen Bundesländern da ich schon alles durch habe und es überall die gleiche Thematik gibt.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


Dass du deine Arbeit liebst, merkt man. Das heißt aber doch nicht, dass ich etwas gegen Rettungsassistenten geschrieben habe. Dass sie ihre Arbeit gewissenhaft machen und alles geben, weiß ich. Nach deiner Ausführung kann man auf den Gedanken kommen, dass Notärzte eigentlich überflüssig sind, wenn die ganze Arbeit sowieso an den Rettungssanitätern hängen bleibt.

Warum gibt man dann den Rettungssanitätern nicht die Möglichkeit, auch die vorbereitete Spritze, wie du schreibst, selbst zu drücken? Das Wissen haben sie schon allein durch ihre Tätigkeit.

Schreib jetzt nicht, dass ich Notfallmediziner als überflüssig betrachte. Das ist nicht der Fall. Auch Rettungsassistenten betrachte ich keinesfalls als überflüssig, wie du es hinstellst. Davon kann keine Rede sein.

Du interpretierst überall etwas hinein, was ich nicht geschrieben habe. Wenn du frustriert bist, weil deine Arbeit nicht genügend gelobt wurde, such nicht nach jeder Kleinigkeit und verdrehe sie.

Du könntest dich doch mal stark machen und die entsprechende Stelle anschreiben und dafür sorgen, dass die Rettungssanitäter mehr Freiheit in Bezug auf lebenserhaltende Maßnahmen im RTL bekommen. Natürlich nicht als Anfänger, sondern nach ein paar Jahren. Den Mut dafür zu kämpfen hast du ja.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


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