Nur so viel arbeiten, wie man zum Leben braucht?
Mein Freund hat einen sehr gut bezahlten Job als freier Mitarbeiter. Er arbeitet nur um die 20 Stunden die Woche und kommt mit dem Geld gut über die Runden. Sein Chef hat ihm kürzlich angeboten, im Unternehmen "richtig" einzusteigen und auf eine 35-Stunden-Woche aufzustocken. Mein Freund hat das abgelehnt, weil er der Meinung ist, solange er noch jung sei, bräuchte er sich ja nicht zu überarbeiten.
Als Hauptgrund dafür nannte er mir, dass er zu wenig verdient, um als Selbstständiger Steuern zu zahlen. Würde er mehr arbeiten, würde eine Einkommenssteuer erhoben und daher sei es sinnlos für ihn, so viel zu arbeiten.
Findet ihr es üblich, wenig zu arbeiten, wenn ihr mit dem Verdienst klarkommt? Auch wenn ich durch eine 20-Stunden-Woche schon auf meine 2000 Euro Netto im Monat käme, würde ich eine 35 oder 40-Stunden-Woche niemals ablehnen, schließlich muss man sich auch irgendwie um seine Rente kümmern und etwas ansparen.
Wie kommt man auf 2.000 Euro netto monatlich, ohne Einkommensteuer zu bezahlen? Das sind 24.000 Euro jährlich und damit das Dreifache des Grundfreibetrags. Wenn nach Betriebsausgaben, Versicherungen, etc. noch 2.000 bleiben, fällt auch Steuer an.
Warum sollte man den generell mehr arbeiten als man muss. Ich arbeite mittlerweile auch möglichst nicht mehr als an drei Tagen pro Woche für vier bis sechs Stunden. Mehr kommt immer nur dann zustande, wenn ich muss, weil die Aufträge so sind. Damit komme ich gut aus und ansonsten genieße ich mein Leben. Ich habe lange genug viel gearbeitet.
cooper75 hat geschrieben:Wie kommt man auf 2.000 Euro netto monatlich, ohne Einkommensteuer zu bezahlen? Das sind 24.000 Euro jährlich und damit das Dreifache des Grundfreibetrags. Wenn nach Betriebsausgaben, Versicherungen, etc. noch 2.000 bleiben, fällt auch Steuer an.
Das war vielleicht missverständlich ausgedrückt, aber ich habe damit nicht gemeint, dass er monatlich auf 2000 Euro netto kommt, sondern habe nur eine Zahl in den Raum geworfen, um mein Problem zu verdeutlichen. Sprich, man kommt beispielsweise mit 2000 Euro im Monat klar und arbeitet deswegen wenig - obwohl man die Möglichkeit hätte, auch mehr Geld zu verdienen.
Wo würdest du denn die Grenze ziehen, wann man aufhören kann, mehr zu verdienen? Denn wenn du 7.000 Euro monatlich anschleppen würdest, dann ist das nach kurzer Zeit auch nicht mehr viel. Wenn du im Strudel von mehr und mehr bist, dann wird es nie genug.
Ich habe mal eine Reportage über Menschen gesehen, die wirklich "arbeiten, um zu leben" und nicht "leben, um zu arbeiten". Dieser Lebensentwurf ist natürlich an gewisse Opfer gebunden. Eine Frau zum Beispiel hat nur drei Monate im Jahr als Urlaubsvertretung für ein Krankenhaus gearbeitet und den Rest der Zeit nach ihrem Gutdünken gestaltet. Dafür war sie aber auch alleinstehend und hat in einer (zugegebenermaßen höchst gemütlichen) umgebauten Garage gelebt, die sie samt Grundstück geerbt hatte. Fragen wie Rente und dergleichen erübrigen sich natürlich, aber wer so bescheiden lebt, müsste demzufolge auch mit der staatlichen Grundsicherung klarkommen.
Aber das ist natürlich ein Extrembeispiel. Zudem finde ich es schwer zu definieren, wie viel man zum Leben braucht. Der eine mietet sich ein möbliertes Zimmer, kellnert zum Lebensunterhalt und verfolgt hauptsächlich seinen Traum, als Künstler zu arbeiten. Für jemand anderen ist ein Leben ohne Auto, regelmäßigen Shopping-Trips und zweimal im Jahr Urlaub im Ausland gar nicht lebenswert, weswegen die Arbeit natürlich hohe Priorität genießt.
Ich selber bin auch eher der "arbeite, um zu leben"-Typ, möchte aber dennoch nicht auf gewisse Bequemlichkeiten verzichten. Auch eine Familiengründung ist noch nicht völlig vom Tisch, und die Verdienstmöglichkeiten in meinem Metier sind ebenfalls nicht gerade glänzend. Deswegen wird mir der Vollzeitjob wohl noch eine Zeitlang erhalten bleiben. Wäre ich jedoch nur für mich allein verantwortlich, würde ich es mir zumindest sehr stark überlegen, meinen Haushalt so zu verkleinern, dass ich auch mit Teilzeit- oder freiberuflicher Arbeit über die Runden käme.
Über die Rente mache ich mir sowieso keine Gedanken. Wer weiß, was in 30 oder 40 Jahren alles passiert ist, und ich teile die Ansicht durchaus, dass es wünschenswert ist, schon vor dem Ruhestand ein bisschen was vom Leben zu haben und nicht nur auf den Feierabend und auf Freitag zu warten. So lange leben wir nämlich gar nicht, dass wir guten Gewissens ein paar Jahrzehnte für den Broterwerb verpulvern können.
Ich finde auch, dass es nicht einfach ist, für sich selber oder auch für andere zu definieren, was sie zum Leben brauchen. Ich arbeite zum Glück gerne in meinem Beruf und übe diesen auch in Vollzeit aus. Sicher könnte ich vielleicht etwas weniger arbeiten und hätte noch immer genug zum Leben, aber ich kann hier ehrlich gesagt die Meinung deines Freundes nicht verstehen, dass er sich ja nicht überarbeiten muss, solange er noch jung ist.
Gerade in jungen Jahren kann man doch noch arbeiten. In manchen Berufen kann man später nicht mehr so gut viel arbeiten und darum sollte man sich auch Gedanken machen. Ich finde es auch wichtig, dass man eben nicht nur gerade so durchkommt, wenn das anders möglich ist. Wenn ich mehr arbeiten könnte, dann würde ich das auch tun, um mir eben auch ein Polster für später ansparen zu können und nicht so viel Angst vor Altersarmut haben zu müssen.
Im Prinzip kann ich diese Herangehensweise sehr gut verstehen. Man kann auch mit sehr wenig Geld klar kommen, wenn man möchte. Wenn man genug Geld zum leben hat und seine Zeit lieber für etwas anderes verwenden möchte, ist das völlig in Ordnung.
Natürlich muss man dabei aber auch an schlechte Zeiten denken. Die kommen spätestens im Alter, wenn man irgendwann nicht mehr arbeiten kann. Dafür muss man vorgesorgt haben. Als Selbstständiger muss man sich üblicherweise zu 100% selbst darum kümmern. Man könnte es zwar darauf anlegen, im Alter nur von Sozialhilfe zu leben.
Wenn man mit so wenig Geld auskommt, könnte das funktionieren. Aber wer weiß, wie die staatliche Unterstützung in 30 oder 40 Jahren aussieht? Ich persönlich würde mich damit überhaupt nicht wohlfühlen, es darauf anzulegen, eine Leistung zu erhalten, ohne die Gegenleistung geliefert zu haben.
Ich persönliche bevorzuge sowieso eine andere Variante. Ein Vollzeitjob mit 35 bis 40 Stunden und einige Wochen Urlaub lässt eigentlich genug Spielraum für Freizeit. Das gilt besonders, wenn man den Arbeitsort in einem gewissen Rahmen selbst bestimmen kann. Wenn man so gut ist, dass man schon angeboten bekommen, deutlich mehr zu arbeiten, dann kann man das sicherlich als Kompromiss ausarbeiten.
Das Entscheidende ist, dass der Job "Spaß" machen muss, also motivierend ist. Dann ist es auch keine verschwendete Zeit. Für viele Menschen ist der Job sogar eine Möglichkeit zur Selbstverwirklichung. Dann muss man sich gar nicht die Frage stellen, ob man nur so viel arbeitet wie nötig. Man arbeitet eben dann so viel, dass man für andere Tätigkeiten auch noch genügend Zeit hat.
Das überschüssige Geld kann man anlegen und damit Reserven schaffen, falls man irgendwann das Interesse an seinem Job verliert. Dann kann man doch wieder die Stunden reduzieren, hat aber im besten Fall noch ein zusätzliches Einkommen, welches die Zahl der benötigten Arbeitsstunden reduziert. Es gibt Leute, die diese Zahl noch weit vor der Rente auf null senken, also nie mehr für Geld arbeiten müssen.
Ich arbeite derzeit ungefähr 36 Stunden in der Woche und dazu käme dann noch die Nebenbei-Was-Selbstständig-Machereri. Wobei ich vieles für die Selbstständigkeit nebenbei auf Arbeit mache. Aber mir macht das nicht so viel Freude, mir ist das zu viel. Ich habe irgendwie den Eindruck, dass ich so viel auf Arbeit hocke und das Leben an mir vorbeigeht.
Man hat ja auch gar keine Zeit, mal private Termine abzuarbeiten. Wenn ich beispielsweise meinen Wagen in die Werkstatt bringen oder zu einer Behöre gehen will, da muss ich dann entweder meine Pause nehmen oder das halb heimlich in der Arbeitszeit machen, in der Hoffnung, dass es keiner merkt.
Mir wäre es viel lieber, wenn ich nur zwei oder drei Tage in der Woche arbeiten müsste. Dann müsste ich nicht immer so früh raus, dann hätte ich mehr Zeit für andere Dinge und dann hätte ich vielleicht auch mehr Freude an der Arbeit.
Ich verbrauche von dem, was ich verdiene, nur etwa 1/4 bis 1/3. Der Rest wird gespart oder derzeit in Garagen investiert, die ich zwecks Kapitalanlage vermiete. Und ich habe schon mal ausgerechnet, dass ich eigentlich von den aktuellen Mieteinnahmen die Woche über leben könnte. Das reicht noch nicht für meine sonstigen Kosten, aber für Sprit und Essen würde es reichen.
Und irgendwann werden die Mieteinnahmen vielleicht dafür reichen, dass ich meine Selbstständigkeit deutlich herunterfahren kann oder dass ich einen Nebenjob sausen lassen kann. Wobei ich aber auch bestrebt bin, monatlich auf eine gewisse Summe zu kommen. Nicht, weil ich die unbedingt brauche, aber weil ich mich besser damit fühle, wenn ich diese Sicherheit habe. Aber wenn ich die gleiche Zahl mit weniger Arbeit erreiche, dann ist mir das sehr recht.
Ich lese immer wieder davon, dass mittlerweile ein Wandel stattfinden soll und dass die Millenials, also Generation Y, mehr Wert auf die Work-Life-Balance legen soll und eher arbeitet, um zu leben und nicht lebt um zu arbeiten wie die Generation davor. Wie extrem sich das äußern kann ist natürlich jedem selbst überlassen. Manche wollen vielleicht wirklich so knapp kalkulieren, dass sie keine Ersparnisse ansammeln können, andere arbeiten mehr und bilden dafür ausreichend Rücklagen.
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