Warum hält sich der 10%-Mythos so hartnäckig?

vom 15.05.2016, 09:34 Uhr

Den 10%-Mythos kennen wahrscheinlich sehr viele von euch, er besagt dass der Mensch nur 10% seiner Gehirnkapazitäten nutzt und der Rest mehr oder weniger brach liegt. Das ist nur ein Mythos, der auf Irrtümern beruhte und schon längst widerlegt worden ist. Dennoch ist diese Ansicht in der Bevölkerung weit verbreitet und taucht besonders in Filmen immer wieder auf.

Ich verstehe allerdings nicht, wie sich dieser Mythos so lange halten konnte? Evolutionsbiologisch macht es keinen Sinn, dass sich bei uns ein Gehirn entwickelt hätte, dass zum größten Teil nicht genutzt wird. Außerdem sollten doch auch die meisten Laien inzwischen schon wissen, dass nahezu kein Hirnareal geschädigt werden kann, ohne das dies Konsequenzen für den Menschen hätte.

Habt ihr den 10%-Mythos für echt gehalten und wenn ja, warum? Wollen die Menschen möglicherweise daran glauben? Immerhin könnte dieser Mythos erklären, warum manche Menschen dumm sind und manche sehr intelligent. Und letztendlich hätte auch jeder den Eindruck, dass seine Kapazitäten noch nicht erschöpft sind und aus einem selbst noch mehr werden kann. Wie seht ihr das?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich kann schon verstehen, dass viele Leute die Vorstellung schlicht attraktiv finden, dass wir nur zehn Prozent unseres Gehirns nutzen. Wie du schon geschrieben hast, ist es doch viel optimistischer, davon auszugehen, dass man seine geistigen Kapazitäten noch lange nicht erschöpft hat und Wunderdinge vollbringen kann, wenn/sobald eine Methode gefunden ist, dieses Potenzial freizulegen und voll auszuschöpfen.

Die Alternative besteht schließlich darin, sich einzugestehen, dass man wie die allermeisten Menschen Stärken und Schwächen hat und global gesehen keine besonders große Leuchte ist. Wäre der Mythos wahr, könnte man ja schließlich immer noch darauf hoffen, dass eine Behandlung oder ein Medikament gefunden wird, und auf einmal ist man ein As in Physik oder kann in drei Tagen eine Fremdsprache lernen vor lauter Hirnpower.

Dazu kommt noch der Hang zur Esoterik. Viele Leute glauben ja an parapsychologische Fähigkeiten und Ereignisse wie Telekinese, Gedankenlesen, Wahrsagerei oder was auch immer man der grauen Masse noch zutrauen kann. Da ist es nur ein kleiner Schritt zu behaupten, dass "früher" in spirituelleren Zeiten viele Menschen diese Fähigkeiten hatten und dass "nur" der Schlüssel verloren gegangen ist, um diese im Gehirn wieder freizulegen, wo sie immer noch vorhanden sind, aber in wenig genutzten Arealen brachliegen.

Ich erkläre mir diesen Mythos so, dass der Großteil unseres Oberstübchens brav seiner Arbeit nachgeht, ohne dass wir es bemerken. Vielleicht ist es ja so gemeint, dass nur 10 Prozent der Vorgänge im Gehirn bewusst ablaufen, und der Großteil der Rechenkapazität nicht fürs Denken, Sprechen, Komponieren oder Philosophieren draufgeht, sondern für so prosaische Berechnungen wie Körpertemperatur, Leberwerte und Hormonhaushalt. Aus diesem Blickwinkel betrachtet erscheint mir dieser Mythos noch am ehesten nachvollziehbar.

» Gerbera » Beiträge: 11317 » Talkpoints: 49,13 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Dieser Mythos taucht ja in diversen Geschichten und Filmen auf. Außerdem gibt oder gab es auch diverse Bücher, die damit Werbung gemacht haben und versprochen haben, dass man mit diesen Büchern lernen kann sein geistiges Potential auszuschöpfen. Ich glaube das ist wirklich schlicht und einfach ein Fall von einer Lüge, die so oft wiederholt wurde bis sie zur Wahrheit wird.

Der Mythos ist übrigens auch deshalb totaler Unsinn, weil es ja Krankheitsbilder gibt, bei denen das Gehirn aktiver als normal ist. Das sind solche Sachen wie Epilepsie oder Schizophrenie, die ja wohl deutlich genug zeigen, dass mehr nicht gleich besser bedeutet.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



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