Gnade für Missbrauchsopfer, das Täter erschießt

vom 31.01.2016, 15:58 Uhr

In Frankreich wird derzeit wohl heftig darüber diskutiert, ob Präsident Hollande eine Frau begnadigen soll, die ihren Mann getötet hat. Sie war mit dem Mann knapp 50 Jahre lang verheiratet und wurde oft geschlagen. Ebenso wie ihre drei Töchter, die wohl auch sexuell missbraucht wurden. Eines Tages hat sie ihn dann von hinten mit seinem Jagdgewehr erschossen.

Ein uraltes Gesetz aus Zeiten der Monarchie erlaubt es dem französischen Präsidenten in Ausnahmefällen Gnade walten zu lassen. Er könnte die Frau einfach so begnadigen, obwohl sie von einem Gericht zu 10 Jahren Haft verurteilt wurde.

Die Frage ist, ob das moralisch in Ordnung wäre. Eine Petition hat wohl schon über 40.000 Unterschriften und einige Abgeordnete wollen eine Gesetzesänderung. Demnach solle es auch als Selbstverteidigung gelten, wenn eine Frau, die jahrelang misshandelt wurde, nicht unmittelbar in einer bedrohlichen Situation handelt.

Mir ist schon klar, dass eine Frau, die so einen Mann abbekommt, in eine psychische Abhängigkeit gerät. Dass es nicht so leicht ist, wie es klingt, ihn zu verlassen. Dass es wirklich furchtbar ist, dass sie das so viele Jahre erleiden musste. Dass ihr Mann wirklich ein schrecklicher Mensch war. Dennoch ist es für mich Mord. Sie hätte andere Möglichkeiten gehabt.

Sie war vier Mal bei Ärzten, denen es wohl nicht verborgen blieb, dass sie misshandelt wurde. Dennoch hat keiner die Polizei eingeschaltet. Da müsste sich gesetzlich etwas ändern. Aber Selbstjustiz halte ich in allen Fällen für falsch. Und die Begnadigung wäre auch ein falsches Signal an andere Opfer. Sie müssen gestärkt werden, sich an andere zu wenden. Sie brauchen keinen Freifahrtschein, Menschen zu töten.

Wie seht ihr die Sache? Haben Misshandlungsopfer mehr Gnade verdient? (Beziehungsweise: mehr Gnade als ein gemeiner Mörder hat sie ja bekommen. Es ist ja sicherlich ins Urteil eingeflossen. Aber sollte sie volle Gnade erfahren?) Wäre es richtig, die vom Gericht zugesprochene Haftstrafe zu erlassen? Sollte das dann für alle Misshandlungsopfer gelten?

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich finde, dass die Frau keine Gnade verdient hat. Das mag nun hart klingen, aber sie hatte doch jederzeit die Möglichkeit diesen Mann anzuzeigen und vor allem auch zu gehen. Es gibt doch überall Einrichtungen, die Frauen aufnehmen, die in so einer Situation sind und man muss sich mit Sicherheit nicht auf diese Art und Weise rächen.

Es ist schon ganz gut, dass das durch ein Rechtssystem geregelt ist. Es ist nicht erlaubt und auch richtig so, denn wer ist man schon, wenn man jemanden ermordet oder foltert? Ein Verbrecher und somit nicht besser als der Täter, weil man selber ein Täter ist.

Sie hätte ja auch durchaus ihre Töchter schützen müssen. Man kann mir nicht erzählen, dass man das nicht mitbekommt. Wenn man für sich selber entscheidet so behandelt werden zu wollen ist es eine Sache, aber wer seine Töchter dann nicht aus der Situation herausholt, obwohl man jede Menge Unterstützung bekommen würde, hat auch irgendwo den Schuss nicht gehört. Ein Mord kann da keine Hilfe sein und ist nicht besser.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


So was ist immer schwer zu entscheiden und natürlich sagt einem der "gesunde Menschenverstand", dass die Frau sich nur hat wehren wollen. Und es ist nicht unverständlich, dass es zu so einer Petition kommt. Hier wollen die Menschen ihre Solidarität mit der Frau ausdrücken.

Dennoch wäre so etwas wirklich bedenklich. Denn, was wäre die nächste Stufe? Wenn ein Nachbar zur Selbstjustiz greift und diesen Mann erschießt? Der würde wohl mit der gleichen Absicht handeln, wie es die Frau getan hat. Könnte der auch mit so einer Welle des Verständnisses rechnen?

Ich für meinen Teil hoffe, das die französische Justiz beim bemessen der Haftstrafe bereits die Umstände der Tat berücksichtigt hat. Das ist in einem Rechtsstaat eigentlich der einzige Weg, so eine Tat zu bewerten. Aber ein Freispruch bzw. eine Begnadigung halte ich für ein falsches Signal und ein Eingeständnis, dass der Rechtsstaat als solches (Exekutive, Judikative und Legislative) nicht funktionieren.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



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