Mitleid und Mitgefühl zwei unterschiedliche Sachen?

vom 01.04.2015, 11:34 Uhr

Eine Kommilitonin von mir hat vor drei Semestern eine Prüfung nicht bestanden und musste diese dann nachschreiben. Im Grunde ist das normal und passiert fast jedem Studenten schon mal. Im nächsten Semester aber war sie krank, sie meinte auch selbst, sie habe kaum gelernt. Letztes Semester dann sollte sie die Prüfung schreiben und sie fiel durch. Anschließend reichte sie dann noch ein Attest ein, mit der Hoffnung dass sie doch noch einmal schrieben dürfte.

Leider funktioniert das aber nicht und nun ist das Studium für sie gelaufen. Sie war darüber sehr traurig und wurde teilweise auch sehr aggressiv, als man sie darauf angesprochen hat. Häufiger hat sie sich Dinge anhören müssen wie ''vielleicht ist das Studium nichts für dich'' und das hat sie sehr wütend gemacht, da sie überlegt nun in einen anderen Studiengang zu wechseln.

Ich habe mich dann auch mit einer weiteren Kommilitonin mit ihr getroffen und versucht sie etwas zu trösten, aber sie schien sehr sauer auf sich und die Welt zu sein. Sie meinte dann auch, dass sie keine Lust hätte von anderen Mitleid zu bekommen, dass würde sie erniedrigend finden. Mitgefühl hingegen sei in Ordnung.

Mich hat das ein wenig verwirrt, denn bisher hatte ich angenommen, dass es sich um das gleiche handelte. Sie selbst schien es aber so zu sehen, dass jemand Mitleid hat, der die Situation nicht nachvollziehen kann und selbst noch nie in einer vergleichbaren Lage war. Jemand der sich aber in sie hineinversetzen kann oder selbst schon mal eine Klausur nachschreiben musste der hätte aber eher ''Mitgefühl''.

Seht ihr auch einen Unterschied in den beiden Begriffen, ist das für euch nicht das gleiche? Wie würdet ihr die einzelnen Begriffe definieren, wo liegt bei euch der Unterschied? Bekommt ihr in solchen Situationen auch lieber Mitgefühl anstatt von Mitleid?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Für mich sind das auch nicht zwei verschiedene Sachen. "Mitleid" spricht nur genauer vom Gefühl des "Leidens". Bei "Mitgefühl" ist das Gefühl, dass man mitfühlt, nicht so genau definiert. Im Grunde kann man Leid, Trauer, Wut, aber auch schöne Gefühle wie Freude und Erleichterung mitfühlen, nur, dass es in dem positiven Kontext niemand benutzt.

Aber das Wort "Mitleid" wird auf jeden Fall häufiger verwendet, wenn es nicht gewollt wird oder wenn es falsch übermittelt wurde. Also irgendwie ist "Mitleid" das Schimpfwort unter den zwei Begriffen geworden. Aber das hat mit ihren Definitionen meines Erachtens nach nichts zu tun, sondern geschah zufällig.

Aber es gibt auch jeden Fall unterschiedliche Art und Weisen sein Mitgefühl auszudrücken und nicht immer ist es echt oder nicht jeder ist geschickt darin. Oftmals wissen die Leute ja einfach nicht, was sie sagen sollen oder können gar nicht helfen und fühlen sich unsicher. Diese würde ich auch voneinander unterscheiden, aber das eine "Mitleid" und das andere "Mitgefühl" zu nennen, würde mir nicht einfallen.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Also ich würde jetzt auch sagen, dass das zwei verschiedene Sachen sind, aber ich wüsste auch nicht genau, wie ich sie definieren soll. Ich weiß aber, dass es mich ebenfalls total in Rage bringt, wenn ich Mitleid abbekomme. Ich komme mir dann immer total erniedrigt vor, als würden die Menschen eher auf mich herab sehen, als wirklich "mit zu leiden".

Ich würde sagen, dass der Unterschied wirklich einfach nur darin liegt, was man gesagt bekommt und wie sich die Person einen gegenüber verhält und ob man zum Beispiel auch in den Arm genommen wird und solche Dinge. Es hängt quasi davon ab, wie die Person sein Mitgefühl bei der leidenden Person verkaufen kann. Da hat natürlich jeder ein anderes Empfinden, weshalb das nicht wirklich so einfach ist, da einen Unterschied zu finden.

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» Divia » Beiträge: 745 » Talkpoints: 55,66 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Also ich denke Mitleid ist eher, dass der Betroffene merkt, dass es der andere sagt, nur um einen zu trösten, weil er einem halt Leid tut. Und Mitgefühl ist, wenn ich mich wirklich in die Lage hinein versetze, die der andere hat und dann auf die Gefühlswelt eingehe. Also dass ich beispielsweise sagt: Ich weiß wie du dich fühlst und hoffe, dass es dir bald wieder besser geht.

Es ist schon unterschiedlich, aber so richtig genau erklären kann ich es mir auch nicht. Jedenfalls würde ich wahrscheinlich gar nichts zu meiner Kommilitonin sagen, wenn sie schon so gereizt ist. Bevor ich das falsche sage, ist gar nichts zu sagen sicher vorteilhafter. Bei manchen Menschen hilft es einfach, nichts zu sagen.

» nordseekrabbe » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich finde durchaus, dass es einen Unterschied zwischen Mitleid und Mitgefühl gibt. Die Begriffe sind natürlich schwammig und können nach Belieben interpretiert werden, ohne dass man eine eindeutige Zuordnung treffen kann.

Aber für mein Empfinden hat der Begriff "Mitleid" immer einen Beigeschmack von Überlegenheit, um nicht zu sagen, Verachtung. Deswegen verwehren sich ja auch beispielsweise viele Menschen mit Behinderungen dagegen, dass sie als "bemitleidenswert" angesehen werden. Für mich hat Mitleid rein gefühlsmäßig etwas mit herablassendem Kopftätscheln und "Na na, wird schon wieder werden" zu tun, während man sich heimlich vielleicht etwas ganz anderes dabei denkt.

Mitgefühl bedeutet in meinen Augen im Gegensatz, dass man sich wirklich in die Lage seines Gegenübers versetzt und versucht, sein Verhalten entsprechend anzupassen. Wenn beispielsweise jemand fürchterlichen Liebeskummer hat, würde ich zum Beispiel nicht sofort mit dem Verkuppeln anfangen oder ständig von meinem Freund erzählen. Schließlich kann ich mir zumindest ansatzweise vorstellen, wie es dem oder der Betroffenen emotional gerade geht und versuchen, ihm durch mein Verhalten das zu geben, was er gerade braucht.

Mir fällt auch gerade keine Situation ein, in der es dem Betroffenen wirklich nützt oder hilft, wenn man ihm mit Mitleid begegnet, während Mitgefühl die Sache in der Regel zumindest nicht noch schlimmer macht. Daher sind Mitleid und Mitgefühl für mich zwei völlig verschiedene Paar Stiefel, und ich bemühe mich im Alltag eher um aufrichtiges, im Idealfall tatkräftiges Mitgefühl und weniger um passives Mitleid im Sinne von "Dumm gelaufen!".

» Gerbera » Beiträge: 11317 » Talkpoints: 49,13 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Mitleid drückt ja im Prinzip aus, dass man annimmt, dass der andere unter der Situation leidet während Mitgefühl nur bedeutet, dass man das gleiche fühlt, wie die Person. Das schließt nun aber nicht unbedingt das Leiden mit ein. Wenn die andere Person beispielsweise nur traurig ist, aber nicht leidet, dann bedeutet es, dass man deshalb auch etwas traurig ist.

Von Mitleid kann man vielleicht eher dann sprechen, wenn man weiß, dass der andere leidet, während man dann quasi mitleidet. Das ist dann der Fall, wenn jemand gestorben ist. Mitgefühl kann man auch zeigen, wenn jemand nur traurig ist. Allerdings geht ja eines ins andere über und ich würde da ehrlich gesagt auch gar nicht unterscheiden. Immerhin kann man Mitgefühl ja trotzdem nicht dann verwenden, wenn jemand glücklich ist und man sich mit ihm mitfreut. Das Wort verwendet man ja wie Mitleid auch nur bei negativen Sachen.

Ich denke aber, dass viele das Wort Mitleid deshalb nicht gerne hören, weil sie sich deshalb einfach bemitleidet und vielleicht erniedrigt fühlen. Mitgefühl würde ich schon etwas neutraler werten, wobei das aber wirklich schwer zu definieren ist, wenn es da überhaupt eine Unterscheidung gibt.

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge


Ich sehe es ebenfalls so, dass es zwei unterschiedliche Ausdrücke sind und durchaus auch unterschiedlich angewendet werden. Und das nicht nur im sprachlichen Gebrauch sondern auch in der allgemeinen Ausdrucksweise.

Mitgefühl ist für mich doch eher eine Sache von dem, dass man sich in die Sache besser hinein versetzen kann und entsprechend auch das gleiche nachempfinden kann, was die Person selbst darüber denkt oder wie es ihr mit der Situation geht. Quasi als wenn man in diese Person hinein schlüpft und zu ihr selbst wird.

Mitleid ist für mich dann eher, wenn man das ganze als Außenstehender betrachtet und sich nicht wirklich in das ganze versetzen kann. Mitleid wird auch dann ausgesprochen, wenn man nicht wirklich verstehen kann warum jemand entsprechend so darauf reagiert und ich empfinde es doch oftmals eher als "leere Worte" und damit ist das dann in vielen Köpfen auch eher negativ besetzt als wenn man von Mitgefühl spricht.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



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