Wird die EU durch den "Notanker" Türkei erpressbar?

vom 10.02.2016, 15:11 Uhr

Mittlerweile ist es für jeden von Euch kein Geheimnis mehr, dass die Türkei als letzter Notanker in der Flüchtlingskrise hilfreich sein kann. Die Türkei alleine hat bereits einige Flüchtlinge im Land, die jedoch katastrophale Bedingungen vorfinden, weil es auch dort mittlerweile an Essen/Trinken & Co mangelt. Deswegen bekommt Erdogan unter anderem finanzielle Hilfe von 2-3 Milliarden Euro sei bisher die Rede.

Doch immer mehr Unmut wird offen, weil der "Türke" Erdogan, der für seine spitze Zunge, seinen Forderungen und "Erpressungsversuchen" längst bekannt ist. Wirklich diplomatisch löst er vieles eben nicht, was viele türkische Medien bereits längst prophezeien. Er weiß seine Macht und seine Situation offensichtlich gekonnt zu nutzen und scheint auch die EU auf Trapp zu halten, wie man beispielsweise in dieser Quelle sehen kann.

Ich habe eine befreundete Familie aus der Türkei mit der ich wöchentlich zu tun habe. Sie haben nämlich eine Döneria, wo ich auch regelmäßig bin. Dort unterhalten wir uns natürlich über Geschehnisse in Deutschland und in der Türkei. Diese Familie ist wirklich erschrocken, dass man Erdogan überhaupt ins solche Gespräche involviert, weil er ein Tyrann ist, so deren Wortlaut. Derweil ist diese Familie sogar soweit gegangen, dass sie sagt, wie viele Türken auch, das Erdogan sich früher oder später damit in die EU erpressen will. Er fordere immer mehr Geld, mit Sprachrecht, Drohungen etc.

Jetzt frage ich einfach mal so in die Runde, wie ihr im Moment den Erdogan seht. Glaubt ihr, dass wir aufgrund dessen, dass man den Flüchtlingsstrom zu uns mildern möchte, angreifbar beziehungsweise erpressbarer für die Türkei sind? Was könnte passieren, was glaubt ihr wird passieren und wie soll das weitergehen?

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Ich sage nicht, dass es richtig ist, was Erdogan tut. Aber wenn er schlau ist, dann setzt er die Flüchtlinge als Druckmittel gegen die EU ein, damit die Türkei in die EU aufgenommen wird oder Visa-Erleichterungen für die Türken durchgesetzt werden. Jeder "gute" Staatsführer würde das tun. Wir dürfen nicht vergessen, dass es hier nur um die Interessen des eigenen Landes geht und nicht um das Allgemeinwohl.

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Da hast Du vollkommen recht. Ich würde das wahrscheinlich an Erdogans Stelle nicht anders tun. Darüber denke ich, sind wir uns einig. Es war mir eben auch klar, dass er seine aktuelle Position auch ausnutzen würde und das mit Bedacht auch gut tun kann. Immerhin ist er als "Notanker" bereits tätig und kann einen erheblichen Einfluss darauf nehmen, was mit Flüchtlingen passiert, die dort in der Türkei sind, denn er drohte ja wohl in einem internen Gespräch, gerne auch die Grenzen zu öffnen.

Ich würde genau so reagieren, wie er. Denn er verfolgt andere Interessen und das ist auch klar. Doch wie sieht es mit der EU aus, war es ein Fehler ihm so viel Machtpositionen auszuschütten, weil er das jetzt gekonnt nutzen wird oder blieb der EU wirklich keine Wahl, weil Merkel ja absolut nicht die Grenzen richtig kontrollieren will etc? Musste man es wirklich so weit kommen lassen, dass man der Türkei soviel Verhandlungsspielraum liefert, dass man erpressbar ist?

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Ich kapiere auch nicht, warum die EU das mit sich machen lässt. Ich finde, dass sein Verhalten definitiv vorhersehbar war. Ich meine, versetzen wir uns mal in seine Lage. Die Türkei versucht schon seit sehr vielen Jahren, Mitglied der EU zu werden oder bestimmte Privilegien in Bezug auf Visa etc. rauszuhandeln.

Was passiert? Die Türkei wird jedes Mal von der EU vertröstet, während anderen Ländern einfach so der Vortritt gelassen wird. Ich würde mir an Erdogans Stelle auch ziemlich veräppelt vorkommen und die EU dann mal so richtig an der Nase herumführen, als "Rache" quasi.

Manchmal kommen mir die Politiker der EU ein bisschen sehr naiv vor. Ich meine, vielleicht glauben die tatsächlich an das Gute im Menschen und lassen Erdogan deswegen so frei gewähren und lassen keine Konsequenzen folgen. Aber vielleicht muss man auch erst Politiker sein, um das ganze zu kapieren.

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich schätze, dass es Erdogan nur um seine eigenen Interessen geht, weder um die der eigenen Landsleute, noch um das Wohl der Flüchtlinge. Er sieht nur ein Ziel: „Seines“.

Ein Ausspruch von Erdogan war 1994 bezüglich der EU: Eine Vereinigung der Christen, in der die Türken nichts zu suchen hätten. Er bezeichnete sich auch selbst als Anhänger der Scharia und gehörte der Wohlfahrtspartei an. Vorgeworfen wurden ihr die Einführung der Scharia und Sympathien zum Dschihad. Das ließ sich nicht mit dem Laizismus vereinbaren. Erdogan wechselte in die nachfolgende Partei. 1998 bekam er zehn Monate Gefängnis und Politikverbot lebenslang wegen Missbrauchs von Grundrechten und -freiheiten. Diesen Missbrauch übt er heute noch aus.

Mit den Beitrittsverhandlungen zur EU 2009/2010 bezweckte er etwas anderes. Der Spiegel schreibt hier, dass es um religiöse Freiheiten ging und darum, die Justiz und das Militär zurückzudrängen. Ich kann mich noch an die Hetzrede vor einigen Jahren in Köln erinnern, in der Erdogan versuchte, die türkischen Immigranten in Deutschland gegen unser Land aufzuwiegeln. Unter anderem sagte er: „Assimilation ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“ Durch seine Forderungen waren auch viele Politiker missgestimmt.

Unter dem Despoten Erdogan gibt es keine Meinungsfreiheit in der Türkei. Er ist der Meinung, dass der Islam für Frauen die Mutterrolle vorgesehen hat, mehr nicht. Wer gegen ihn etwas sagt, muss mit Strafe rechnen.

Natürlich versucht Erdogan Deutschland und auch die EU zu erpressen. Ich hoffe nur, dass einige Politiker diesen Drohungen etwas entgegen zu setzen haben und sich nicht von ihm gängeln lassen. Das Gefühl habe ich langsam. Ob er wirklich so gierig darauf ist, in die EU zu kommen, wo das mit seiner Gesinnung doch nicht vereinbar ist, ich weiß es nicht.

Wenn sich die EU nicht erpressen lassen würde und stopp sagt, kann ich nicht glauben, dass Erdogan die Grenzen öffnet und später die Kritik der überwiegenden Länder und Sanktionen einstecken muss. Es könnte viele Tote unter den Flüchtlingen geben. Denn durch die karge Ernährung in der Türkei sind viele geschwächt und die Strapazen einer erneuten Flucht wären zu viel für sie. Das würde dann auf Erdogan zurückfallen.

Wie ich das so lese, denken einige hier genau wie Erdogan und würden die Flüchtlinge auch als Druckmittel einsetzen. Aber trotzdem glaube ich nicht, dass er mit diesem Druckmittel in die EU will.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


Die Türkei hat meines Wissens nach bis zu 2 Millionen Menschen aufgenommen und dafür bisher kaum Geld erhalten. Die Unterbringung ist sicher nicht so luxuriös wie bei uns, aber verhungern tun die Menschen dort eben auch nicht gerade. Auch Österreich hat Geld für Flüchtlinge von der EU gefordert! Griechenland bekommt meines Wissens nach auch Sonderkonditionen und viele osteuropäische Staaten weigern sich, überhaupt Flüchtlinge aufzunehmen.

Ich bin mit der Politik von Erdogan überhaupt nicht zufrieden, was allerdings von allem an der aktuellen Kurdenpolitik liegt. 1994 hat Russland der Ukraine meines Wissens nach eine Unversehrtheit ihrer Grenzen bei einer vollständigen Abgabe aller Atomwaffen versprochen aber da scheint man auch seine Meinung geändert zu haben.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


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