Misstrauen als Zeichen für Schwäche interpretieren?
Ich habe mal ein Zitat von Gandhi gelesen, in dem es hieß, dass Misstrauen ein Zeichen von Schwäche sei. Ich frage mich aber, in welchem Kontext Misstrauen denn Schwäche sein soll, denn je nach Kontext kann das auch ein Zeichen von Stärke sein.
Zum Beispiel wäre ich eher misstrauisch, wenn mich ein Produkt bei Ebay interessiert, der Händler aber eher negative Bewertungen hat und vielleicht sogar Kritik geäußert wird, dass Sendungen nicht angekommen sind und der Händler unzuverlässig sind. Gerade hier ist Misstrauen und Vorsicht ja schon berechtigt finde ich, daher würde ich sagen, dass das hier ein Vorteil ist.
Findet ihr, dass Misstrauen ein Zeichen von Schwäche ist? In welchen Situationen wäre das der Fall und wo absolut gar nicht? Schließlich ist ab und an auch die Rede von einem "gesunden Misstrauen". Würde das bedeuten, dass jeder bis zu einem gewissen Grad "schwach" ist, der ein wenig misstrauisch ist?
Ich würde es spontan auch eher als Stärke ansehen. Natürlich immer angenommen, wir reden hier von ganz normalem Misstrauen und keiner beginnenden Paranoia. Aber grundsätzlich ist es doch gut, wenn man zwei Mal hinschaut, das Kleingedruckte liest, noch mal nachfragt und sich nicht sofort voll reinstürzt.
Vielleicht meinte es Gandhi dahingegend, dass man mit Misstrauen jede neue Beziehung zu anderen Menschen vergiften kann. Generell denke ich, dass er eher vom Zwischenmenschlichen geredet hat und nicht von Geschäftsbeziehungen, Kaufaktionen oder dergleichen.
Wenn man jemandem begegnet, den man noch nicht kennt, sollte man demjenigen gegenüber erst mal offen sein. Solange es keine offensichtlichen Zeichen von Bösartigkeit gibt - beispielsweise ein blutiges Messer in der Hand. Aber auf keinen Fall sollte man sich von Äußerlichkeiten zu Misstrauen hinreißen lassen. Kleidung, Haare, Narben, Hautfarbe etc. machen den Menschen nicht aus.
Naja, der Mann hat sich ja nicht den ganzen Tag Zitate ausgedacht. Diese Aussage ist vielleicht etwas aus dem Kontext gerissen. Man kann einen Satz einer langen Rede halt nicht immer einfach allein stehen lassen.
Ich glaube auch, dass Gandhi nicht durch die Bank in zitierwürdigen Aphorismen gesprochen hat und der Zusammenhang für die Aussage, Misstrauen sei ein Zeichen von Schwäche, wohl verloren gegangen ist. Mit derlei Pauschalaussagen ist es sowieso immer schwierig.
Wie definiert man beispielsweise Misstrauen? Und wie Schwäche? Ist es beispielsweise Misstrauen, wenn man ein Restaurant mit schlechten Bewertungen meidet oder eher Vorsicht oder doch nur die Stimme des gesunden Menschenverstands? Oder wäre es eher ein Zeichen von Misstrauen, wenn man den 50 Bewertungen im Internet prinzipiell nicht glaubt, egal ob sie gut oder schlecht sind?
Ebenso finde ich den Begriff Schwäche hier sehr schwammig. Geht es um Charakterschwäche oder um Unterlegenheit in Konflikten oder um Verletzlichkeit? Wie kann man Charakterschwäche überhaupt definieren? Ist man schwach, wenn man sich von seinen Gefühlen leiten lässt, oder nicht vielmehr stark, weil man Vertrauen zu seinem eigenen Urteilsvermögen hat? Fragen über Fragen.
Ohne den Zusammenhang zu kennen, könnte ich mir vorstellen, dass Misstrauen ein Zeichen von Schwäche ist, wenn dadurch der rationale Blick auf eine Situation verstellt wird. Das hat erst einmal gar nichts mit Bewertungen bei Ebay zu tun. Wer aus Prinzip niemandem traut, überall Verrat wittert und von allen Leuten und Situationen nur das Schlimmste annimmt, verbraucht meiner Meinung nach viel zu viel Energie dafür, niemanden an sich heran zu lassen und seine menschlichen, vielleicht sogar verletzlichen Seiten zu zeigen.
Und diese Energie fehlt dann in anderen Bereichen des Lebens und kann zu einem kümmerlichen, verbitterten Dasein führen, in dem man immer ängstlich auf Sicherheit bedacht ist und dennoch nie zufrieden. Solche Leute gibt es, und ich kann rein gefühlsmäßig nicht behaupten, dass ich diese Zeitgenossen für starke und gefestigte Persönlichkeiten halte. Ein in meinen Augen starker Mensch zeichnet sich auch dadurch aus, dass er im Umgang mit sich und anderen auch emotionale Risiken eingeht und ein gewisses Vertrauen in sich und seine Umwelt zeigt, welches grundlos misstrauischen Menschen völlig abgeht.
Gerbera hat einen schönen Text dazu verfasst und ähnlich sehe ich es auch. Zumal man davon ausgehen muss, das Gandhi ein solches ebay Beispiel sicherlich fremd ist. So kann er es also schon mal nicht gemeint haben.
Und ich denke auch dass es darauf ankommt, ob man Misstrauen negativ sieht. Erst einmal klingt es auf jeden Fall nach einer negativen Charaktereigenschaft. Und wenn man bedenkt, dass man meistens von sich auf andere schließt, dann ist Misstrauen gleich noch einmal negativer. Grundsätzlich sollte man davon ausgehen, dass man nicht über das Ohr gehauen wird - weil man selber auch ein ehrlicher und aufrichtiger Mensch ist.
Leider ist es wirklich so, dass solche Menschen oft als naiv und blauäugig abgestempelt werden. Umso schöner ist es, wenn auch die mal Glück haben und ein scheinbar viel zu günstiges Angebot einfach wirklich so den Tatsachen entspricht.
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