Schädlich ein Kind zurückzustellen und später einzuschulen?

vom 24.09.2015, 16:53 Uhr

Eine Bekannte von mir hat eine Tochter, die ein Jahr zurückgestellt wurde. Das wollte meine Bekannte aber auch von sich aus, nachdem das Kind im Einschulungstest nicht besonders gut abgeschnitten hat. Die Tochter war eine Frühgeburt und hat sich daher etwas langsamer entwickelt. In dem Jahr soll sie sich nun in Ruhe weiterentwickeln, bis sie bereit für die Schule ist.

Nun habe ich dazu heute aber eine Sendung im Fernsehen gesehen, die nicht so gut klang. So sollen Kinder die ein Jahr zurückgestellt wurden generell schlechter abschneiden, als andere Kinder in ihrer Klasse. Sie schneiden auch beim zweiten Einschulungstest angeblich nicht viel besser ab, als vorher. Es hat daher letztendlich gar keinen Sinn, ein Kind zurückzustellen.

Kennt ihr Kinder die ein Jahr zurückgestellt worden und später eingeschult worden sind? Denkt ihr, dass dies dem Kind genutzt hat und es besser so war? Oder hat es am Ende gar keinen Unterschied gemacht, da das Kind dadurch auch nicht besser abgeschnitten hat und die Leistung in der Schule schlecht ist?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich kenne ein Kind mit ähnlicher Vorgeschichte, auch ein Frühchen, auf keinen Fall dumm, aber recht verspielt. Das Kind wurde beim Schultest mit Kusshand durch gewinkt, weil es ein recht zugänglicher Charakter ist und von sich aus gern mit Menschen spricht und agiert. Man war da sehr zuversichtlich, das ging ganz furchtbar nach hinten los. Das Kind hatte einfach kein Sitzfleisch, wurde schnell müde, hatte Konzentrationsprobleme.

Aus der Schule nehmen ging aber nicht, weil ja die Schulpflicht eindeutig festgelegt worden war. Also sollte ein Sonderpädagoge zur Unterstützung des Kindes kommen, der war dann vielleicht zweimal da. Nach ein paar weiteren widrigen Umständen, die das deutsche Schulsystem zu verantworten hat - um es mal kurz zu fassen - endete es dann mit einer weiteren "Ehrenrunde" in der vierten Klasse. Das Kind geht auch nicht mehr gern in den Unterricht.

Anders herum das Kind einer Arbeitskollegin, das gut zwei Monate jünger ist als der Fall oben. Dieses Kind wurde nicht eingeschult und zurück gestellt, weil man da erkannt hat, dass es eben noch nicht schulreif ist. Das Kind hat jetzt mit Begeisterung auf das Gymnasium gewechselt, das es sich selbst ausgesucht hat. Meine Kollegin erhofft sich jetzt, dass es da weiter so läuft, wie an der Grundschule, wo das Kind ohne große Büffel- oder Lernaktionen durchlief.

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» Bellikowski » Beiträge: 7700 » Talkpoints: 16,89 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ich habe meinen Sohn zurückstellen lassen. Er wäre eigentlich schon letztes Jahr dran gewesen, nun wurde er aber erst dieses Jahr eingeschult. Es hatte bei ihm aber weniger damit zu tun, dass er intellektuell oder wie auch immer man des nennen soll nicht in der Lage gewesen wäre, die in der Schule geforderten Leistungen zu erbringen, sondern damit, dass er nicht ausreichend sozial mit anderen interagieren konnte und daher wahrscheinlich zwangsläufig zum Außenseiter geworden wäre. Er hatte seit er 4 war eine Integrationskraft im Kindergarten und dadurch, dass dies nun noch für ein Jahr weiterlaufen konnte, sind die Probleme sehr gut gelöst worden.

Ob es einen Sinn hat oder nicht, ist eben immer vom Einzelfall abhängig. Generell gilt wohl die Richtlinie, dass nur Kinder zurückgestellt werden, bei denen abzusehen ist, dass sie ihre Defizite innerhalb eines Jahres aufholen können. Ist man der Ansicht, dass das nicht gelingt, sollen sie gleich auf die Förderschule. Natürlich ist das nicht immer ganz einfach festzustellen und es kann durchaus sein, dass ein Kind, das ein Jahr später eingeschult wird, dann trotzdem noch Probleme hat und im Grunde gar nichts aufgeholt hat.

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» Jessy_86 » Beiträge: 5456 » Talkpoints: 0,18 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Wenn man pauschal behauptet, dass Kinder, die später eingeschult wurden, sich tendenziell oder gar generell schlechter entwickeln, als ihre regelrecht eingeschulten Altersgenossen, dann würde ich vermuten, dass der Vergleich arg hinkt.

In sehr vielen Fällen werden Kinder mit Beeinträchtigungen zurückgestellt. Da ist von vorneherein klar, dass die mehr Zeit brauchen, um überhaupt in der Schule zurecht zu kommen. Die Vergleichsgruppe, nämlich die regelrecht eingeschulten Kindern haben zum größten Teil keine relevanten Beeinträchtigungen. Meiner Meinung nach wurden hier Äpfel mit Birnen verglichen und es wurde eine reine Statistikstory veröffentlicht.

Ich kenne bisher keine Kinder, denen die Rückstellung nicht gut getan hätte. Hingegen kenne ich einige Fälle, in denen Eltern auf die regelrechte Einschulung oder gar frühere Einschulung bestanden haben. In dieser Gruppe haben fast alle Kinder Probleme. Viele von ihnen wiederholen in ihrer Schullaufbahn mindestens ein Mal eine Klasse.

Da Lernerfolg auch viel vom Selbstbewusstsein der Kinder abhängt, ist ein zu früher Start meiner Meinung nach keine gute Wahl. Bei meinen und den Kindern in meiner Bekanntschaft hatten die Kinder, die später zur Schule gegangen sind, die bessere Startposition und hatten es entsprechend leicht in der Schule.

» tok_tumi » Beiträge: 837 » Talkpoints: 1,20 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich sehe es wie mein Vorposter und finde, dass Kinder, deren Eltern sich für eine möglicherweise verfrühte Einschulung eingesetzt haben, später mit den größeren Problemen zu kämpfen haben. Dies kann ich auch aus eigener Erfahrung so bestätigen. Mein Bruder wurde auch um ein Jahr zurückgestellt, nachdem er vor allem in den Verhaltenstest noch einige Defizite offenbart hat. Dieses eine Jahr, in dem sich seine Persönlichkeit noch entsprechend entwickeln konnte, hat ihm wohl sehr gut getan. Zumindest hat er danach eine ganz "normale" Schulkarriere eingeschlagen, das Abitur gemacht und auch ein Studium abgeschlossen.

Ob das ganze auch so reibungslos über die Bühne gegangen wäre, wenn man ihn praktisch zwangsweise eingeschult hätte, das wage ich doch schwer zu bezweifeln. Vor allem weil ich eben auch Beispiele von Kindern kenne, die entgegen des Expertenrates aber auf unbedingtes Drängen der Eltern doch eingeschult wurden. In diesen Fällen waren Wiederholungen einer oder gar mehrerer Klassen die Folge, meistens wurde auch kein allzu guter Schulabschluss erreicht.

Natürlich muss dies nicht unbedingt in einem direkten Zusammenhang stehen, die Wahrscheinlichkeit dafür ist aber durchaus gegeben. Meiner Meinung nach sollte man sich nicht nur auf die Einstufungstests verlassen, diese aber eben auch nicht vollkommen ignorieren. Die Eltern der entsprechenden Kinder sollten eine ehrliche Entscheidung treffen, nicht eine, die auf irgendwelchen Eitelkeiten beruht. Dabei darf der Rat des Experten nicht ignoriert werden, man sollte aber eben auch seine eigenen Erfahrungen mit dem Kind berücksichtigen.

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» TamiBami » Beiträge: 2166 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


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