Bekommt ihr Studium und Nebenjob gut unter einen Hut?

vom 25.02.2015, 13:38 Uhr

Ich war während meines Studiums im Studentenrat aktiv und ich denke, die meisten, die sich dort auch engagiert haben, haben ihr Studium als Selbstverwirklichung gesehen. Das trifft ja auch auf die Tätigkeit im Studentenrat zu - diskutieren, Werte vergleichen, aktuelle Entwicklungen auswerten.

Und welchen Anteil der Studenten macht dieser Studentenrat aus? Es ist natürlich sehr logisch, dass sich dort Menschen engagieren, für die das Studium der wichtigste Lebensinhalt ist. Das schließt nicht aus, dass die große Mehrheit der Studenten anders denkt.

Und die besten Ideen kommen einem doch, wenn man eben nicht unter Druck steht, sondern frei assoziieren kann.

Das ist individuell sehr unterschiedlich. Wenn man mit Druck gut umgehen kann, dann kann man trotzdem oder gerade dann gute Ideen entwickelt. Viele gute Ideen entstehen überhaupt erst, weil man ein schwieriges Problem in einem vernünftigen Zeitrahmen lösen muss.

Aber in vielen Bereichen braucht man auch Kreativität, neue Ideen, anders denken, quer denken - und das passt nicht gut zu Druck.

Doch, das passt sogar sehr gut zu Druck. Ohne Druck kann man meistens mit sehr umständlichen und äußerst unkreativen Lösungen zurechtkommen. Erst der Mangel schafft oftmals überhaupt erst die Notwendigkeit für Kreativität.

Ob das eine Tatsache ist oder nicht, kann man auch hinterfragen. Warum ist das für dich eine Tatsache? Weil du Gegenbeispiele kennst? Aber kann man aus Gegenbeispielen gleich einen Schluss auf die Mehrheit ziehen? Woher willst du wissen, wofür sich der Durchschnittsstudent interessiert?

Das ist recht einfach nachzuweisen. Man muss sich nur die Beliebtheit von Studiengängen, die eben nicht auf das akademische Idealbild ausgelegt ist, anschauen.

Ich helfe manchmal anderen bei wissenschaftlichen Auswertungen und erst neulich hatte ich eine Studie bearbeitet, bei der Studenten danach gefragt wurden, was sie zum Studieren motiviert und was sie als Grund dafür sehen, dass sie studieren.

Wurde diese Studie repräsentativ und mit einer ausreichend großen Stichprobe durchgeführt? Wenn man im richtigen Fach nachfragt, kommt natürlich das Ergebnis raus. In den Geisteswisschenschaften würde mich ein solches Ergebnis jedenfalls nicht verwundern, schließlich gibt es da oftmals kaum Anwendungen außerhalb der akademischen Welt.

Natürlich darf man auch nicht nur Studenten fragen. Man muss auch mal mit Leuten reden, die einige Jahre Abstand haben.

Und was weiß ich dann, wenn ich einen Medizinstudenten frage?

Das war ein Gedankenspiel, um dich in die Lage eines solchen Menschen zu versetzen. Das sollte für einen kreativen, akademischen Freigeist doch möglich sein.

Da wirst du das Gegenteil finden - nämlich es geht nicht nur um Job und Geld.

Ich habe ja überhaupt nicht behauptet, dass es nur um das Geld geht.

Würde es nur nach dem Geld gehen, dann könnte man ja philosophische Fakultäten gleich dicht machen, denn Soziologen und Philosophen, Erziehungswissenschaftler oder Sozialpädagogen landen ja in vielen Gehaltsstatistiken ganz hinten. Warum studieren die dann überhaupt?

Diese Leute studieren garantiert nicht für eine gut bezahlte Tätigkeit, da stimme ich dir zu. Nicht umsonst landen aber diese Studiengänge ganz weit hinten, wenn man die Anzahl der Studenten vergleicht. Irgendwann müssen aber auch diese Menschen ihr eigenes Geld verdienen, und das führt nicht selten zu einer fachfremden Tätigkeit.

Im Job Selbstverwirklichung zu suchen finde ich zudem auch nicht weit gedacht. Selbstverwirklichung setzt voraus, dass man auch ein wenig machen kann, was man will und seinen Interessen nachgehen kann. Das kann man im Job so nicht.

Nein, Selbstverwirklichung heißt nicht unbedingt, dass man tun und lassen kann, was man gerade will und sich nach niemanden anders richten muss. Viele Menschen können sich sehr wohl in ihrem Job selbst verwirklichen, auch mit strikten Grenzen in der Handlungsfreiheit. Das ist nur eine Frage der persönlichen Einstellung.

Im Studium ist das ja nicht so. Im Studium ist, wenn man nicht arbeiten muss, ein finanzieller Grundstock da, der auch nicht wegfällt, egal ob man nun besonders effektiv studiert oder nicht. Ich habe zwar Prüfungen, für die ich lernen muss, aber man kann vieles selbst entscheiden und die Freiheiten sind im Studium höher als im Arbeitsleben.

Ich weiß nicht, was du so studierst, aber bei uns gab es zumindest Klausuren und Studienarbeiten, die sehr wohl terminlich auch ziemlich eng eingegrenzt waren. Und wenn man nicht gerade Langzeitstudent mit 20 Semestern oder mehr werden will, muss man auch ein gewisses Pensum erfüllen, ob man will oder nicht. Da wäre es schon einmal interessant zu wissen, bei welchem Studiengang das nicht so ist.

Bei mir ist es sogar so, dass ich im Beruf sehr viel mehr Handlungsfreiheit habe als im Studium. Und so ging es fast ausnahmslos jedem Studenten, den ich kenne. Mag sein, dass es ein paar komische Kombinationen aus super freiem Studium und merkwürdigen Jobs gibt, bei denen das nicht so ist. Möglicherweise war dann die Wahl des Studiengangs aber sehr ungeschickt, wenn man keinen Job findet, bei dem man eine große Handlungsfreiheit hat. Aber die Regel ist das ganz sicher nicht.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

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Und welchen Anteil der Studenten macht dieser Studentenrat aus? Es ist natürlich sehr logisch, dass sich dort Menschen engagieren, für die das Studium der wichtigste Lebensinhalt ist. Das schließt nicht aus, dass die große Mehrheit der Studenten anders denkt.

Das ist eine kleine Gruppe, ja - aber die studentische Selbstverwaltung hat an einer Universität einen hohen Stellenwert. Über den Studentenrat hinaus gibt es Fachschaftsräte, Studienkommissionen, Berufungskomnissionen, die sogar über Professoren mitentscheiden, es gibt Studenten in den Verwaltungsetagen des Studentenwerks und an ganz vielen Stellen. Das sind nicht nur ein paar wenige, wenn man das alles zusammenzählt kommt man schon auf einen großen Teil in irgendeiner Form engagierter Studenten und sei es nur eine Hochschulgruppe.

Das ist individuell sehr unterschiedlich. Wenn man mit Druck gut umgehen kann, dann kann man trotzdem oder gerade dann gute Ideen entwickelt. Viele gute Ideen entstehen überhaupt erst, weil man ein schwieriges Problem in einem vernünftigen Zeitrahmen lösen muss.

Das widerspricht aber der Kreativitätsforschung. Demnach erhöht Druck die Stressbelastung und damit das konservative Denken, also das Denken in vorgegebenen Bahnen und nur wenn die Stressbelastung gering ist, wird das kreative und auf Vielfalt gerichtete Denken gefördert. Individuelle Unterschiede gibt es immer, aber die Kreativitätsforschung sagt ganz klar, dass Druck im Durchschnitt die Kreativität hemmt.

Wurde diese Studie repräsentativ und mit einer ausreichend großen Stichprobe durchgeführt? Wenn man im richtigen Fach nachfragt, kommt natürlich das Ergebnis raus. In den Geisteswisschenschaften würde mich ein solches Ergebnis jedenfalls nicht verwundern, schließlich gibt es da oftmals kaum Anwendungen außerhalb der akademischen Welt.

Das war ein Vergleich von Maschinenbauern und Pädagogen und es war bei beiden so, dass sie aus Interesse studieren. Maschinenbau ist für dich bestimmt ein Fach, wo du eher eine nicht-akademische Prägung siehst, also eine Orientierung am späteren Job. Aber Maschinenbauer sind oft einfach nur Technik-Freaks, verkappte Erfinder und Tüftler, die sich durch das Studium selbstverwirklichen.

Was ist denn für dich eine ausreichend große Stichprobe, dass du es mir glaubst? Man führt doch immer Signifikanztests durch und die zeigen bei kleinen Stichproben und kleinen Unterschieden keine Signifikanz an. Wenn aber Ergebnisse signifikant werden, dann kannst du immer davon ausgehen, dass es da bedeutende Unterschiede gibt, die nicht einfach nur zufällig da sind.

Das war ein Gedankenspiel, um dich in die Lage eines solchen Menschen zu versetzen. Das sollte für einen kreativen, akademischen Freigeist doch möglich sein.

Mein akademischer Freigeist ist aber leider nicht in der Lage, sich in das komplette Denken einer ganzen Bevölkerungsgruppe durch das Beispiel nur einer Person zu versetzen. Ich kenne Medizinstudenten und ich kenne Ärzte. Manche studieren gern, für andere ist es Stress. Manche gehe in ihrem Beruf auf, manche warten nur auf die Rente. Es gibt überall solche Unterschiede. Das wäre bei anderen Berufen auch nicht anders.

Nein, Selbstverwirklichung heißt nicht unbedingt, dass man tun und lassen kann, was man gerade will und sich nach niemanden anders richten muss. Viele Menschen können sich sehr wohl in ihrem Job selbst verwirklichen, auch mit strikten Grenzen in der Handlungsfreiheit. Das ist nur eine Frage der persönlichen Einstellung.

Es ist eine Frage des Ausmaßes an Selbstverwirklichung. Reicht es mir, wenn ich innerhalb gegebener Grenzen manchmal, bei einigen Aufgaben meinen Interessen folgen kann und kann ich damit leben, dass es Fristen gibt? Oder reicht mir das nicht? Der individuelle Wunsch nach Selbstverwirklichung ist bei jedem anders. Es gibt bestimmt auch Leute, die das gar nicht wollen, die einfach nur auf Arbeit gehen, Geld verdienen, den Tag überstehen und wieder nach Hause wollen. Da findet die Selbstverwirklichung vielleicht in der Freizeit statt. Und wenn es eine Passung zwischen dem Wunsch nach Selbstverwirklichung und dem, was der Job bietet, gibt, dann müsste derjenige ja zufrieden sein.

Ich weiß nicht, was du so studierst, aber bei uns gab es zumindest Klausuren und Studienarbeiten, die sehr wohl terminlich auch ziemlich eng eingegrenzt waren. Und wenn man nicht gerade Langzeitstudent mit 20 Semestern oder mehr werden will, muss man auch ein gewisses Pensum erfüllen, ob man will oder nicht. Da wäre es schon einmal interessant zu wissen, bei welchem Studiengang das nicht so ist.

Klausuren und Prüfungen hat jeder. Aber dazwischen kann man ja machen, was man will. Wenn ich am Ende des Semesters Prüfungen hatte, dann habe ich einige Wochen vorher mit dem Lernen angefangen. Die Zeit davor konnte man ja aber frei nutzen und machen, was man wollte.

Im Job hat man doch aber mehr oder weniger jeden Tag bestimmte festgezurrte Aufgaben und nicht nur einmal im Halbjahr. In der Arbeit ist man mehr eingeschränkt, man muss sich an mehr halten. Wenn man im Studium mal einen Tag keine Lust hatte, dann war das so. In der Arbeit kann man nicht mal spontan daheim bleiben und man hat auch nicht drei Monate Semesterferien wenn man arbeitet.

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