Schmerzensgeld für Bahnfahrer bei Selbstmordversuchen?
Ich rege mich immer wieder darüber auf, dass es Selbstmorde auf den Gleisen der Bahnen und U-Bahnen gibt und sich die Bahnen dadurch immer massiv verspäten. Ich finde es unfair den Menschen gegenüber, die auf diese Züge angewiesen sind, den Bahnfahrern die sich das ansehen müssen und den Menschen, die die Überreste entsorgen müssen. Neulich gab es nun aber einen Fall vor dem Amtsgericht in München. Eine Frau wollte sich vor eine S-Bahn werfen, hat aber überlebt. Die Zugführerin hat nun aber eine posttraumatische Belastungsstörung und hat Schmerzensgeld verlangt.
Die Frau die den Selbstmordversuch begangen hat, musste dann tatsächlich Schmerzensgeld an die Zugführerin zahlen. Ich fand dieses Urteil sehr gut und habe auch kein besonderes Mitleid mit der Frau. Allerdings werden das sicherlich nicht alle so sehen. Wie seht ihr die Situation? Seit ihr eher auf der Seite der selbstmordgefährdeten Frau oder auf der Seite der Zugführerin? Findet ihr das Urteil gerechtfertigt?
Meiner Meinung nach gehst du hier ganz schön hart mit der Frau ins Gericht. Wer versucht, sich selbst umzubringen, ist doch gar nicht mehr in der Lage, an etwas anderes zu denken. Meistens stecken Depressionen dahinter oder begleiten die Entscheidung zumindest. Da denkt man doch nicht mehr an die Folgen der eigenen Handlungen für andere.
Also ich habe definitiv Mitleid mit der Frau, dass ihr Leben so beschissen war, dass sie sich umbringen wollte. Aber mit der Zugführerin, oder generell mit Zugführern, die das miterleben müssen und zu der Tat gezwungen werden, habe ich auch tiefstes Mitgefühl. Das muss absolut schrecklich sein.
Das Ganze ist also meiner Meinung nach ein zweischneidiges Schwert. Ich glaube nicht, dass die Frau zum Tatzeitpunkt voll zurechnungsfähig war. Demnach halte ich sie nicht für straffähig. Aber auf jeden Fall sollten Zugführer in der Situation alle Hilfe bekommen, die sie benötigen. Auch finanziell hinsichtlich Berufsausfall.
Man macht so etwas nicht, weil man irgendwem belasten will, sondern weil man einfach nicht mehr kann und auf Nummer sicher gehen möchte. Mein Onkel hat sich so umgebracht und ich weiß wie verzweifelt er war und wie sehr er vorher jeden Tag gekämpft hat. Ich kann schon verstehen, dass da ein Schaden entsteht, auch bei den Zugführern, aber die Menschen sind in dem Moment ja nicht immer so klar, wie ein normaler Mensch, sondern sind in einer Notlage und psychisch nicht voll da.
Ich muss mich als Langstreckenpendlerin auch mit den mindestens quartalsweise auftretenden Selbstmördern abfinden und bringe dennoch sowohl für die Opfer als auch die Mitmenschen, die mit den unmittelbaren Konsequenzen konfrontiert sind, glücklicherweise noch so etwas wie Mitgefühl auf.
Schließlich schmeißt sich ja wohl keiner vor den Zug, damit die Bahnreisenden größtmöglichen Ärger bekommen. Wer einen derartigen Ausweg sucht, hat bestimmt mehr mitgemacht als die gelangweilten Pendler. Und als Lokführer/in sehenden Auges einen Mitmenschen zu überfahren, weil selbst eine Notbremsung nicht schnell genug greift, sollte auch ausreichen, um bei nicht völlig seelenlosen Menschen psychische und gesundheitliche Probleme auszulösen. Schockieren würde es mich eher, wenn hier jemand achselzuckend und in aller Seelenruhe die Blutspritzer von der Frontscheibe wischt.
Deswegen erscheint es mir auch nachvollziehbar, wenn das unmittelbar betroffene Bahnpersonal auch finanziell nicht im Regen stehen gelassen wird, wenn ein derartig traumatisches Erlebnis verarbeitet werden muss. Und in den seltenen Fällen, bei denen ein Selbstmordversuch überlebt wird, hat das eben auch rechtliche Konsequenzen bis hin zu Schmerzensgeldzahlungen. In meinen Augen sollte man hier die rechtliche Seite nicht mit der emotionalen und psychologischen vermischen.
Natürlich ist es nie schön wenn sich jemand das Leben nehmen will, und ich bin auch eher immer der Meinung das man solchen Menschen helfen sollte ihr Leben zu bewältigen und neuen Lebensmut zu schöpfen als Sie zu verurteilen.
Aber tatsächlich bin ich in so einem Fall auf "der Seite" der S-Bahn Führerin. Denn so leid mir so ein Selbstmord auch tut: ich verstehe nicht warum man, wenn man sich schon umbringen muss, noch anderen ggf. das Leben damit zerstört. Oder noch im schlimmsten Fall: andere mit in den Tod reißt. Ich weiß das ist sehr hart, aber wenn sich jemand umbringen will gibt es auch noch genug andere Wege bei denen man keine anderen Menschen damit in Gefahr bringt und/oder belastet.
Ich weiß viele werden das jetzt lesen und den Kopf schütteln, aber das ist nun einmal meine Meinung. Als der Pilot mit hunderten von Passagieren an Bord das Flugzeug absichtlich gegen einen Berg geflogen hat und alle mit in den Tod gerissen hat, hatte doch auch niemand Mitleid mit dem Piloten und seinem Leid (Depressionen) etc. Natürlich ist das jetzt ein krasses Beispiel und nicht damit zu vergleichen.
Aber immerhin werden bei Selbstmorden vor dem Zug auch Menschen geschäftig. Wenn auch nicht unbedingt sichtbar und in diesem Ausmaß. Trotzdem ist es nicht fair nur mit einer einzelnen Person mitleid zu haben, und die andere Person (in diesen Fällen die Zugschaffner) außen vor zu lassen. Denn diese haben oft noch ein ganzes Leben lang mit den Folgen zu kämpfen.
Ich zweifle schwer an der Zurechnungsfähigkeit der Täter und dem Vorsatz bei solchen Taten. Allerdings bin ich keine Juristin und weiß nicht, ob das bei einem Schmerzensgeld überhaupt eine Rolle spielt, weil das ja nicht in einem Strafprozess festgelegt wird. Vielleicht kann mir da jemand schnell weiter helfen?
Für meine persönliche, moralische Bewertung spielt es aber schon eine Rolle, weil ich ja niemanden verurteilen kann für etwas, das er in einer absoluten Ausnahmesituation getan hat und später wahrscheinlich selber auch absolut nicht mehr verstehen kann.
Ich kann aber auch jeden verstehen, der gezwungen wurde einen anderen Menschen zu überfahren und dafür dann zumindest eine gewisse Art von Anerkennung des Schadens, den er dabei erlitten hat, zu verlangen. Denn wirklich ändern wird das Geld natürlich nichts.
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