Tochter meint Mama freue sich, dass Papa tod sei

In meine Familie geht es oftmals heiß her und wir haben die letzten drei Jahre viele Menschen verloren. Auch meine Onkel sind verstorben und meine Cousinen drehen seither regelmäßig am Rad. Sie kommen mit dem Tod nicht klar und jeder reagiert bekanntlich auch anders, sodass hier kein Pauschalrezept möglich ist.

Leider werden jetzt von einer meiner Cousinen Vorteile laut, die sich gegen meine Tante richten. Meine Tante trauert eben anders, sehr in sich gekehrt und war nie der Gefühlsmensch. Sie hat aber auf der Beerdigung und die ganze Zeit davor sowie nach dem Tod geweint. Sie isst auch nicht mehr viel und nahm 10 Kilo seither ab, sodass ich ihr niemals unterstellen würde, dass sie froh über den Tod meines Onkels und ihrem Mannes sei.

Jetzt, weil meine Tante nicht täglich weint wird ihr unterstellt, dass sie praktisch froh sei, dass der Mann tot ist. Sie hat ihre Wohnung komplett neu renoviert, um etwas an den bösartigen Erinnerungen los zu werden, weil es für sie Ballast ist, aber auch das wird als Freude über den Tod gesehen. Irgendwie kann meine Tante nichts richtig machen, obwohl ich sehr wohl sehe, dass sie trauert.

Mir platzt allerdings als Cousine so langsam der Hals, das gebe ich zu! Deswegen wollte ich Euch gerne mal fragen, wie Ihr diese Situation beurteilt und was ihr denkt, was diese Vorwürfe sollen? Soll ich als Cousine etwas sagen oder muss ich tatenlos mit ansehen, wie man meiner Tante noch mehr zusetzt?

Ich finde, dass deine Tante eigentlich genau wie im Bilderbuch trauert. Sie hat geweint und möchte nun diese Trauer überwinden und nach vorne sehen. Das ist doch perfekt. Sicherlich geht es ihr innen drinnen deswegen aber trotzdem noch nicht besser. An deiner Stelle würde ich also mal mit den Kindern von ihr reden und diese mal zurechtweisen.

Es kann nicht sein, dass man der Mama so einen Vorwurf macht und dann auch noch bestimmen möchte, wie die Frau zu trauern hat. Du solltest ihnen klarmachen, dass es nicht nur eine Art zu trauern gibt und sie auch ihre Mama verlieren, wenn diese sich in der Trauer verliert. Ich wünsche dir zudem, dass du die Kraft hast das alles so durch zu stehen. Es kommen auch wieder bessere Zeiten.

Es gibt Menschen, die finden immer ein Haar in der Suppe und denen kann man wirklich nichts recht machen, egal wie sehr man sich bemüht. In einem anderen Thema hieß es ja auch, dass manche Menschen Effizienz mit Faulheit gleichsetzen und dass effizientes Arbeiten nicht gut bei ihnen ankommt.

Genauso ist es mit Trauer. Warum will man anderen Menschen indirekt vorschreiben wie sie zu trauern haben? Jeder hat seinen eigenen Weg und muss selbst damit fertig werden. Nur weil es mir hilft, 3 Monate in der Ecke zu sitzen, mich mit Eis vollzustopfen und wie ein Schloßhund zu weinen muss es doch nicht jedem so gehen.

Ich finde es gut, wenn man gewisse Zeit trauert und auch öffentlich weint, wie bei der Beerdigung, aber sich nicht zu sehr in seiner Trauer vergräbt, sondern auch die Energie aufbringt, weiter zu machen. Es gibt ja auch Menschen, die trauern so dermaßen, wenn der Partner stirbt, dass sie den Lebensmut komplett verlieren, depressiv werden und sogar Suizid ernsthaft in Erwägung ziehen. Ich finde es also gut, dass deine Tante sich nicht zu sehr hängen lässt, sondern noch die Kraft findet, weiterzumachen. Vielleicht ist sie es aber auch Leid, dass sie ständig bemitleidet wird von anderen.

Ja, ich finde es auch brutal, wie mit meiner Tante umgegangen wird. Die beiden Cousinen von mir waren immer etwas, nun ja sonderbar. Sie waren sehr verzogen, die Welt drehte sich um sie, meine Tante hat sich den Arsch für sie im wahrsten Sinne des Wortes aufgerissen und jetzt ist sie eben in sich gekehrt.

Ihre Art zu trauern mag nicht jedermann zu sagen, aber ich würde ihr niemals unterstellen, dass sie nicht trauert. Ich meine, sie hat circa zehn Kilogramm an Gewicht verloren und das bestimmt nicht, weil es ihr so gut geht. Das dachte ich eigentlich, sollte den logischen Menschenverstand erklären.

Meine Tante wollte längst renovieren, aber durch die Krankheit meines Onkels (Krebs) blieb das auf der Strecke. Sie hat ihn immerhin gepflegt von morgens bis abends. Gewaschen, geputzt, ihm Essen gemacht, zur Chemo gefahren usw. Da waren meine Cousinen seltsamerweise kaum da, weil der Anblick ja so schrecklich grausam war.

Jetzt kommen sie eben mit den Vorwürfen daher. Muss dazu sagen, die Ehe war nie perfekt und typisch altmodisch nach dem Motto, erste Mal verheiratet bis ans Lebensende. Wie es eben in den 30 bis 40er Jahren war. Doch Treue war kein Thema von seiner Seite, Schläge waren da und regelmäßige Beschimpfungen. Vorzeigeehe war nie da.

Ändert jedoch nichts daran, dass ich es schon empfinde, dass meine Tante trauert, weil sie neben dem Gewichtsverlust auch verschlossen ist. Sie spricht kaum, lachen habe ich sie seither nicht einmal gesehen. Sie zittert viel, weil der Körper nach Kräfte ringt.

Ich musste mich bei dem Vorwurf, während mein Freund dabei war, wirklich bremsen, dass ich einer meiner beiden Cousinen nicht eine saftige Ohrlasche verteile. Ja, entschuldigt. Ich weiß, dass es nicht die feine Englische Art ist, aber irgendwie hatte ich das große Verlangen, der eine zu pfeffern, aber es nicht getan.

Mein Freund meinte zu mir, seinem Bruder hätte er direkt was vor die Schnauze gehauen, da macht er keinen Reibach raus. Er empfand es als anmaßend, unangenehm, hoch traurig usw. Vor allem weil meine Tante diesen Satz auch reaktionslos entgegen nahm ohne Widerspruch, sich zu wehren usw. Sie ist etwas abwesend, das merkt man.

@Ramones danke für Deine Lieben Worte. Ja in Moment ist es hier ein Sterben, wie die Fliegen. Komische Zeit, aber ich werde es schaffen. Danke Dir für die süßen und lieben Worte.