Nach der Ausbildung direkt selbstständig machen - sinnvoll?

vom 10.09.2015, 09:30 Uhr

Ich kenne viele Auszubildende, die gerne ihre Ausbildung absolvieren. Allerdings träumen sie schon in jungen Jahren davon, sich selbstständig zu machen. Grundsätzlich sehe ich das ja unproblematisch. Es ist ja zweifelsfrei eine große Chance. Dennoch sehe ich ein Problem darin, dies direkt nach der Ausbildung zu machen.

In der Ausbildung bekommt man schließlich nur das Rüstzeug für den späteren Beruf mit auf den Weg gegeben. Was man nicht bekommt, ist Praxiserfahrung. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man viele Sachen erst nach der Ausbildung richtig lernt und viele Erfahrungen sammelt, die man während der Ausbildung nicht macht. Von daher stelle ich mir die Frage, ob es sinnvoll ist, schon sofort nach der Ausbildung in die Selbständigkeit zu starten.

Was denkt ihr darüber? Wäre es beispielsweise für einen Azubi einer KFZ-Werkstatt sinnvoll, sich sofort nach der Ausbildung selbstständig zu machen? Die gleiche Frage könnte man für einen Azubi im Einzelhandel stellen, der danach sofort einen eigenen Laden eröffnet. Was denkt ihr drüber?

» GoroVI » Beiträge: 3187 » Talkpoints: 2,66 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Sich direkt nach der Ausbildung in die Selbständigkeit zu begeben, dürfte in den wenigsten Fällen sonderlich sinnvoll oder erfolgversprechend sein. Wie schon erwähnt wurde, vermitteln viele Ausbildung hauptsächlich das nötige theoretische Wissen, um die Arbeit anschließend in der Praxis umsetzen zu können. Erst mit vermehrter Praxiserfahrung automatisieren sich die verschiedenen Arbeitsabläufe letztendlich, was einem zu einem guten Arbeiter werden lässt. Die Erfahrung, die man dabei über die Jahre sammelt, erreicht man während seiner Ausbildung nicht einmal im Ansatz.

Hinzu kommen verschiedene gesetzliche Vorlagen, die es gerade im handwerklichen Bereich nahezu unmöglich machen, als Geselle einen eigenen Betrieb zu gründen. Oftmals wird ein Meisterbrief vorausgesetzt, um einen handwerklichen Betrieb führen zu dürfen oder man muss zumindest einen Meister anstellen, damit der entsprechende Betrieb eine Zulassung bekommt.

Ein anderer Punkt ist die zu erwartende Erfolgsaussicht, da es praktisch keine Betriebsgründungen gibt, die derart innovativ sind, dass nicht schon ausreichend Konkurrenz vorhanden wäre. Und welcher Kunde würde nicht einem gestandenen Betrieb, der von einem Meister geführt wird, den Vorzug geben? Viele Deutsche wollen junge Gründer zwar unterstützen, aber wenn es um das eigene Geld geht, will man auch entsprechende Ergebnisse, die man sich eher von einem Meisterbetrieb erhofft.

Und dies geschieht so vollkommen zurecht, denn in der überwiegenden Zahl der Geschäftsfelder ist es einfach unmöglich, mit nur einer abgeschlossenen Ausbildung die gleiche professionelle Dienstleistung bieten zu können wie Betriebe, deren Gründer eine vertiefte oder erweiterte Ausbildung durchlaufen haben. Es fehlt schlicht und ergreifend an der entsprechenden Erfahrung.

Würde ich mich also selbständig machen wollen, geschähe das sicherlich nicht, hätte ich nur eine abgeschlossene Ausbildung ohne mehrjährige einschlägige Berufserfahrung. Mal davon abgesehen, dass es schwer werden dürfte, ohne die entsprechenden Qualifikationen einen Kredit oder eine anderweitige Finanzierung von zuständiger Stelle zu bekommen, würde ich mir keine sehr großen Erfolgsaussichten dabei ausrechnen.

Grund hierfür ist wieder die allgegenwärtige Konkurrenz von den gestandenen Betrieben. Stattdessen würde ich so viel Praxiserfahrung wie möglich sammeln und mich gleichzeitig darum bemühen, entsprechende Weiterbildungsmöglichkeiten zu ergreifen und letztendlich das Wissen zu erwerben, das mich theoretisch für das Führen eines Unternehmens in der Selbständigkeit ausrüsten würde.

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» TamiBami » Beiträge: 2166 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Ich denke nicht, dass das Sinn macht. Als Auszubildender verdient man nicht viel Geld und gerade bei einer Selbstständigkeit muss man auch erst mal eine Menge zahlen, weswegen sich das absolut nicht lohnt. Außerdem lebt ein Geschäft von den Kunden und wenn einen niemand kennt und man noch keinen guten Namen hat, wird man wohl auch kaum zum Neuling gehen.

Zudem geht es bei einer KFZ Werkstatt oftmals auch um teure Autos und wer vertraut die schon einem jungen Kerl an, der gerade mal seine Ausbildung in der Tasche hat? Zur Selbstständigkeit gehört viel Arbeit, man muss auch vorher immer genug Geld haben und auch eine Zeit lang von Rücklagen leben, ich denke nicht, dass man diese Kosten nach einer Ausbildung tragen kann oder auch einen dementsprechenden Kredit bekommt.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich denke das hängt sehr von der persönlichen Situation und der Art des Betriebes ab. Bei einem normalen Handwerksbetrieb ist das eher schwierig, wenn man nicht bereits vor der Ausbildung Vorkenntnisse hatte.

Im IT-Bereich beispielsweise ist das etwas anders. Da findet man schnell eine Nische, die man relativ schnell erlernen kann. Zumindest vor einigen Jahren waren auch noch viele Autodidakten in der Branche unterwegs, da konnte man teilweise als Schüler auf dem gleichen Niveau arbeiten. Das ist heutzutage etwas anders, aber grundsätzlich ist die Selbstständigkeit nach einer Ausbildung durchaus möglich.

In anderen Branchen, in denen man Quereinsteiger findet, funktioniert das sicherlich genauso.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Meiner Meinung nach kommt es auf die Branche drauf an in der man sich Selbstständig machen möchte. Nicht alles lernt man überall in der Lehre und vieles einfach erst hinterher durch die Berufserfahrung. Nimmt jemand dieses Wissen nicht mit, dann steht er mit seiner Selbstständigkeit da und leistet eben nur die Arbeit auf einem niedrigen Niveau. Gerade im KFZ Bereich sieht man doch einiges im laufe der Jahre, was man sich als Wissen mit nimmt und auch Erfahrungen mit verschiedenen Herstellern und deren Problemstellen macht.

Einzelhandel ist schon wieder etwas anderes. Durchaus ist es einfach, dass man nach der Ausbildung im Einzelhandel direkt seinen eigenen Laden eröffnet. Was man dafür braucht, bekommt man in der Lehre alles mit. So weiß man wie das mit dem Einkauf läuft, was Verkauft werden muss und auch die Buchführung bekommt man grob erklärt. Die Einzelheiten muss man sich selbst erarbeiten, aber dort ist es meiner Auffassung nach einfacher, hinterher selbst einen Supermarkt oder sonstiges zu eröffnen, Waren anzubieten und diese auch zu verkaufen.

Ganz unrecht hat Ramones nicht mit den Ausführungen. Wer eine Selbstständigkeit anstrebt, der steckt dort erst einmal viel Zeit und Geld hinein. Auch sollte genug vorhanden sein, dass man sich davon selbst über Wasser halten kann und auch entsprechend selbst Krankenversichern. Das vergessen viele dabei und stehen dann blöd da, da sie meinen sich das sparen zu können gerade weil sie noch jung sind und nichts haben. Aber das macht man aus bereits vorhandenen Eigenkapital und nimmt dafür sicherlich keinen Kredit auf, diesen nimmt man maximal für die Ausstattung vom Geschäft und andere geschäftliche Ausgaben auf, aber nicht zur eigenen Lebensführung im privaten Bereich.

Kredite zu bekommen ist nicht schwer, die Frage ist dann eher ob das ganze auch seriös ist und auch entsprechend überprüft worden ist. Es gibt genug Banken die Kredite vermitteln und vergeben obwohl man bereits im Vorfeld sagen kann, dass der Kunde sich das niemals leisten kann und auch niemals abbezahlen kann. Somit steht man immer in der eigenen Verantwortung das vorher bereits zu rechnen, seine Überlegungen zu machen und auch ein entsprechend gutes und schlüssiges Konzept bei der Bank vorzulegen.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


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