Vertriebenenliste von 1946 online mit Datenschutz vereinbar?

vom 08.09.2013, 20:54 Uhr

Ich beschäftige mich im Moment ein wenig mit meinen Vorfahren, weil eine mysteriöse Erbschaft ansteht. Beim Surfen bin ich auf eine Transportliste gestoßen, in der die Vertriebenen aus dem Sudentenland samt Waggonnummer des Zuges, mit dem sie damals ausgereist sind, namentlich erwähnt sind. Ich habe tatsächlich meinen Opa, meine Oma, meine zwei Onkel und die Ehefrau des einen gefunden. Mein Vater war nicht dabei, weil er zu dieser Zeit in russischer Gefangenschaft war. Es war ein merkwürdiges Gefühl, die Namen zu lesen. Die Berufe waren auch aufgeführt. Mein Opa saß in einem anderen Waggons als der Rest der Familie.

Ich fand es toll, dass ich meine Vorfahren so schwarz auf weiß sah und habe mich ihnen plötzlich ziemlich nah gefühlt. Ich habe dann weiter gesurft und ein Tagebuch eines im Zug Mitreisenden gefunden und war ihnen dadurch noch näher. Jeder durfte 50 kg mitnehmen. Meine Verwandten haben dann in Thüringen als Entschädigung ein schönes Haus bekommen.

Ich frage mich nun, ob es mit dem Datenschutz vereinbar ist, solche Listen im Internet zu veröffentlichen. Mein Vater, meine Onkel und meine Großeltern sind zwar schon gestorben, aber es gibt ja sicher auch noch Überlebende.Müsste man die nicht vorher fragen, bevor sie mit Namen und Beruf im Internet veröffentlicht werden? Oder zählt das zu Zeitzeugnissen, mit denen man einverstanden sein muss?

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Das ist ein interessantes und ziemlich komplexes Thema, dessen Fragen ich mir auch schon gestellt habe. Meines Wissens nach gibt es in manchen Bundesländern seit den achtziger Jahren so etwas wie "Forschungsklauseln", die das Datenschutzgesetz in berechtigten Fällen eines übergeordneten historischen Interesses für Forscher aushebeln. Ob und inwieweit solche Listen darunter fallen, ist mir nicht so wirklich klar geworden bis heute.

Allerdings denke ich, dass das Interesse der Bevölkerung an diesen Listen speziell in den vierziger und fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts so hoch war, dass kaum jemand sich darüber aufgeregt hätte. Andererseits ist es dir selbst nicht gestattet, die Daten von noch lebenden Personen auf einer eigenen Seite hochzuladen, auch nicht, wenn du sie vorher in wissenschaftlichen oder historischen Dokumenten gefunden hast, da hat es tatsächlich schon Klagen gegeben, denen der Bundesgerichtshof stattgegeben hat.

Bei toten Personen gilt eine Regelung bis zu zehn Jahre nach dem Tod bzw. bei noch lebenden Personen 90 Jahre nach der Geburt. Wie man sieht, ein ziemlich verwirrendes und komplexes Thema. Aus genealogischer Sicht bin ich durchaus etwas neidisch auf deine Entdeckung, da hast du einen tollen Fang gemacht mit dem Entdecken der Liste.

Ich selbst habe mal online eine Liste gefunden, wo ich entdeckte, dass im Eigenheim meiner Großeltern jüdische Menschen wohnten, die Anfang der vierziger Jahre in die Konzentrationslager im Osten deportiert wurden und dort ziemlich sicher ums Leben kamen. Ein Aspekt, den mir so niemals jemand erzählte hatte, daher umso spannender.

» Verbena » Beiträge: 4982 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


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