Interkulturelle Beziehung - Erfahrungsberichte

vom 25.05.2016, 08:06 Uhr

Ich bin seit einigen Wochen mit einem Deutschen zusammen, der aramäische Wurzeln hat. Bisher läuft die Beziehung wirklich wunderbar. Ich glaube ich habe noch nie irgendjemanden kennengelernt der sich so toll um mich gekümmert hat.

Meine Freunde haben aber immer wieder Einwände und sagen dass ich eine rosarote Brille auf hätte und gar nicht merken würde was das für ein Typ ist. Viele warnen mich eben genau vor dieser Beziehung und machen sich tatsächlich Sorgen. So richtig verstehen kann ich es aber ehrlich gesagt nicht. Mittlerweile habe ich schon einen Teil seiner Familie kennengelernt und die waren alle super freundlich.

Was ich bei meinem Freund besonders schön finde ist, dass er sich eine einzige Beziehung für den Rest seines Lebens wünscht. Das einzige wo ich mir Gedanken drüber mache ist, ob seine Familie mich tatsächlich auch als Ehefrau und Mutter seiner Kinder akzeptieren würde wenn es mal dazu kommen sollte.

Ich habe dazu mal im Internet recherchiert und herausgefunden, dass Aramäer natürlich gerne unter Aramäern heiraten. Hin und wieder kommt es aber auch mal vor, dass ein Aramäer eine Deutsche heiratet. Sein Bruder war mittlerweile schon einmal verheiratet und hat sich dann wieder scheiden lassen und der andere Bruder ist mit einer Deutschen verheiratet.

Es ist aber wohl nur bei den Männern so. Die aramäischen Frauen haben wohl in seiner Familie nicht so viele Rechte wie die Männer. Wer von euch hat vielleicht auch eine interkulturelle Beziehung und mag mal davon berichten?

» VNESS18 » Beiträge: 66 » Talkpoints: 36,19 »



Die Frage ist nicht, was die anderen denken, sondern womit du dich langfristig arrangieren willst. Du musst dich wohlfühlen und zwar auch dann, wenn die erste Verliebtheit vorbei ist. Die wenigsten Männer tragen einen jahrelang auf den Händen, egal woher sie kommen. Der Alltag setzt jeder großen Liebe zu, das ist normal. Daher würde ich die Augen offen halten, welche Marotten sein Vater und seine Onkel haben, die lange Jahre verheiratet sein sollten und wie die mit ihren Frauen umgehen.

Je älter man wird, desto mehr Ähnlichkeiten zu den eigenen Eltern kommen zum Vorschein, egal wo man geboren ist und wo die Eltern geboren sind. Das Umfeld, in dem man aufwächst prägt einen, auch wenn man sich in der Jugend vielleicht dagegen auflehnt. Von daher ist der Grundsatz da besonders wichtig, der ohnehin bei allen Beziehungen gilt: Wenn man mit dem Lebensstil und den Persönlichkeiten der Schwiegerleute super klar kommt, ist das schon mal ein guter Grundstein für eine erfolgreiche Beziehung.

Ansonsten finde ich es auch immer sehr wichtig, dass man eine gemeinsame Sprache hat, die beide sehr gut sprechen müssen. Kommunikation ist das A und O in jeder Beziehung. Es ist schon schwer genug, sich als Frau mit dem Mann zielführend zu unterhalten, wenn man die gleiche Muttersprache teilt. Wenn einer die Muttersprache des einen nur als Zweitsprache spricht, ist die Chance für Missverständnisse weitaus höher.

Die Frage ist halt auch, ob du dich in der Rolle wohl fühlen wirst, dass dein Partner vielleicht doch irgendwann in das alte Muster zurück fällt und auf deine Meinung oder Karriere weniger Rücksicht nehmen will, als dir lieb ist. Natürlich gibt es auch absolute Machos unter Männern mit deutschem Familienhintergrund. Aber erhöhte Wachsamkeit bietet sich immer an, wenn zwei Kulturen so eng aufeinander treffen. Es müssen sich eben beide wohl fühlen. Nicht jede Frau ist auch eine Emanze. Wenn du dich damit wohl fühlst ist das deine persönliche Entscheidung, die dir niemand abnehmen kann.

Eine Ehe kann man auch wieder scheiden. Wenn Kinder dazu kommen wird das immer kompliziert, egal ob man verheiratet war oder nicht. Aber wenn man sich erst mal verheiratet, um den Alltag zu erleben, dann kann man sich auch wieder trennen, da ist unser Rechtssystem ja recht gut. Und wenn der Mann einen erst mal sicher hat (und das sieht man oft in vielen Beziehungen unabhängig von der Herkunft), dann schleicht sich schneller Alltag ein. Dann wirst du sehen, wie viel davon ernst gemeint war und wie viel Schwüre aus Verliebtheit.

Natürlich kann man auch böse auf die Nase fallen. Eine Studienfreundin von mir war mal in einen Afrikaner verliebt. So lange sie nur so lose ein Paar waren, war alles wunderschön und ich kannte ihren Partner persönlich, er war super lieb zu ihr. Dann sollte er abgeschoben werden und meine Freundin hat ihn damals recht überstürzt geheiratet, damit er bleiben kann. Sie sind zusammengezogen und das Fiasko fing an. Der Typ war wie ausgewechselt und für meine Freundin ist damals wirklich ein rosaroter Traum zerplatzt.

Natürlich war die Enttäuschung für sie extrem schmerzhaft. Aber das wäre sie mit jedem Partner, der sich nach der Hochzeit negativ verändert. Und da sich so viele Leute scheiden lassen sieht man, dass das kein Einzelfall ist und nicht von Herkunft abhängig ist. Meine Freundin hat sich dann damals auch scheiden lassen und weil die Ehe noch nicht lange gedauert hat, ging das relativ schnell über die Bühne. Dann müssen ja nicht erst kompliziert Haus und Vermögen geteilt werden, sondern die Scheidung ist eher eine Formsache.

Ob seine Familie dich akzeptieren würde, das musst du halt erfragen. Ebenso würde ich auch gründlich ausleuchten, was man von dir als Schwiegertochter so erwarten würde. So in Deutschland kann man sich ja aus Familienleben oft recht leicht ausklinken, wenn man gerne für sich ist. In Mischehen kann das schon ein Streitpunkt sein. Wenn du zum Beispiel bei Familienfeiern in aufwändige Vorbereitungen einbezogen werden sollst und dir das möglicherweise ungewohnt ist? Oder wie hast du dich gegenüber seinen Verwandten zu verhalten? Wäre zum Beispiel sein Vater auch eine Autorität für dich? Zu tun, was Schwiegerleute verlangen, das kann schwierig sein.

Wie stellen sie sich das mit der Hochzeit vor? Welche Traditionen gibt es da in seiner Familie? Wie groß sollte so eine Hochzeit sein? Bist du gläubig und müsstest du eventuell konvertieren oder seinen Glauben annehmen, wenn er gläubig ist? Das aramäische Christentum ist ja doch ein wenig anders als das evangelische oder katholische. Wie sieht das aus, willst du Kinder und wenn ja wie viele? Und wie viele würden er und seine Familie erwarten? Wie oft besucht man die Familie, wenn man verheiratet ist und ein eigenes Leben führt? Und wie viel Familienkontakt und gemeinsame Zeit wäre für Dich so, dass du dich wohl fühlen würdest? Fragen über Fragen.

Letztlich kann dir das auch keiner beantworten, ob das was werden wird. Das sind nur die Tipps, die mir als erstes einfallen, wenn ich so die Erfahrungen aus interkulturellen Ehen in meinem Umfeld zusammentragen. Auf jeden Fall würde ich dir raten, dich ausreichend lange mit ihm zu beschnuppern, nichts zu überstürzen, weder in die eine noch in die andere Richtung. Patentlösungen gibt es da nicht. Nur höre immer auf dein Gefühl, ob es dir gut geht. Das ist in einer Beziehung immer wichtig.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


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