Löst Arbeitsverdichtung immer gleich Stresssituationen aus?

Ich habe hier schon einige Beiträge über Burnout gelesen. Das ist ja eine psychische Erkrankung, die durch Stress ausgelöst wird. Löst denn Arbeitsverdichtung immer gleich eine Stresssituation aus? Wenn ich das hier immer so lese und auch in den Zeitungen lese, dann habe ich den Eindruck, dass die Menschen nicht (mehr) belastbar sind und bei zu viel Arbeit in Stresssituationen verfallen und dadurch krank werden. Warum ist das so?

Diese Frage erstaunt mich. Jeder, der schon mal im Berufsleben tätig war, und sein Leben nicht in der Hängematte zubringt, hat doch eigentlich die Erfahrung gemacht, dass auch der tollste Traumjob zu einem gewissen Grad mit Stress verbunden ist. Da gibt es Termine, schwierige Kunden, Deadlines, befristete Verträge, cholerische Chefs und generell den Druck, nicht nur vor Ort zu sein und hübsch auszusehen, sondern auch Leistung zu bringen.

Und wenn man immer mehr Arbeit in der gleichen Zeit erledigen muss und alle anderen Faktoren gleich bleiben, steigt natürlich auch der Stress an, weil es noch dazu immer noch weniger Atempausen, Freizeit und die Möglichkeit zum Ausgleich gibt. Das ist doch eigentlich eine Binsenweisheit?

Was Arbeitsverdichtung bewirkt, hängt davon ab, wie und welche Arbeit verdichtet wird. Arbeitsverdichtung bedeutet nur, dass in der gleichen Zeit mehr Arbeit geleistet werden muss. Es heißt nicht zwangsläufig, dass die Produktivität zunimmt.

Jeder Mensch hat eine persönliche Leistungsgrenze, wird diese Grenze überschritten, dann wird die Arbeit auf Dauer ungesund. Verschiedene Beispiele zeigen die Effekte ganz gut. Nehmen wir einen Fließbandarbeiter, der unterhalb seiner Leistungsgrenze arbeitet.

Erhöht man die Geschwindigkeit des Bandes um 10 Prozent und erreicht so ziemlich genau seine Leistungsgrenze, dann wird es ihm nicht schlechter gehen, wenn man gleichzeitig die Arbeitszeit verkürzt und den Lohn erhöht. Dann hat man die gleiche Produktivität in kürzerer Zeit.

Ohne Überforderung bei gleichem Lohn mehr Freizeit zu haben, das ist sinnvoll. Ohne Lohnerhöhungen sieht es schon anders aus. Denn dann gibt es für die gleiche Arbeitsleistung weniger Geld. Wahrscheinlich ist ein Nebenjob nötig. Effektiv arbeitet der Mensch dann unter schlechteren Bedingungen mehr, um sein Auskommen zu haben.

Wobei der Bandarbeiter noch simpel zu betrachten ist. Bei Sachbearbeitern wird es schwerer. Noch vor gar nicht langer Zeit arbeitete der einfach sein Pensum ab. Mitteilungen lagen im Fach, wer etwas wollte, musste den Kollegen aufsuchen.

Erst kam das Telefon auf den Schreibtisch, heute kommen Mails und das Intranet dazu. Die geforderte Arbeitsleistung im Bereich der Kernaufgaben ist eher höher geworden. Dazu kommt aber die Arbeitsverdichtung durch die zusätzliche Kommunikation.

Die Menschen sind nicht weniger belastbar. Sie werden viel höher und vielseitiger belastet. Früher waren die körperlichen Arbeiten schwer, heute sind es die zig Aufgaben gleichzeitig. Außerdem haben viele Menschen mittlerweile dauerhaft Stress. Statt anstrengender Phasen ist jeder Tag belastend. Man hat keine Sicherheit mehr. Das macht krank.

Bei mir ist es gerade umgedreht. Wenn ich etwas großen Arbeitsdruck habe, dann werde ich eher ruhiger. Irgendwo ist natürlich auch mal Schluss mit lustig, ich konzentriere mich auf meine Arbeit und was fertig wird, wird fertig. In regelrechte Stresssituationen bin ich dabei noch nie gekommen.

Kurz anhaltender Druck ist eher positiv. Ein Projekt, dass viel Engagement fordert, ist kein Problem. Aber wenn der Druck dauerhaft so hoch bleibt, dann wird es ungesund.