Könnt ihr eigenes Fehlverhalten immer auch einsehen?

Wenn man sich in einer Situation falsch verhalten hat, dann ist es auch wichtig, das selbst einsehen und erkennen zu können. Immerhin kann man nur so Konsequenzen für sich daraus ziehen und beim nächsten Mal etwas anders machen und anders handeln.

Es gibt ja aber auch Personen, die von vielen anderen darauf hingewiesen werden, dass sie sich falsch verhalten haben, wobei sie das aber nicht einsehen wollen. Einige Personen sehen es nicht einmal ein, sich falsch verhalten zu haben, wenn sie Regeln und Gesetzte gebrochen haben.

Regeln sind aber auch immer subjektiv. Wenn du beispielsweise bei Rot über die Ampel läufst, aber weit und breit ist niemand, auch kein Auto, ist das dann falsch? Offiziell wäre es nicht legal, aber hat dann jemand einen Schaden davon? Muss man sich immer an alle Regeln halten, auch wenn niemand davon einen Nachteil hat, wenn man es nicht tut? Ich finde, es gibt Momente, da sind regeln relativ.

Oder ist es beispielsweise immer falsch zu lügen? Gibt es nicht manchmal Momente, wo eine Lüge besser als die Wahrheit ist, weil die Wahrheit vielleicht sehr gemein wäre oder schlechte Konsequenzen hätte? Und ist es nicht normal, ab und an zu flunkern? Und wenn es normal ist, ist es dann schlecht?

Wenn man meint, jemand hat sich falsch verhalten, dann geht man meistens von den eigenen Wertvorstellungen aus. Man selbst hätte es anders gemacht. Aber andere Menschen können andere Wertvorstellungen haben, andere Ziele und Prioritäten. Person A kann ein Verhalten richtig finden und Person B kann es falsch finden. Und wäre es dann ok, wenn man auf Einsicht besteht, nur weil die eigenen Werte nicht erfüllt wurden?

Ich finde ebenfalls, dass "Fehlverhalten" ein höchst subjektiver Begriff ist und dass es genug Beispiele und Situationen gibt, in denen gefühlt "alle anderen" sagen, dass man selber etwas falsch gemacht hat, während man selber mit seinen Werten und Idealen im Einklang steht und sich selbst als im Recht sieht. Dann gibt es auch nichts einzusehen und keinen Grund, sein Verhalten zu korrigieren.

Natürlich muss schon ziemlich viel schief gelaufen sein, wenn beispielsweise ein Mensch es nicht als Fehlverhalten ansieht, einen Mitmenschen auszurauben, zu vergewaltigen oder etwas ähnlich Fürchterliches, aber bestraft wird man ja auch, wenn man weder Einsicht noch Reue zeigt oder versteht. Aber wenn man es ganz genau nimmt, handelt es sich ja auch schon um "Fehlverhalten", wenn man bei Rot über die Ampel geht oder während der Mittagsruhe einen Nagel in die Wand schlägt.

Um ein ganz banales Beispiel zu verwenden: Ich benutze hin und wieder saftige Schimpfwörter, wenn mir ein Missgeschick unterläuft. In meinen Augen ist dies jedoch nicht schlimm, schadet niemandem und auch wenn es Attraktiveres gibt, so bin ich doch erwachsen und darf das F-Wort oder das S-Wort verwenden, ohne dass mich jemand wie ein Schulmädchen schilt.

Wenn mich jemand darauf hinweisen würde, dass es sich nicht gehört, diese Wörter zu verwenden, würde ich wahrscheinlich in Zukunft auch nicht "Hoppsala" oder "Verflixt" sagen, solange ich dafür keine Kündigung oder ähnliches riskiere. Deswegen würde ich von mir behaupten, dass ich nicht nur mein eigenes "Fehlverhalten" beileibe nicht immer einsehe, sondern im Gegenteil eher skeptisch werde, wenn sich jemand allzu krampfhaft bemüht, im sozialen Bereich nur ja jedem alles recht zu machen. Das funktioniert sowieso nicht, und man selber wird ganz neurotisch davon.

Man kann sich ja nicht immer so verhalten, wie einen andere Personen gerne hätten, weil man vielleicht auch ganz andere Wertvorstellungen hat oder eine Situation anders einschätzt als die Person, die das stört. Deswegen kann ich mein vermeintliches Fehlverhalten auch nicht immer einsehen, weil ich mich dann teilweise auch im Recht fühle.

Ich denke die gängigsten Wertvorstellungen habe ich schon vermittelt bekommen. Daher sehe ich es auch als falsch an, wenn man eben stiehlt, jemanden betrügt oder jemanden umbringt selbst wenn es nur ein Versehen war durch einen Unfall beispielsweise. Ein derartiges Verhalten würde ich daher immer als falsch ansehen, selbst wenn es mein Verhalten wäre.

Aber es gibt auch Sachen, die sich eher in einer Grauzone befinden. So finde ich persönlich es zum Beispiel verwerflich, wenn man etwas verspricht und gar nicht vor hat, dieses Versprechen zu halten. Ich habe schon einen Bekannten dabei erwischt, wie er seiner Schwägerin Sachen versprochen hat, die er gar nicht halten wollte, die aber nur dazu dienten, sie zu beruhigen. Das fand ich dann schon ziemlich dreist, da sie sich auf sein Versprechen verlassen hat und er aber nie vor hatte, es umzusetzen. Für ihn war das nur eine Floskel und für sie aber lebensnotwendig, da es um die Versorgung der Kinder ging, wenn die Schwägerin mit ihrem Ehemann bei einem Unfall ums Leben kommen sollten.

Ich finde gerade in so einem Fall verspricht man nicht, im Todesfall die Kinder aufzunehmen und sie zu versorgen und sich um sie zu kümmern, wenn man die Kinder direkt beim Jugendamt abgeben will und auch wird, wenn der Fall eintritt. Ich habe meinem Bekannten dann auch direkt gesagt, was ich davon halte, wobei er aber der Ansicht war, alles richtig gemacht zu haben. Denn er hätte einer Mutter die Angst vor der Zukunft ihrer Kinder genommen, wenn den Eltern doch etwas passiert. Ich sehe das aber anders, denn Versprechen muss man halten.

Aber so ist das nun mal. Jeder hat andere Wertvorstellungen, auch wenn einige Aspekte (wie Mord, Diebstahl etc.) durchaus eine gemeinsame Schnittmenge aufweisen. Alles kann und wird aber nicht gleich sein. Ist halt die Frage, wie man damit umgeht.

Ich denke es kommt dabei auf die Art des Fehlverhaltens drauf an und auch die Wertvorstellungen die man selbst hat und die Gesellschaft an einen richtet. Mit dem Beispiel der roten Ampel fängt es an, sicherlich entsteht kein direkter Schaden wenn man bei keinem Verkehr eine rote Ampel zu Fuß passiert auch wenn es nicht zulässig ist.

Aber du kannst nie sicher sein, dass jemand anderes dieses Verhalten nicht doch beobachtet hat und es beim nächsten mal ebenfalls so macht. Dort kann es dann wieder zu einem Schaden kommen. Kinder sind für so etwas sehr empfänglich wenn sie es sehen in einem Gewissen Alter, aber dich selbst betrifft es nicht direkt, das Problem haben dann die anderen damit. Deswegen finden dein Verhalten andere Leute dann auch nicht sonderlich gut, wenn du dich über die gängigen Regeln hinwegsetzt.

Auch andere Beispiele lassen sich auf diese Weise ausführen. Ich kann jeden verstehen der die persönliche Rache fordert und auch den Mörder seines eigenen Kindes den Hals umdrehen möchte. Aber deswegen kann und darf es trotzdem nicht toleriert werden wenn jemand das in die Tat umsetzt, obwohl ich aus rein menschlicher Sicht dann aufstehen und applaudieren würde.

Einfach weil es wieder andere abschauen würden und sich darauf dann beziehen, wenn derjenige dafür Straffrei ausgehen würde. Dann hätten wir auch keine richtige Gesellschaft mehr, wenn jeder das machen könnte was er wollte und niemand sich daran stoßen würde wenn ihm das Verhalten nicht gefallen würde oder es nicht den gängigen Regeln entspricht.

Recht machen kann man es ohnehin niemanden, selbst wenn man sich nur an bestehendes Recht hält. Denn steht man zu zweit an der Ampel und einer möchte entsprechend seiner Pflicht nachkommen und warten aber der zweite Laufen, weil kein Verkehr kommt, dann ist bereits wieder ein Konflikt da und man steht vor der Wahl was man nun macht. Begeht man den Verstoß und läuft, damit es der anderen Person recht ist oder wartet man und zieht dadurch den Unmut der anderen Person auf sich?