Märchen von "gestern" nichts mehr für Kinder von "heute"?

Als ich diesen Thread hier gelesen habe Komisch, wenn Kinder nicht alle Märchen kennen? fiel mir ein, dass die klassischen Märchen aus vielen Kinderzimmern einfach verbannt wurden. Meine Nichte liest ihren Kindern keine klassischen alten Märchen vor, weil sie meint, dass sie zu grausam sind und ihre Tochter einmal nicht schlafen konnte, weil sie ein Märchen gehört hat, welches aus der alten Feder stammt.

Ich kenne leider einige junge Mütter, die meinen, dass sie ihre Kinder vor den Märchen von früher beschützen müssten. Wenn ich so etwas höre, dann frage ich mich, ob wir als Kinder früher härter waren, da sie uns ja wohl nicht geschadet haben oder ob die Kinder von heute einfach zu weich sind und ich frage mich, woran es liegt, dass sich Kinder entweder mehr Gedanken machen oder aber einfach zu wenig.

Ist es so, dass die Eltern eher den Kindern vermitteln, wie grausam doch solche Märchen sind oder vermitteln die Eltern einfach zu wenig, was der Sinn dieser Märchen ist? Woran mag es liegen, dass selbst "Hänsel und Gretel", "Aschenputtel", "Frau Holle" uns Co. einfach zu grausam sind? Was ist mit denn Kindern von heute los?

Lest ihr euren Kindern die grausame Welt von gestern vor oder verbannt ihr sie auch aus den Kinderzimmern? Warum handelt ihr so und warum haben die heutigen Kinder angeblich schlechte Träume von den Märchen von gestern? Meinen Kindern haben die Märchen nicht geschadet. Sie haben meine dicken Märchenbücher von den Gebrüdern Grimm oder von Anders geliebt. Sie haben auch keine schlechten Träume gehabt.

Ich bin mit den Märchen aufgewachsen und ich sehe bei mir jetzt nicht, dass ich davon irgendwelche psychischen Schäden davon getragen hätte. Ich bin auch nicht "härter" oder so, dass ich Brutalität mehr ertragen würde. Ich bin ein sehr sensibler Mensch und war schon als Kind nah am Wasser gebaut. Eigentlich hätte man mir eine Kindheit mit diesen Märchen ersparen müssen, wenn die wirklich so brutal und von Horror geprägt sind.

Ich denke das liegt auch daran, weil man mir eben die Märchen erklärt hat und die zu Hause auch besprochen wurden. So hatte ich trotz Märchen wie Rotkäppchen nie Angst vor Wölfen. Gut, jetzt könnte man argumentieren, dass ich nie einem begegnet bin.

Ich habe Wölfe nie als etwas Böses gesehen, trotz dieser Märchen. Wenn das so ist, hätte man ja vor allem Angst haben müssen, sogar vor Bohnen, weil daraus eine Bohnenranke wachsen kann, vor dem Schlafen, weil Dornröschen gar nicht aufwachen wollte und überhaupt vor allem. Das finde ich übertrieben. Ich finde sogar eher, dass die Kinder "verweichlichen", die solche Märchen nicht mehr ertragen können, weil sie angeblich zu brutal sind. Es geht doch um die Moral darin und man sollte da nicht alles wörtlich nehmen. Wie sollen Kinder Moral sonst verstehen, wenn es nicht bildhaft dargestellt wird?

Bis vor ein paar Jahren habe ich auch immer gedacht, dass diese alten Märchen ja keinen Schaden anrichten und wir die ja auch so toll gefunden haben. Dann habe ich das aber alles ein bisschen anders gesehen, als meine Mutter meinem Neffen Hänsel und Gretel vorgelesen hat.

Mein Neffe, sonst wirklich ein aufgeweckter Junge, der nicht so ängstlich ist, stand vor mir und hat mich gefragt, ob seine Eltern ihn auch loswerden wollen. Ich hatte zunächst nicht verstanden was er damit meinte, als ich dann an das Märchen dachte. Ich erklärte ihm dann, dass das nur eine Geschichte ist und seine Eltern ihn so lieb haben wie sonst nichts auf der Welt. Er hatte aber wirklich Angst, dass er nun alleine in einen Wald gestellt wird und dann überleben muss.

Ich denke, dass die alten Märchen einfach ganz mit weg von dem sind, was heute normal ist. Ich meine in den Märchen geht es ja auch oft um Hunger, den man heute ja nicht mehr so erleiden muss. Das kann ein Kind dann auch nicht verstehen. Die Märchen entsprechen einfach nicht mehr der Zeit und eben weil das so ist, ängstigen sich Kinder eher.

Ich denke, dass man mit dem Vorlesen solcher Geschichten einfach länger warten muss. Früher hat man das eher gemacht und da war es sicherlich auch in Ordnung, aber heute muss man eben noch ein bisschen dazu erklären, weil die Kinder mehr haben und deswegen die Geschichten nicht mehr so gut nachvollziehen können.

Ich habe so etwas auch schon mal gelesen, dass es heutzutage nicht mehr üblich ist, den Kindern Märchen vorzulesen, weil die Kinder davon Angst bekommen könnten. Sicher gibt es grausame Stellen in den Märchen, wenn der Wolf die Großmutter und Rotkäppchen frisst oder so etwas. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass die Kinder, die schon mit Computerspielen aufwachsen, in denen teilweise auch geschossen wird und es eben grausam zugeht, sich die Dinge besser vorstellen können.

Ich könnte mir gut vorstellen, dass es mit daran liegen kann, dass die Märchen nicht mehr etwas für alle heutigen Kinder sind, weil sie direkt eine Vorstellung davon haben, wie das passiert. Wenn ich früher gehört habe, dass die Stiefschwester sich den Zeh abgeschnitten hat, dann war das eben so. Aber ich habe nicht genauer darüber nachgedacht, was da genau passiert. Mir haben Märchen sicher nicht geschadet und ich denke, dass ich sie meinen Kindern auch vorlesen würde. Ich denke auch, dass man den Kindern die Bedeutung der Märchen erklären muss und dann wird das schon funktionieren.