Hochzeit nur damit man Eigenkapital hat?
Ich war gestern Nachmittag noch auf einer sehr großen Hochzeit von einer Bekannten von mir. Dort waren 800 Gäste geladen und entsprechend groß wurde das ganze gefeiert. Da es sich um eine türkische Hochzeit handelt und dort die Geldgeschenke auch öffentlich in die Kiste gelegt werden, lässt man sich dort nicht Lumpen. Im Vorfeld habe ich mich informiert, was denn eine übliche Summe pro Kopf ist die man in diese Kiste packt und bekam von mehreren anderen Bekannten die Summe von 50 Euro pro Gast genannt, damit es nicht "blöd" aussieht.
Das ganze lief dann so ab, dass sich alle Gäste in einer Reihe aufgestellt haben, ein Kommentator den Namen verkündet hat und die Menge an Geld die in die Kiste gepackt worden ist für das Brautpaar. Ein verschlossener Umschlag oder ähnliches gab es dort nicht, auch Sachgeschenke wurden nebenbei überreicht aber in erster Linie stand das finanzielle.
Vor einigen Wochen bei der Vorbereitung war ich auch schon einmal mit dabei, als es um die Kosten für die gesamte Feier ging mit allem was dazu gehört. Dabei ist die Summe von 35.000 Euro gefallen. Rechne ich nun 800 Gäste und jeder hat mindestens 50 Euro in die Kiste gepackt, dann komme ich auf eine Endsumme von 40.000 Euro und damit ein Gewinn von 5.000 Euro. Da aber manche auch höhere Summen in die Kiste gepackt haben, gehe ich auch von deutlich mehr aus als einfach nur das was auf der Rechnung steht.
Die Hochzeit war nun schon etwas länger geplant und ist nicht erst aus heiterem Himmel entstanden. Jedoch weiß ich auch, dass die Überlegung des Brautpaares dabei in erster Linie war, daraus das Eigenkapital zu bauen welches sie für den Erwerb einer eigenen Immobilie nutzen wollten. Denn sie haben vorher schon über 10 Jahre zusammen gewohnt und haben bereits eine eigene Familie mit Kindern. Sprich sie haben sich vorher schon Gedanken gemacht vom Verhältnis der Kosten zu den zu erwartenden Einnahmen. War das bei euch auch so, dass am Ende ein satter Gewinn unter dem Strich geblieben ist? Ist das für euch auch eine denkbare Lösung um an Eigenkapital zu gelangen für den Erwerb einer Immobilie?
Mir kam es jedenfalls insgesamt so vor, dass dort die Hochzeit nur abgehalten worden ist damit die finanziellen Mittel hinterher auch passen. Weder die Familie hat auf eine Hochzeit gedrängt noch kenne ich beide als die großen Ehefans, als das ihnen das wichtig wäre. Der Antrag lief auch nach meinem Geschmack, einfach am Küchentisch besprochen ab, und nicht mit einem anderen großartigen Rahmen.
Dennoch wurde sich an die kulturellen Traditionen aus dem Haus gehalten mit den verschiedenen Zeremonien. In den letzten Jahren hat sich einfach nur kristallisiert, dass sie gerne ein eigenes Häuschen hätten und nicht mehr in der Stadtwohnung weiter wohnen wollen mit den Kindern. Für mich wäre das jedenfalls keine Lösung, wobei ich die Rechnung doch sehr interessant finde und vieles immer so hinstellen, als wenn man mit einer Hochzeit immer nur einen finanziellen Verlust einfährt.
Eine türkische Hochzeit ist immer mit ziemlich viel Geld verbunden, denn das Paar soll mit diesem Geld seine Zukunft gestalten. Anders als bei uns ist der finanzielle Aspekt dort immer extrem wichtig. Aber man kann nicht einfach ein Plus rechnen, denn man muss auch bedenken, was man über die Jahre für andere Hochzeiten ausgibt.
Dank moderner Technik wird per Kamera genau festgehalten, wer welchen Betrag gegeben hat und ob das zu der Summe passt, die man selbst investiert hat. Man würde sich also ziemlich blamieren, wenn man nur 50 Euro gibt, obwohl bei der Hochzeit der eigenen Cousine von der Familie der Braut meinetwegen 200 Euro gegeben worden sind.
Wobei das mit dem Geld bereits viel früher beginnt. Wenn der Bräutigam seine Braut holt, kommt er erst zum Haus, wenn er den Wegezoll bezahlt. Da sind die ersten 100 Euro weg, bei gut betuchten Familien ist es mehr. Dann muss der Bräutigam sich seinen Weg zur Braut an den männlichen Familienmitgliedern vorbei freikaufen. Da können schon ziemliche Summen zusammen kommen, bevor überhaupt die Tür aufgeht und dann hält jeder Mann dahinter immer noch einmal oder mehrfach die Hand auf.
Da können schon enorme Summen den Besitzer wechseln, Hier in meiner Nachbarschaft erkennt man gut, wie es um die Finanzen des Bräutigams bestellt ist, Denn hier verzichtet niemand auf die Musiker. Ist nicht so viel Geld da, ist der Spaß nach 20 oder 30 Minuten vorbei, geht es um mehr, dann dauert es auch über eine Stunde,
Bei der Geschenkübergabe bei der Hochzeitsfeier kommt dann auch einiges zusammen, Wobei man das getrennt betrachten muss. Das Gold dient zur Absicherung der Ehefrau, falls dem Ehemann etwas passiert. Das Geld ist für beide gedacht, damit sie sich und ihren Kindern etwas aufbauen können. Dazu kommt noch die Morgengabe des Bräutigams an seine Braut. Das kann ebenfalls beträchtlich sein, wenn der Mann vermögend genug ist.
Das ist sehr verschieden von unserer Art zu heiraten. Und warum sollte man das nicht mitnehmen, wenn man sowieso fest zusammen lebt und zusammen bleiben möchte? Man verzichtet sonst tatsächlich auf viel und holt auch das nicht wieder herein, was man selbst ausgegeben hat. Selbst ich als deutscher Gast würde mich schämen, weniger als 50 Euro zu geben.
Mir erschließt sich nicht, warum das unbedingt nur bei türkischen Hochzeiten der Fall sein soll. Ich bin der Ansicht, dass man bei jeder Hochzeit - vorausgesetzt sie wurde geschickt geplant und umgesetzt - ein gewisses Eigenkapital dabei herausspringt.
Schon mein Vater predigt immer, dass man bei einer gut geplanten Hochzeit immer bei Null rauskommen würde, sprich keine Verluste, aber auch keine Gewinne machen würde. Mein Bruder war sogar so geschickt und hat seine Hochzeit so geschickt geplant und umgesetzt, dass er hinterher einen Gewinn von 16.000€ hatte. Also wenn ich mal heiraten sollte, werde ich mir definitiv von ihm ein paar Tipps holen.
Bei türkischen Hochzeiten ist das eben so, aber das liegt ja auch am kulturellen Hintergrund. Das Geld soll ja der Absicherung der Familie dienen und im ursprünglichen Sinne sollte die Frau ja auch abgesichert sein, wenn mal etwas ist und sie zu Hause bei den Kindern geblieben ist und keinen Verdienst hat.
Bei unserer Hochzeit sind wir definitiv nicht mit Plus aus der Sache gegangen. Wir haben viel in die Hochzeit investiert und wollten auch gar nicht, dass wir das mit dem geschenkten Geld bezahlen. Wir haben davon dann eine Reise gemacht und hatten noch ein bisschen etwas übrig für dort zum Shoppen. Schlimm finde ich das nicht, weil wir eine absolut schöne Feier hatten und es nur darauf ankam bei uns. Es ist eben schon ein kultureller Unterschied zwischen türkischen und deutschen Hochzeiten, was ich nicht negativ meine, aber die ganzen Bräuche sind ja unterschiedlich.
Ich kenne türkische Hochzeiten sonst nicht, aber ich finde das ganz furchtbar, dass es hier so wirkt, als wären die Gäste nur da, um Geld zu geben. Was ist denn das eine Hochzeit? Alle sollen sich anstellen und ihr Geld abliefern? Geht das noch unpersönlicher und geldgeiler? Da können sie sich auch gleich das Fest sparen und nur ihre Kontonummer verschicken.
Als Gast hätte ich da den Eindruck, dass ich nur zum Zahlen anwesend bin. Da würde ich nichts geben, wenn man so ausgenommen werden soll. Bzw. wenn ich das vorher wüsste, dass das ganze Fest nur eine Geldeinsammelaktion ist, dann würde ich da gar nicht erst hingehen.
So schrecklich ist das gar nicht. Die Feierlichkeiten sind lang und durchaus ausgelassen, die Geschenke machen nur einen kleinen Teil der Zeremonien aus. Außerdem wird man nicht ausgenommen, weil man normalerweise dazu gehört und selbst ja auch entsprechend bedacht wird, genauso wie die ganze andere Verwandtschaft. Denn es ist viel leichter, wenn viele etwas geben, als das alles selbst anzusparen. Genauso wie es leichter ist, immer einmal wenig zu geben, als eine große Summe auf einen Schlag aufzubringen.
Das Geld dient traditionell zum Start ins gemeinsame Leben, zur Absicherung für schlechte Zeiten und als Sicherheit für Frau und Kinder. Das ist doch nichts schlechtes. Selbst wenn man unsere vermeintliche staatliche Absicherung nimmt, so toll steht man mit mehreren kleinen Kindern nicht da, wenn dem anderen etwas passiert. Diese Art der Vorsorge ist gar nicht blöd.
Zitronengras hat geschrieben:Ich kenne türkische Hochzeiten sonst nicht, aber ich finde das ganz furchtbar, dass es hier so wirkt, als wären die Gäste nur da, um Geld zu geben. Was ist denn das eine Hochzeit? Alle sollen sich anstellen und ihr Geld abliefern? Geht das noch unpersönlicher und geldgeiler? Da können sie sich auch gleich das Fest sparen und nur ihre Kontonummer verschicken.
Das war auch nur ein Teil der Beschreibung, die Feier ging über die komplette Woche hindurch immer wieder mit verschiedenen Zeremonien, Abenden usw. Das aber alles zu beschreiben hat doch mit der eigentliche Frage wenig zu tun und daher habe ich es mir gespart.
Auf dich mag das so wirken als wenn man nur hinkommt um sich anzustellen und das Geschenk zu überreichen oder in die Kiste zu legen. Aber bei jeder anderen Hochzeit ist es doch ebenfalls unpersönlich? Oftmals wird nur ein Tisch aufgestellt für die Geschenke die dort einfach abgestellt werden.
Eine persönliche Übergabe an das Brautpaar am Hochzeitstag selbst ist doch eher die Ausnahme aber nicht die Regel. So wird das Geschenk oder der Umschlag heimlich dort abgelegt oder man hat es bereits ein paar Tage vorher persönlich überreicht. Aber am eigentlichen Tag der Trauung habe ich das selten bis gar nicht erlebt, dort hatte das Brautpaar dann meistens doch besseres zu tun als sich damit aufzuhalten.
Da finde ich das anstellen, verkünden und sonstiges doch wesentlich persönlicher. Auch musst du dir einmal vorstellen, dass mit 800 Gästen eine persönliche Übergabe richtig viel Zeit drauf gehen würde bis jeder seine Rede an das Paar abgegeben hat, jeden gedrückt und geherzelt, dass es so auch schneller geht. Gehört dort halt einfach mit dazu wie hier dumme Brautpaarspielchen mit zum Brauch gehören.
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