Sind schlechte Dienstleister auch schlechte Chefs?
Eine Freundin von mir hat vor Jahren eine Ausbildung zur Arzthelferin gemacht und wurde anschließend von "ihrem" Arzt in dessen Praxis übernommen. Wirklich zufrieden ist sie dort aber nicht, sie ist eher unglücklich und kommt mit dem Betriebsklima dort nicht klar. Daher überlegt sie ernsthaft, den Arbeitsplatz zu wechseln und schaut auch regelmäßig nach Stellenangeboten.
Vor kurzem fand sie eine Stellenanzeige, wobei sie dort den Arzt googlen wollte, um ein Bild zu finden und sich so vielleicht einen ersten Eindruck zu verschaffen. Dieser Arzt hatte jedoch keine eigene Homepage, auf der seine Praxis vorgestellt wurde. Sie fand stattdessen Bewertungen von Patienten auf diversen Plattformen, bei denen er eher schlecht abgeschnitten hatte.
Diese schlechten Patientenbewertungen, in denen eine "Massenabfertigung" kritisiert wurde und dass der Arzt sich nicht wirklich Zeit für seine Patienten nehmen würde und man ihm mangelndes Interesse vorwarf, schreckten meine Freundin dann ab, bei ihm arbeiten zu wollen. Sie meint, dass ein so schlechter Dienstleister bestimmt kein besserer Chef sein kann.
Findet ihr, dass schlechte Dienstleister automatisch auch schlechtere Chefs sind? Oder übertreibt meine Freundin da etwas?
Ich glaube schon, dass sie da nicht so unrecht hat. Immerhin bekommt man bei den Kunden oder Patienten ja Geld für die Arbeit und sollte allein deswegen schon bereit sein freundlich zu sein. Wenn man aber nicht mal dann nett sein kann, wird man es sicherlich auch nicht zu seinen Angestellten sein können. Zudem klingt Massenabfertigung ja auch nicht gerade so, als würde das gut organisiert und einfach vom Ablauf her sein. Ich hätte mich da sicherlich auch nicht beworben.
Ob ein schlechter Dienstleister auch gleich ein schlechter Chef ist, ist sicher schwer zu sagen, ohne den Menschen mal gesehen zu haben. Aber ich würde schon alleine, wegen der schlechten Patientenbewertungen nicht in so einer Arztpraxis arbeiten wollen. Ich denke, aber das die Arbeitsweise des Arztes durchaus schon einen Einblick geben könnte, wie er auch menschlich ist. Daher würde ich mich dann wohl auch lieber woanders bewerben.
Ich sehe solche Arztbewertungen durchaus als Fragwürdige Quelle an. Denn jeder hat ein anderes Verständnis davon, was einen guten Arzt ausmacht. Massenabfertigigung spricht eigentlich eher dafür, dass der Arzt fachlich sehr gut ist ansonsten wäre dort nicht ein solcher Ansturm. Damit er diesem gerecht werden kann und Patienten nicht abweisen muss, hat er für den einzelnen halt nur weniger Zeit. Das wird von anderen wieder negativ aufgefasst, andere empfinden das als positiv.
Ich selbst würde mir einfach ein eigenes Bild machen gehen. Dort eine Bewerbung abgeben und alles weitere kann man im Bewerbungsgespräch sehen oder man schlägt selbst vor, dass man dort einmal einen oder ein paar Tage zur Probe arbeitet. Dann sieht man ob es einem gefällt und wie der Chef so drauf ist. Vor allem kann man sich dann auch weitere Informationen von den bereits angestellten Arzthelfern so zukommen lassen.
Alleine auf die Meinung von Patienten aus dem Internet würde ich mich nicht verlassen. Zudem man auch nicht sicher sagen kann, dass es sich dabei um reale Bewertungen handelt oder ob diese nicht "gekauft" worden sind. Auch negative Bewertungen werden für die Konkurrenz nicht ungerne gekauft, dort ist es zwar eher in der Restaurantbranche üblich aber auch bei Medizinern kann ich es mir durchaus vorstellen.
Wie ein Chef sich gegenüber Kunden benimmt, sagt wenig über seinen Umgang mit Mitarbeitern aus. In meinem "ersten" Berufsleben war ein langjähriger Arbeitgeber ein ausgezeichneter Dienstleister mit sehr zufriedenen Kunden. Die Mitarbeiter hatten da zumeist eine ganz andere Meinung.
Die fairen Arbeitsbedingungen wogen den hohen Anspruch an die Qualität und die die immense Arbeitsbelastung nicht auf. Wer den Kunden keine optimale Fassade zeigte, wurde sofort ins Sprechzimmer beordert und zusammengestaucht. Außerdem war der Chef menschlich schwierig. Wer ein Händchen für die Arbeit hatte, der hatte einen tollen, aber stressigen Job. Aber genügend Mitarbeiter waren unzufrieden, hatten Weinkrämpfe und Magengeschwüre.
Ein anderer Chef von mir war ein gruseliger Dienstleister. Kunden waren nicht sein Kerngeschäft, er fand die eher lästig. Entsprechend "gut" war der Service. Als Chef war der Mann ein Traum. Gute Bezahlung, hohe Flexibilität und viel Unterstützung waren eine Selbstverständlichkeit.
Ich denke auch, dass man das so allgemein nicht sagen kann, dass ein schlechter Dienstleister auch automatisch ein schlechter Chef ist. Auch diese Bewertungen bei den Portalen sehe ich eher kritisch. Sicher kann es sein, dass der Arzt zu viele Patienten angenommen hat und sich dadurch nicht die Zeit für jeden einzelnen nehmen kann, die er vielleicht bräuchte. Aber das bedeutet doch nicht automatisch, dass er ein schlechter Chef ist.
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