Wurde euch schon einmal Undankbarkeit vorgeworfen?

Als ich noch bei meinen Eltern gewohnt habe, kam es regelmäßig vor, dass meine Mutter mir vorgeworfen hatte, undankbar zu sein. Das passierte immer genau das, wenn ich nicht genau das machte, was sie wollte. Sobald ihr etwas nicht passte, warf sie mir vor, undankbar zu sein, da sie ja so viel für mich getan hätte, während ich hier nun rebellieren würde.

Ehrlich gesagt konnte ich das aber nie so richtig ernst nehmen. Wenn jemand etwas für mich tut und mir bei etwas behilflich ist, dann bedeutet das für mich nicht automatisch, dass ich mich nun gleich dazu verpflichte, mein ganzes Leben nach der Pfeife der Person zu tanzen, da ich sonst als undankbar gelten könnte. Wurde euch schon einmal Undankbarkeit vorgeworfen? Wenn ja, von wem?

Meine Mutter hat mir das auch schon des Öfteren vorgeworfen. Es geht dabei meist darum, dass ich sie öfter besuchen soll. Die Undankbarkeit bezieht sich dann darauf, dass sie mir mal Geld geschenkt hat. Da fühle ich mich also immer ein bisschen so, als hätte sie mich damit kaufen wollen.

Im Grunde kann ich sie verstehen. Klar fühlt man sich nicht gut, wenn man jemandem Geld gibt und dann nichts zurückbekommt. Aber es ist trotzdem Ansichtssache, wie viele Besuche denn genug sind. Oft sagt sie dann auch, dass wir sie nicht aus Pflichtgefühl besuchen sollen, sondern nur, wenn wir wollen. Also das Ganze ist ein ziemlich schwieriger Balanceakt.

Der Ex-Lebensgefährte hat mir auch mal Undankbarkeit vorgeworfen. Dabei hat er aber meiner Meinung nach jede Balance verloren. Ich hatte ihn gebeten, nicht an der Figur meiner kleinen Schwester herumzunörgeln. Bei einem Teenager finde ich das einfach unangemessen bis gefährlich.

Letztlich hat er mir gesagt, ich solle aufpassen, wie ich mit ihm rede. Immerhin sei er es gewesen, der mich auf seinen Händen in die Notaufnahme getragen hat, als ich nach einem Selbstmordversuch nicht mehr aufwachte. Den Zusammenhang fand ich einfach hanebüchen. Wenn meine Mutter an dem Tag ein Taxi gerufen hätte, hätte mich halt der Taxifahrer auf seinen Händen getragen. Und warum darf ich ihn deshalb nicht mehr kritisieren, wenn er etwas falsch macht?

Seit diesem Streit reden wir übrigens nicht mehr miteinander. Auf diesen Quatsch wusste ich einfach nichts zu erwidern. Wenn einer dem anderen aus Dankbarkeit einen Freifahrtschein geben muss, ist doch gar keine gesunde Beziehung mehr möglich.

Diese Form der emotionalen Erpressung ist mir bisher glücklicherweise zum größten Teil erspart geblieben. Genauer gesagt fällt mir kein einziger Vorfall ein, bei dem mir jemand ins Gesicht gesagt hat, dass er oder sie mich für undankbar hält. Was die Leute hinter meinem Rücken sagen oder über mich denken, kann ich natürlich nicht beurteilen, aber das kann keiner.

Ich wäre wohl auch schwer gekränkt, wenn mich jemand als undankbar bezeichnen würde, da ich persönlich großen Wert darauf lege, mich immer zu bedanken und Gefallen auch zeitnah zu erwidern. Ich bin nämlich der Meinung, dass mir im Prinzip niemand etwas schuldet und dass es für ein gelungenes Zusammenleben wichtig ist, wenn man mit Wertschätzung und Anerkennung durchs Leben geht. Das gilt für Freunde und Familie, aber auch im Alltag und bei Leuten, deren Job es ist, einem zu helfen.

Umgekehrt finde ich auch, dass es kein sympathischer Zug ist, Dankbarkeit quasi einzufordern, um damit seine Mitmenschen unter Druck zu setzen oder sein übersteigertes Selbstwertgefühl noch mehr zu füttern. Wenn man jemandem einen Gefallen tut oder hilft, ist es zwar schön, wenn derjenige seine Dankbarkeit zum Ausdruck bringt, aber man hat kein Anrecht darauf, das man einfordern kann. Man kann nur seine Gefälligkeiten und seinen guten Willen entsprechend anpassen.