Arbeiten gehen und trotzdem am Existenzminimum leben

vom 22.05.2016, 02:03 Uhr

Mein Partner und ich führen in den letzten Tagen immer mal wieder ein Gespräch über das Thema Ausbildung bzw. Arbeit.

Mein Partner ist derzeit an der Abendschule und macht dort sein Fachabitur. Eine Ausbildung hat er noch nicht absolviert. Auf meine Nachfrage ob er nach dem Fachabitur vielleicht eine Ausbildung anstrebe kam es dann zu unterschiedlichen Meinungen. Er möchte auf keinen Fall eine Ausbildung machen, weil er später nicht nur arbeiten gehen möchte um die Miete zu zahlen. Ich hingegen finde eine Ausbildung sinnvoll, auch wenn ich vielleicht nach der Ausbildung nicht in dem Beruf arbeiten möchte.

Heutzutage braucht doch jeder eine Ausbildung, um überhaupt einen vernünftigen Job zu finden. Eine Ausbildung ist für mich eine Sicherheit. Er weiß nicht einmal genau was er nach dem Fachabitur machen möchte. Sein Ziel in den nächsten 2 Jahren einen Haufen Geld an die Seite zu packen ist meiner Meinung nach ziemlich hochgesteckt und sehr weit von der Realität entfernt. Jedoch glaube ich dass es Menschen wie ihn gibt, die tatsächlich mehr erreichen können als manch andere Menschen. Er kann ziemlich gut mit Geld umgehen, aber dadurch das er noch bei seinen Eltern wohnt hat er nie gelernt mit beiden Beinen mitten im Leben zu stehen und für alles selbst verantwortlich zu sein.

Bisher hat mein Partner noch nicht in die Kassen eingezahlt, da die Beschäftigungen die er bisher ausgeübt hat immer geringfügig gewesen sind. Neben der Schule übt er derzeit einen 450,00 Euro Job aus den er derzeit nicht einmal voll ausschöpfen kann, weil nicht genug Aufträge da sind. Ich an seiner Stelle hätte mir schon lange eine andere Beschäftigung gesucht, um auch auf meine vollen 450,00 Euro im Monat zu kommen. Er hingegen hält weiterhin an dieser Beschäftigung fest, obwohl er dort auch nicht gut behandelt wird.

Ich würde nicht behaupten dass er faul ist. Ganz im Gegenteil finde ich seine Ansicht sogar extrem gut, denn wer möchte schon arbeiten gehen nur um die Miete und andere Lebensunterhaltungskosten zu decken und keinen Cent mehr für sich zu haben. Bei dem Thema redet er auch oft von der Versklavung der Arbeitnehmer. Eine Ausbildung ist für mich persönlich aber die Vorraussetzung im besten Fall eben nicht nachher in einem Beruf tätig zu sein bei dem ich so wenig Geld verdiene und für mich persönlich nichts mehr übrig bleibt.

Wenn er nicht den ultimativen Plan für die Zukunft hat, dann weiß ich nicht so recht wie der Rest seines Lebens aussehen wird. Was sagt ihr ganz allgemein dazu?

» VNESS18 » Beiträge: 66 » Talkpoints: 36,19 »



Man muss ja nicht sofort einen super Plan haben und man muss ja auch nicht sofort eine Ausbildung machen. Letztendlich wird er auch noch später eine Ausbildung machen können. Wenn er nicht nur Fachabitur machen würde, könnte er auch an einer Universität studieren, sonst kann er nur innerhalb der Fachrichtung studieren. Das wäre noch mal eine bessere Grundlage.

Wobei ich ihm dazu raten würde ganz allgemein mal zu checken, was ihm gefällt und was nicht. So richtig scheint er einfach noch keinen Plan zu haben wo er sich in ein paar Jahren sieht und behütet von den Eltern ist es auch immer ein bisschen schwer im harten Leben anzukommen.

Ich würde das alles nicht zu Ernst nehmen. Er wohnt eben noch bei Mama und Papa und hat daher ein bisschen eine andere Sicht als jemand, der jeden Monat wirklich Kosten hat. Vielleicht will er später dann ja auch etwas ganz anderes machen. Du solltest dennoch von ihm fordern eine Richtung zu finden, weil er sonst nur Zeit verschwendet.

Generell finde ich, dass es erstrebenswert ist, wenn man einfach nur glücklich im Leben ist. Wenn er also erst mal ein bisschen durch das Leben geht und nicht so recht weiß, was er will ist es ja auch in Ordnung. Er wird seinen Weg schon finden. Natürlich ist es auch so, dass es wirklich mies bezahlte Jobs gibt und Jobs, in denen man nur mit Ausbildung arbeiten kann, aber wie gesagt, ich denke dass er seinen Weg schon gehen wird.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Ich denke dein Freund ist noch sehr naiv. Wenn er meint, dass er direkt nach dem Studium eine gut bezahlte Anstellung finden wird, dann kann er sich das ganze einmal aus dem Kopf schlagen. Diese Stellung muss man sich erst erarbeiten und das Gehalt steigt auch erst mit der Berufserfahrung. Somit ist es vollkommen egal, ob man eine Ausbildung direkt nach der Schule absolviert und direkt Geld verdient, oder man erst Jahrelang die Uni drückt um dann etwas zu verdienen.

Bis derjenige mit seinem Studium die Erfahrungsstufe erreicht die jemand mit einer Ausbildung hat, dauert es eine Zeit lang. Somit ist erst einmal der mit der Ausbildung finanziell besser gestellt, als derjenige mit dem Studium und seinen Nebenjob. Später relativiert sich das wieder, wenn entsprechende Berufserfahrung vorgewiesen werden kann aber auch der mit der Ausbildung kann sich in dieser Zeit weiter gebildet haben und entsprechend mehr verdienen.

Ich sag es dir ganz ehrlich, die Ärzte die hier nach dem Studium in der Klinik anfangen, bekommen hier ca. 1400 Netto bezahlt. Das gleiche habe ich bekommen, nachdem ich nur zwei Jahre Ausbildung durchlaufen habe und nicht erst 5 Jahre studieren musste. Somit habe ich bereits drei Jahre Vorsprung was ca. 100.000 Euro Einkommen ausmacht. Bis ein Assistenzarzt mehr verdient als ich mit meiner Berufserfahrung, vergehen weitere 5 Jahre wenn er angestellt in dieser Klinik bleibt.

Dein Partner mag zwar mit Geld umgehen können, aber das Verständnis fehlt ihm offenbar dafür. Denn er musste noch nie Miete zahlen, hat alles schön von Mama und Papa bekommen. Wäre das nicht der Fall, dann wäre er darauf angewiesen sich einen richtigen Job zu suchen und entsprechend auch einen der die vollen 450 Euro gibt und nicht nur solch einen halben Mist. Das deutet für mich eher darauf hin, dass dieser jemand es gerne bequem haben möchte und meint die Arbeitswelt wartet nur auf ihn.

Es gibt genug studierte, die hinterher keine Anstellung in ihrem Beruf finden oder sogar in eine ganz andere Sparte müssen. Dort zählen sie, obwohl sie ein Studium haben, als ungelernte Kräfte und werden entsprechend auch bezahlt. In überlaufenen Studiengebieten wie BWL sucht man hinterher ca. 4 Jahre nach einer Arbeitsstelle, auch wenn man einen sehr guten Abschluss hat. Firmen suchen mit Berufserfahrung, wer diese nicht hat der hat einfach schlechte Karten. Aus diesem Grund sollte man auch frühzeitig anfangen Berufserfahrung zu sammeln, auch neben dem Studium. Damit hat man es deutlich einfacher hinterher.

Auch kommt es immer noch darauf an, was man für persönliche Maßstäbe setzt. Wenn man natürlich eine Luxuswohnung zur Miete haben möchte, dann bezahlt man dafür mehr als wenn man sich mit einer normalen Wohnung zufrieden gibt. Auch kommt es darauf an, wo man wohnt. München, Freiburg und Co sind teuer. Wenn man im Osten wohnt und arbeitet, dann kann man mit 5000 Euro sich schon ein komplettes Haus kaufen, in den o.g. Städten reicht das für ein paar Monate Miete.

Insgesamt dein Freund hat sich zu wenig Informiert, es gibt Ausbildungsberufe die verdienen mehr als studierte Personen und vor allem beziehen diese ihr Geld früher. Somit sammeln sie schneller Rentenansprüche und können damit auch bereits früher in Rente gehen, wenn sie mit ihrer Beitragspflicht in Jahren nachgekommen sind. Auch kann man sich nebenbei weiterbilden oder auch weiterbilden lassen durch seinen Arbeitgeber, das Einkommen bleibt erhalten und steigert sich hinterher. Zudem ist die Arbeitsstelle dann auch sicher, wenn der Arbeitgeber die Weiterbildung finanziert, dann möchte er den Arbeitnehmer hinterher auch behalten.

Würde ich mein Leben zu dieser Diskussion dazu führen, dann würde dort auch gesagt werden bleibt nichts übrig nur arbeiten für Miete usw. Ich bin damit aber zufrieden und kann damit auch leben, es ist mir so um einiges lieber als wenn ich Zuhause sitzen würde und Sozialleistungen beziehen, auch wenn es dadurch etwa auf das gleiche hinaus kommen würde. Das ist aber auch meine persönliche Einstellung, dass ich für mein Geld auch richtig arbeiten gehen möchte anstatt mich von anderen auszuhalten.

Dafür nehme ich halt auch Abstriche für mich selbst in Kauf, damit ich hier die 3 Zimmer Wohnung halten kann brauche ich zwei Jobs. Könnte natürlich mit meinem Sohn auch in eine 1 Zimmer Wohnung ziehen, aber wieso sollte ich ihm das zumuten mit mir im selben Raum zu wohnen damit hinterher nur für mich Geld übrig bleibt? Da gebe ich ihm lieber seinen Freiraum und stecke zurück, wenn ich selbst etwas haben möchte dann wird darauf gespart oder eben verzichtet wenn es nicht so wichtig ist. Ich kann damit umgehen, obwohl ich aus einem gut situierten Haushalt stamme und es anders kennengelernt habe in meiner Kindheit.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



Er möchte auf keinen Fall eine Ausbildung machen, weil er später nicht nur arbeiten gehen möchte um die Miete zu zahlen

Die Frage ist, was die Alternative ist. Ohne jegliche Ausbildung wird es jedenfalls schwierig, am Ende besser da zu stehen. Die Ausbildungsvergütung ist jedenfalls kein Maßstab. Da muss man schon langfristiger denken. Wenn man ungelernter Arbeiter bleiben möchte, muss man in ein Großunternehmen rein kommen. Dort verdient man dann deutlich mehr als viele ausgebildete Menschen außerhalb solcher Unternehmen. Allerdings ist das eher Glückssache, denn man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, um einen solchen Job zu bekommen.

Wenn es jedoch auf ein Studium heraus laufen sollte, sieht das wiederum anders aus. Man kann sich dann schon Gedanken machen, in welchen Fachgebieten Geld verdient wird. Die Geisteswissenschaften fallen schon einmal heraus. Fächer wie Medizin und Jura sind wegen der langen Studiendauer sowieso nur für Idealisten geeignet. Übrig bleiben vor allem die technischen und naturwissenschaftlichen Studienfächer.

Ein Studium kann man auch als duales Studium absolvieren. Da bekommt man während des Studiums eine Ausbildungsvergütung. Viel wichtiger ist aber, dass die Übernahmechance sehr hoch ist. Gerade bei den überlaufenen Fächern wie BWL ist das sehr wichtig. Aber auch technische Studienfächer sind sehr beliebt und man bekommt auch leichter einen Studienplatz, sofern man sehr gute Noten in Mathematik und den naturwissenschaftlichen Fächern hat.

Wenn man ein duales Studium im Großunternehmen ergattert, kann das Einstiegsgehalt nach nur drei Jahren Studium bei 50000 Euro brutto liegen. Das ist dann schon eine Menge Geld für jemanden Anfang/Mitte 20. Das würde also zu den Zielen deines Partners sehr gut passen.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



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