Werte und Moral - Verfall oder nur Umstrukturierung?

vom 10.07.2016, 16:21 Uhr

Man hört ja, gerade als junger Mensch, oft von älteren Leuten, dass die Werte und die Moral mehr und mehr verfallen und sich viele Menschen nicht mehr daran halten. Viele sind der Meinung, dass zum Beispiel Dankbarkeit, Hilfsbereitschaft und Respekt in der heutigen Gesellschaft immer seltener vorkommen.

Ich bin allerdings der Meinung, dass es auch in der heutigen Zeit noch viele anerkannten Werte und Moral gibt. Allerdings wandeln sich die Werte im Laufe der Zeit und passen sich, wie so vieles, der Gesellschaft und den derzeitigen Gegebenheiten an. So denke ich zum Beispiel bei dem Wert "Respekt" schon, dass Kinder ihre Eltern noch respektieren.

Allerdings ist der Umgang der Eltern mit ihren Kindern (und umgekehrt) heutzutage oftmals viel lockerer als noch von einigen Jahren. Dennoch würde ich nicht sagen, dass die Kinder ihre Eltern nicht mehr respektieren nur weil der Umgangston lockerer geworden ist. Wie seht ihr das? Verfallen Werte und Moral zunehmend oder wandeln sie sich nur?

» swipu91 » Beiträge: 580 » Talkpoints: 33,30 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Seit der Erfindung der Zivilisation wird gejammert, dass "früher alles besser" gewesen sei, und die "heutige Jugend" überhaupt keine Werte mehr kennt und die guten Sitten und das alt hergebrachte Auskommen mit Füßen tritt. Schon der altgriechische Philosoph Sokrates hat Jahrhunderte vor der christlichen Zeitrechnung darüber gejammert, dass heutzutage keine Autorität mehr anerkannt wird, die Tischmanieren aussterben und, man halte sich fest, Kinder ihre Eltern nicht mehr respektieren.

Deswegen halte ich das Gejammer über den Verfall von Werten und Moral für haltlos und kurzsichtig. Gesellschaften entwickeln und verändern sich nun mal, je nach Epoche zum Guten, oder teilweise auch zum Schlechten. Noch vor relativ kurzer Zeit hätte ich beispielsweise nur mit Erlaubnis meines Ehemannes überhaupt einen Beruf ergreifen dürfen, und Schulkinder haben regelmäßig in- und außerhalb der Schule Schläge gekriegt. Dafür wurde zu einer vergleichbaren Zeit weniger Müll produziert und es gab praktisch nur Bio-Landwirtschaft. In anderen Zeiten und in anderen Kulturen gab es dagegen vielleicht eine Hochblüte der Wissenschaften und Künste, aber dafür auch der Sklaverei und Folter.

In meinen Augen gibt es daher sowieso so gut wie keine "absoluten" Werte, die in jeder Zeit und Kultur gleichermaßen gelten müssen. Und wie alles Menschengemachte sind eben auch gesellschaftliche Regeln und Werte nie ganz vollkommen oder ganz schlecht. Es finden Entwicklungen in unterschiedliche Richtungen statt, und manche sind vorteilhafter als andere. Ob es sich um eine positive oder negative Entwicklung handelt, zeigt sich in der Regel erst im Laufe der Zeit.

» Gerbera » Beiträge: 11317 » Talkpoints: 49,13 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Mir ist das Zitat von Sokrates, das Gerbera in ihrem Kommentar gezielt anspricht, durchaus geläufig und ich teile ihre Meinung. Meiner Ansicht nach verhält es sich eher so, dass man selbst seine eigene Jugend und wie sich die Altersgenossen damals verhalten haben, gar nicht mehr so bewusst wahrnimmt. Man vergisst viele Details und betrachtet die Vergangenheit irgendwie verklärt, sodass man der felsenfesten Überzeugung ist, dass man als Jugendlicher doch gar nicht so schlimm gewesen ist wie die Kinder heute. Ich denke aber nicht, dass das immer der Fall ist, teilweise belügt man sich nur selbst, um sich moralisch überlegen zu fühlen.

Dass sich Werte verändern im Laufe der Jahrhunderte ist doch vollkommen normal. Man denke doch nur an die christliche Prägung und den Einfluss der Reformation und des Ablasshandels. Daran glaubt keiner mehr und auch wenn die christlichen Werte teilweise immer noch vermittelt werden (begünstigt durch das Gesetz siehe Diebstahl, Morden etc.) ist es doch so, dass die Kirche immer unwichtiger wird und die Menschen sich nicht mehr für die Kirche und ihre Lehren interessieren. Die Schwerpunkte liegen einfach anders als früher, was ja nicht unbedingt schlecht sein muss.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Ich habe es auch schon des Öfteren gehört, dass es schon seit Jahrzehnten, eher seit Jahrhunderten so ist, dass die älteren Generationen schon immer über die neuen Genrationen lästern beziehungsweise sagen, dass die jüngeren und nachfolgenden Generationen schlechter sind als die vorhergehenden und die Moral und die Werte immer schlechter werden. Wenn man sich den Verlauf in den letzten Jahren mal anschaut, dann kann es sogar durchaus nachvollzogen werden, dass die Leute diese Meinung immer noch vertreten.

Als ich noch jünger war, habe ich mir immer gedacht, dass es nur ein Wandel ist. Mit dem Wandel der Zeit wandeln sich natürlich auch die aktuellen Vorstellungen von Moral und Werten, das ist auch vollkommen in Ordnung und normal. Wenn ich mir aber die aktuelle Generation, vor allem die aktuellen pubertierenden Jugendlichen, so anschaue, dann bin ich der Meinung, dass dies doch eher einem Verfall der Werte gleich kommt. Da wird auf der Straße wild rumgepöbelt, egal wer, andere Leute werden fertig gemacht und mitten am Tag auf der offenen Straße beleidigt. Früher hätte es so was nicht gegeben, nur um ein paar Beispiele zu nennen.

Um den Verfall der Werte zu verhindern, müsste man erstmal in der Gesellschaft an sich was ändern. Die schwache Unterschicht müsste angehoben werden und es müsste vielen Leuten, die sowohl sozial als auch finanziell schlechter dastehen, geholfen werden, da es oft diejenigen sind, bei denen dieser Verfall der Werte auffällt.

» Hufeisen » Beiträge: 6056 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Man müsste doch zunächst einmal definieren, was man als Werte und Moral definiert. Wenn Leute sich über den Verfall von diesen beschweren hat man immer den Eindruck, dass Werte und Moral automatisch etwas gutes sind und der Verfall dementsprechend etwas schlechtes.

Aber es gibt doch genug Beispiele, bei denen das überhaupt nicht der Fall ist oder war. Die wenigsten Menschen werden zum Beispiel die Tatsache beklagen, dass die Werte und Moral der Nationalsozialisten verfallen sind. Oder was ist mit der Unterdrückung von Frauen und Minderheiten? Es war früher mal moralisch, dass Frauen weniger Rechte hatten als Männer und, dass man nicht lieben konnte wen man wollte.

Ich sehe Werte und Moral jedenfalls nicht als absolute Werte sondern als etwas, das sich ständig wandelt und sich immer wieder neu ausrichtet. Ich kann "früher war alles besser" nicht nachvollziehen und wenn ich mal so denken würde, würde das wahrscheinlich auf meinen Mangel an Flexibilität hinweisen und nicht auf einen Verfall von Werten und Moral.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Ich finde das sie sowohl Verfallen als sich auch wandeln. Klar, jeder kennt den Spruch das früher alles besser war. Aber dort waren auch ganz andere Grundvoraussetzungen und manche Dinge waren einfach unvorstellbar. Denkt man an das Mittelalter, dass die Kirche dort das Sagen hatte und mächtig Druck auf alle ausgewirkt hat, so kann sich das heute kaum noch einer vorstellen, dass der Priester an der Tür steht und einem mitteilt, dass man nun Nachwuchs zeugen müsste.

Aber bei einigen Dingen finde ich schon, dass die Zeit das ganze zum Verfall bringt. Nehmen wir einmal die üblichen Umgangsformeln mit Bitte und Danke. Das war auch im letzten Jahrhundert bereits geläufig und darauf wurde doch sehr viel Wert gelegt. Wenn ich heute schaue, dann sieht man das zwar immer noch als Selbstverständlich an, aber die jüngeren Generationen sind in diese Richtung einfach nicht mehr erzogen. Dort bekommt man dann doch eher ein "Ey Alter" an den Kopf geworfen nach dem versehentlichen anrempeln, anstatt ein Entschuldigung. Auf Bitte und Danke habe ich bereits ähnliche Kommentare von den "coolen Kids" von heute erhalten.

Somit sehe ich es schon so, dass die Umgangsformeln mit der heutigen Zeit darunter leiden und es wird auch in Zukunft damit nicht wirklich besser werden. Ob man das nun zu Werten oder Moral zählt bleibt jedem selbst überlassen, aber wenn schon diese einfachen Sachen scheitern dann ist es mit anderen Regeln und Moral wie z.B. Respekt und Toleranz auch nicht mehr weit, bis sich das ganze ebenfalls verabschiedet und in der Gosse verschwindet. Einen Ersatz dafür konnte ich nicht feststellen, oder wird das "Ey Alter" dann das neue Bitte und Danke?

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


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