Würdet ihr für transparente Unternehmen arbeiten wollen?

Ich habe vor kurzem von einem Unternehmen gelesen, das sich selbst absolut transparent nennt. So werden zum Beispiel sämtliche Gehälter aller Mitarbeiter im Internet veröffentlicht und wenn man eine Email intern versenden möchte, bekommen alle Mitarbeiter dieses Unternehmens diese Email, egal ob sie sie lesen werden oder nicht. Die Kommunikation soll absolut transparent sein, sodass nichts verheimlicht wird vor den Mitarbeitern, wenn diese das jedoch nicht verfolgen, kann man eben nichts dafür.

Ich habe keine Ahnung, was dieses Unternehmen an Produkten oder Dienstleistungen anbietet, der wurde in dem Artikel nicht genannt. Der Gründer machte nur Werbung dafür und gab an, dass doch so viele Menschen für ihn arbeiten wollen würden, weil sie das Konzept der Transparenz so toll fänden.

Würdet ihr persönlich für ein Unternehmen arbeiten wollen, das absolut transparent ist? Oder würde euch das nerven, wenn jede Email von euch an zig andere Mitarbeiter weitergeleitet wird oder alle euer Gehalt im Internet einsehen könnten, sofern Interesse besteht? Sollte es mehr solcher Unternehmen geben oder geht das gar nicht?

Mich würde schon interessieren, was meine Kollegen so verdienen, denn ich weiß es nur von wenigen. Wenn das dann mit sich bringt, dass auch die anderen mein Gehalt kennen, dann ist es eben so, aber ich wöllte nicht, dass Außenstehende das kennen. Das ist mir dann doch zu viel.

Genauso wöllte ich nicht, dass rein theoretisch alle meine Mails lesen können. Wüsste auch nicht, wofür das gut sein soll. Warum darf es denn keine Geheimnisse bei der Kommunikation geben? Muss jeder alles wissen?

Für mich macht es überhaupt keinen Sinn, die Gehälter absolut transparent zu veröffentlichen. Schließlich ist das nur die eine Seite der Gleichung und damit zeichnet sich nur ein unvollständiges Bild ab.

Die andere Seite ist der Wert, den der Mitarbeiter für das Unternehmen hat. Und in den allermeisten Berufen kann man das nicht messen. Es ist ein rein subjektiver Maßstab und es kommt nicht selten vor, dass es Leute gibt, die ihren Wert massiv überschätzen. Wenn sie dann weniger verdienen, werden sie einen großen Aufstand machen. Das kann in Deutschland unter Umständen bis ans Arbeitsgericht gehen.

Das gilt besonders dann, wenn es eine Gehaltskürzung gibt, die bei einer strengen Bewertung nach Leistung Normalität passieren würde. Schließlich kann niemand jedes Jahr stetig eine Leistungssteigerung bringen, sondern wird auch mal ein schlechtes Jahr haben.

Ich vermute mal, dass es um dieses Unternehmen geht. Da handelt es sich wohl um ein IT-Startup, das Mitarbeiter über die ganze Welt verteilt hat. Das Gehalt wird nach einer festen Formel berechnet, es gibt also keinen Anreiz, mehr Leistung zu liefern, außer der eigenen Motivation. Schließlich gibt es in den flachen Hierarchien eines Startups auch kaum eine Aufstiegsmöglichkeit.

Der Ansatz funktioniert nur mit einer ganz bestimmten Gruppe Menschen. Entscheidend ist hier also eine sorgfältige Personalauswahl - und die Tatsache, dass das Unternehmen die Leute sehr schnell wieder los wird. In einem normalen, deutschen Unternehmen würde das Entlohnungssystem deshalb so wahrscheinlich nicht funktionieren. Hierzulande gäbe es zu viele Leute, die sich auf dem jährlichen "Loyalitätsbonus" ausruhen und auf den Kündigungsschutz verlassen würden.

Ich weiß auch nicht, was ich von solch einem Firmenexperiment halten soll, aber einen Grund mich dort zu bewerben, sehe ich auf jeden Fall nicht. Langfristig wird wohl solch ein Konzept nicht funktionieren, da werden die Firmengründer wohl noch viel an den Stellschrauben drehen müssen.