Ist ein Konditor als Berufswunsch unpraktisch?
Es gibt ja Berufe, die eigentlich eine Art Tradition darstellen. Der Konditor ist natürlich darunter zu finden und für viele Menschen ihr täglich Brot. Doch das Problem ist, dass immer mehr Großunternehmen in Maßen produzieren und vieles maschinell möglich ist, was die Arbeitskraft des Konditors wirklich eingrenzt.
Hinzu kommt, dass ein Konditor für eine handgemachte Torte natürlich teurer ist, als die Torte von Coppenrath & Wiese. Das ergibt ja auch Sinn, wenn Massenware gegen Handgemachtes konkurriert. Das bemängeln ja auch sehr viele Menschen.
Mein kleiner Neffe meinte zu meiner Halbschwester, dass er gerne Konditor werden möchte. Seine Begründung war, dass er immer leckere Köstlichkeiten zaubern kann, im Ausland vielleicht auch Chancen hat, deutsche Backwaren näher zu bringen, besondere Foodkreationen zaubern kann und mehr.
Doch meine Halbschwester war gar nicht begeistert. Sie meinte zu ihm, dass dieser Beruf ein aussterbender Beruf ist, eben wegen den oben genannten Gründen. Sie war der Meinung, dass der Beruf als solches auch unpraktisch, schlecht bezahlt und einfach nur doof ist.
Als ich ihr sagte, dass man einem 12-jährigen Jungen nicht solch einen Mist einreden soll, wenn er es sich wünscht und das in den Jahren, ehe es zum Arbeiten geht noch einiges passieren kann war sie sauer, dass ich sie nicht in ihrer Ansicht bestärkt habe.
Findet Ihr auch, dass der Beruf so unpraktisch ist und ich es dem Jungen sagen sollte? Hätte ich wirklich einen niedlichen Gedanken nach einem festen Job als Konditor mit 12 Jahren kaputt machen sollen? Wo ich doch guten Wissens weiß, dass sich der Wunsch vielleicht in den nächsten vier Jahren noch verändert? Was hättet ihr gemacht?
Ich denke, man sollte den Wunsch des Jungen nach einem "ordentlichen" Beruf eher stärken. Ich finde diesen Beruf auch gar nicht so unpraktisch. Als Konditor hat man etwa nicht diese unmenschlichen Arbeitszeiten, wie sie ein Bäcker hat. Zudem meine ich, dass der Beruf des Konditors eher im Umbruch ist, aber nicht ausstirbt.
Derzeit gibt es den Trend in Deutschland, weg von diesen Fertigprodukten zu gehen und wieder Qualität auf den Tisch zu bringen. Ich denke, dazu gehören auch ordentliche Backwaren und eben nicht nur die aus der Tiefkühltruhe des Supermarktes. Auch wenn die genannte Marke schon recht hochwertig ist, so kommt sie doch nicht an eine tolle frische Torte heran.
Dazu kommt, dass eben nicht alles als Fertigprodukt zu haben ist. Eine Hochzeitstorte wird kaum selbst gebacken und bei Coppenrath und Wiese gibt es sie glaube ich auch noch nicht. Ich denke, wenn es wirklich der Wunsch des Jungen ist, diesen Beruf zu ergreifen, sollte er sich schon in diesen jungen Jahren weiter informieren, was er alles mitbringen muss, um diesen Beruf zu ergreifen und in dem Beruf auch eine Chance zu haben.
Was ist bitteschön so "niedlich" daran, als junger Bursche einen Berufswunsch wie Konditor zu hegen? Etwa, weil Backen und dergleichen traditionell Frauenarbeiten sind? Bullshit, sage ich da nur. Beim Konditor handelt es sich um einen ganz normalen Handwerksberuf mit all seinen Vor- und Nachteilen, der ebenso allen Interessierten offen steht wie die Testosteron-Spielwiesen Mechatroniker oder Schreiner.
Natürlich sollte man vorher genaue Erkundigungen einholen und sich umfassend informieren, bevor man sich daran macht, einen Beruf zu erlernen, aber dies funktioniert viel besser über Praktika oder einfach nur ein Gespräch mit einem gelernten Konditor oder einer Konditorin, als über voreingenommene Trottel von Familienmitgliedern, die keine Ahnung haben, wovon sie reden.
Und was das Coppenrath/Wiese-Argument angeht, sage ich wiederum Bullshit. Seit Jahren macht sich sogar hier in der hinterletzten Provinz ein Trend bemerkbar, der ganz allgemein weg von massenproduzierten, minderwertigem Zeug hin zu der Wiederentdeckung von Qualität und handwerklicher Sorgfalt geht. Natürlich muss man es sich leisten können, und ich weiß auch, dass ich in einer sehr reichen Gegend lebe, aber selbst mein knausriger, konservativer Vater kauft lieber selbst gebackenen Kuchen, und unterstützt damit bewusst die örtliche Bäckerei, als dass er sich das grauenhafte TK-Zeug zu Gemüte führt.
Außerdem neigt die etwas betuchtere Kundschaft sowieso dazu, für Luxusprodukte, wie sie in einer Konditorei zu haben sind, gerne ein paar Euro mehr hinzulegen, gerade weil es sich bei handgefertigten Pralinen oder einer richtig tollen Geburtstagstorte um Dinge handelt, die man sich nicht jeden Tag gönnt. Wenn man talentiert ist und Spaß daran hat, nagt man als Konditor daher auch nicht zwangsläufig am Hungertuch.
Hier auf dem Dorfe hat beispielsweise eine gelernte Konditorin vor ein paar Jahren ihr eigenes Café eröffnet. Mittlerweile kommen die Kunden von weit her angereist, und es gibt sogar schon Filialen in anderen Orten. Da frage ich mich schon, wieso es niedlich ist, wenn man durch harte Arbeit und Geschäftssinn mit Sahnetorten zu Wohlstand gelangt.
Ich verstehe auch nicht, wieso man einem Kind mit 12 Jahren den Berufswunsch direkt madig machen muss. Bis es soweit ist, vergeht noch einiges an Zeit und in dieser Zeit kann es sich auch von alleine ändern. Ansonsten ist es immer hilfreich sich entsprechend darüber zu informieren wie es mit Arbeitsbedingungen, Gehalt usw. aussieht und auch mit einem Praktikum kann man feststellen, ob es dann immer noch spannend ist wie man es sich vorgestellt hat.
An sich ist es ein schöner Berufswunsch den ich auch eine ganze Weile gehegt habe. Ein Praktikum hat mich davon ebenfalls sehr überzeugt und auch die Arbeitszeiten haben mich nicht abgeschreckt. Einen Ausbildungsplatz hätte ich ebenfalls in dem Betrieb haben können, indem ich mein Praktikum absolviert habe. Abgeschreckt hat mich am Ende nur das niedrige Ausbildungsgehalt und anschließende Gehalt.
Zu meiner Zeit lag das Ausbildungsgehalt im ersten Lehrjahr unter 200 Euro und somit wäre die Fahrkarte zur Arbeitsstelle und Berufsschule schon teurer gewesen. Nach erfolgreicher Lehre verdient diese Berufsgruppe auch nicht die Welt und daher habe ich davon Abstand genommen. Diese Einsicht kam aber auch erst mit dem späteren Alter, mit 12 sieht man die Welt einfach noch komplett anders als mit 16 oder 18 Jahren.
Ich frage mich ja gerade ernsthaft, wie das ein aussterbender Beruf sein soll, denn egal ob die Konditorei die noch selber backt oder auch ein Unternehmen wie Coppenrath & Wiese benötigen Konditoren. Nur weil bei Coppenrath & Wiese vermeintlich "alles" durch Maschinen erledigt wird, sollte man sich doch mal ganz gewaltig an den Kopf fassen und sich fragen, wer denn die Torten und Kuchen kreiert, diese geschmacklich optimiert und auch die Zutaten eben für die entsprechende Produktion anpasst.
Oh Wunder, das ist ja auch ein Konditor. Denn auch bei einem so großen Produktionsbetrieb heißt es nicht einfach nur, alles wird über den Computer und die Maschinen gemacht. Zumal auch diese Betriebe immer wieder mit Neuerungen auf den Markt kommen müssen, denn sonst bleiben sie nicht Wettbewerbsfähig.
Wie meine Vorredner schon sagten, der Trend geht in vielen Bereichen wieder zu den guten handgemachten Dingen, mit wenig Konservierungstoffen oder sogar gar keinen. Zudem gibt es auch genügend andere Unternehmen wie z.B. Hotels die sich eigene Konditoren leisten oder auch generell in der Lebensmittelbranche gibt es immer wieder Stellen für Konditoren, die dann u.a. auch dafür eingesetzt werden können, das neue Fertigbackmischungen kreiert werden und gerade in dem Bereich lässt tatsächlich auch gutes Geld verdienen und bei letzterem gibt es häufig auch ganz geregelte Montag-Freitag Arbeitszeiten.
Manchmal sollte man wirklich mal ein wenig weiter über den Tellerrand schauen und nachdenken, bevor man einem Kind einen Berufswunsch so madig macht. Manchmal ist Geld eben auch nicht immer alles, vor allem wenn der Beruf eine Passion ist und als Konditor nagt man alles andere als am Hungertuch.
Was soll so schlecht an dem Beruf sein? Ein ehemaliger Klassenkamerad führt heute den elterlichen Betrieb in fünfter Generation und bildet auch aus. Mit den verschiedensten Torten und über 40 verschiedenen Pralinensorten ist dieser Laden eine Institution im Ort. Das Personal hat dort eine Lebensstellung. Das ist heutzutage nun in anderen Berufen eher selten.
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