Sich wirtschaftlich mit anderen Ländern vergleichen?

vom 13.09.2016, 16:57 Uhr

Es gibt ja viele Menschen, die die Armut in Deutschland bemängeln. Sie ist ja in vielen Weisen ohne Zweifel vorhanden. Sei es bei der Kinderarmut, bei kommunalen Schulden usw. Es ist ja also nicht so, dass man sagen könnte, Deutschland wäre reich.

Es ist jedoch nicht selten so, dass andere Länder durchaus ärmer dran sind. Wenn wir jetzt mal H4-Empfänger einbeziehen, weil so etwas gibt es in Afrika natürlich nicht. Da hungern viele Regionen endlos, andere haben nicht mal ein Dach übern Kopf, kein Strom usw. Natürlich ist es so, dass in diesem Vergleich wir noch immer recht "gut" dran sind, was wir alle sicherlich nicht abstreiten können.

Doch ich frage mich, ob es ständig Okay ist, ein Land, welches durchaus Probleme hat, mit einem anderen Land, welches noch ärmer dran ist sowohl wirtschaftlich, moralisch als auch im Allgemeinen zu vergleichen? Geht das überhaupt? Ich finde es nämlich immer wieder erstaunlich, wie manch einer die Probleme in DE schönredet, wenn man dann im gleichen Atemzug Afrika als Paradebeispiel der Armut ansetzt.

Findet Ihr, dass man Länder untereinander vergleichen sollte, um die eigenen Probleme, auch wirtschaftlicher Natur, runter zu reden, weil es anderswo schlimmer ist? Geht das überhaupt und macht es das eigentliche Problem deswegen besser, weil wir besser dran sind, wie Nordkorea, Afrika, Indien & Co?

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Man muss sich ja nicht einmal mit anderen Ländern vergleichen. Es würde reichen, die Situation im eigenen Land zu verschiedenen Zeiten zu betrachten. Und hier hat Deutschland in den letzten 50 Jahren massiv an Wohlstand aufgebaut. Das Problem ist, dass deshalb die Ansprüche an weiteres Anwachsen des Wohlstands sehr hoch sind. Nur wurde inzwischen ein so hohes Niveau erreicht, dass das kaum noch möglich ist.

Meine Eltern erzählen zumindest immer noch, dass sie als Kinder weder zuverlässig fließendes Wasser noch eine Heizung hatten. Fleisch war sehr wertvoll, weshalb es das nur an Sonntagen und zu besonderen Anlässen gab. Ähnlich sah es mit Milchprodukten wie Butter aus. Elektrogeräte gab es so gut wie gar nicht. Von Unterhaltungselektronik brauchen wir erst gar nicht reden. Die ersten Fernseher hatten sie in den 70ern, und da kosteten sie noch mehrere Monatsgehälter.

Ein Vergleich mit anderen Ländern macht insofern Sinn, dass man sich bewusst machen kann, wie es in Deutschland erst vor wenigen Jahrzehnten ausgesehen hat und sich klar machen kann, dass solche Verhältnisse auch heute noch auf der Welt üblich sind.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Trotz allem Gejammer sind wir in Deutschland nicht nur verglichen mit dem Sudan "gut dran", sondern völlig unzweifelhaft, wissenschaftlich belegbar, und allein schon an der Leibesfülle unserer Bürger und der Zahl und Protzigkeit unserer Automobile erkennbar, eins der wohlhabendsten Länder der Welt. Das ist keine Meinung, sondern eine Tatsache.

Je nach dem, wer und wie dies berechnet, dümpeln wir im Ranking der reichsten Nationen jedenfalls nicht im mittleren Drittel herum, sondern aalen uns lässig in den Top Twenty. Dann kann man natürlich einerseits gelb vor Neid auf die 19 noch reicheren Länder schielen oder sich scheckig freuen, nicht in einem der 200 ärmeren Länder geboren worden zu sein.

Das hören die besorgten Bürger natürlich nicht gerne, die auch 70 Jahre nach dem Krieg und 25 Jahre nach dem Ende der Ostzone immer noch kühn behaupten "Wir hamm ja selba nüscht!", wie es so oft ertönt. Ich finde auch, dass ein Vergleich mit anderen Ländern mitnichten verwerflich oder moralisch falsch ist. Natürlich nützt es den Leuten im ländlichen Nigeria erst mal nichts, wenn wir unseren fetten Wohlstand mit ihrem Elend vergleichen, aber zumindest ein paar anständige Menschen finden sich dann doch immer wieder, die sich für Hilfs- und Spendenaktionen stark machen. Ich kann mir vorstellen, dass dies oft tatsächlich aus dem direkten Vergleich der eigenen Lebenssituation mit der in "hier praktisch jedes andere Land außer Schweden einfügen" gilt.

Auch ein Vergleich mit den wenigen Nationen, die es allem Anschein nach noch besser getroffen haben, noch wohlhabender sind, weniger soziale Ungleichheit haben und so weiter, erscheint mir sinnvoll, da man ja von dem Vorbild anderer durchaus lernen kann und es immer interessant ist zu wissen, was beispielsweise in Kanada oder wo auch immer es angeblich gerade gut läuft, wirklich gut läuft, was man übernehmen könnte, und wo auch mal wieder nicht alles Gold ist, was glänzt.

Ein plumpes und unreflektiertes "In Afrika hungern die Kinder!" empfinde ich somit auch nicht als sinnvollen Ansatz für einen wirtschaftlichen Vergleich Deutschlands mit anderen Ländern. Aber ich halte es dennoch für interessant und sinnvoll, über den eigenen Tellerrand hinaus zu blicken, und einerseits die Vorzüge von sauberem Trinkwasser und medizinischer Versorgung zu schätzen, aber andererseits auch die Probleme nicht aus dem Auge zu verlieren, die es auch in reichen Nationen gibt, und zu vergleichen, wie andere reiche Nationen damit umgehen.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



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