Ist ein individuelles Renteneintrittsalter sinnvoll?

vom 11.07.2016, 10:00 Uhr

In unserem Bekanntenkreis ist jemand kurz vor seinem Renteneintritt verstorben. Er hatte eine sehr ungesunde Lebensweise, da er sich nur sehr wenig bewegt hat, Raucher war und auch nicht auf eine gesunde Ernährung geachtet hat. Er hat sich sehr auf die Rentnerzeit gefreut, da er aufgrund seines Berufes nur sehr wenig Zeit mit seiner Familie verbringen konnte und dies in der Rente nachholen wollte. Nun bleibt ihm dies leider für immer verwehrt.

In unserem Freundeskreis hat sein Tod die Diskussion aufgeworfen, ob es nicht sinnvoll wäre, das Renteneintrittsalter aufgrund einer individuell errechneten Lebenserwartung zu errechnen. Es gibt ja auch viele Menschen, die zum Beispiel aufgrund einer hohen Herzinfarktsquote in der Familie unter Umständen eine kürzere Lebenserwartung haben als Menschen ohne diese Vorbelastung. Wäre es da nicht gerechter, wenn man das Renteneintrittsalter aufgrund der individuellen Lebenserwartung festlegen würde? Wo seht ihr die Vorteile und wo die Nachteile bei diesem System?

» swipu91 » Beiträge: 580 » Talkpoints: 33,30 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ein Individuelles Renteneintrittsalter wäre zu begrüßen, aber sicherlich nicht aufgrund der Basis, dass in der Familie bereits 5 Herzinfarkte stattgefunden haben und man selbst dadurch ein höheres Risiko hat. Schon gar nicht, wenn die anderen Lebensumstände, wie Rauchen, ungesunde Ernährung, wenig Bewegung noch auf diese Weise belohnt werden würden.

Begrüßen würde ich es aus einem ganz anderen Aspekt her. Es gibt Berufe die körperlich sehr stark fordern. Als Beispiel kann ich meinen alten Job als Rettungsassistent herziehen. Dort arbeitet man im Schichtdienst 7 Tage die Woche das ganze Jahr über. Standard sind eine 48 Stunden Woche, von denen nur 38 Stunden bezahlt werden. Alle 10 Jahren hat man somit ein Jahr komplett umsonst gearbeitet. Dazu kommen wenig Urlaubstage, eine schlechte finanzielle Entlohnung das die meisten einen zweiten Job ausführen müssen. Die Patienten werden nicht leichter, man trägt nicht mehr selten 180-200 Kilogramm aus dem 4. Stock nach unten.

Mit 18 Jahren ist das kein Problem auch mit 25 noch nicht. Ab 30 Jahren fällt es bereits deutlich schwerer mit den Nachtschichten. Wenn dazu noch eine Familie kommt die Ernährt werden muss fängt die Doppelbelastung mit einem zweiten Job an. Ab 50 Jahren darf der Mitarbeiter erst einen Antrag stellen, dass dieser keine Nachtschicht mehr leisten muss. Mit 63 Jahren darf man unter dem Verlust von vielen Rentenbezügen in Rente gehen, damit verzichtet man ca. auf 50% seiner Rente.

Von den Statistiken her hören viele mit 45 Jahren auf, weil der Körper nicht mehr will. Er schafft die körperlichen und psychischen Belastungen nicht mehr. Dabei hätte man noch 22 Jahre zu arbeiten bis zur Rente. Durch das spezielle Berufsbild gibt es so gut wie keine Alternativen und somit sind viele gezwungen diesen Job solange zu machen wie es geht. Ich habe in über 10 Jahren in diesem Beruf genau einen Mitarbeiter erlebt der es von 18. Lebensjahr bis zur Rente geschafft hat in diesem Beruf zu arbeiten. Aber ab dem Alter von 50 Jahren war er mehr krank Zuhause als auf der Arbeitsstelle.

Man reißt sich sozusagen den Arsch für die Gesellschaft auf und man wird da für nicht ausreichend finanziell entlohnt, bekommt hinterher eine lächerliche Rente und die Chance vorher Berufsunfähig zu werden und gar nicht erst das Renteneintrittsalter zu erreichen ist enorm hoch. Infarkte gibt es auch bei uns, teilweise im Einsatz. Alleine aus der finanziellen Not und Alternativlosigkeit heraus kommen viele wieder zurück bis der nächste ansteht, der meistens nicht lange auf sich warten lässt. Alleine im letzten Jahr sind 3 Kollegen im Alter von 45-55 Jahren an einem Herzinfarkt gestorben, einer während der Arbeitszeit.

Somit kann man meiner Meinung nach jemanden schon früher in Rente schicken wenn dieser bereits medizinische Probleme hat, dann bitte aber auch ohne große Abzüge, gerade wenn es nicht selbst verschuldet ist. Aber einfach nur die ungesunde Lebensweise zu "belohnen", dann würde jeder anfangen zu rauchen, sich weniger zu bewegen und einen ungesunden Lebensstil an den Tag zu legen wenn man deswegen z.B. schon mit 50 Jahren in Rente gehen kann ohne Abstriche machen zu müssen, anstatt erst mit 67 Jahren. Da wäre man auch schön blöd sich 17 Jahre länger den Buckel kaputt zu arbeiten, wenn man es auch einfacher haben kann.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


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