Reflektionsmöglichkeiten abhängig von der sozialen Schicht?

vom 20.12.2015, 17:00 Uhr

Um in der heutigen Gesellschaft sozial kompetent auftreten zu können, muss man auch mal sein eigenes Verhalten reflektieren können. Also seine Fehler, aber auch seine Leistungen erkennen und daran arbeiten zu können, um nur ein Beispiel zu nennen.

Eine Freundin von mir meinte nun aber, dass die Reflektionsmöglichkeiten abhängig von der sozialen Schicht seien. So neigen vor allem Menschen aus schwachen sozialen Schichten eher dazu, sich selber nicht reflektieren zu können. Oder auch straffällig gewordene Personen suchen oft die Schuld bei anderen.

Aber ist die Reflektionsmöglichkeit wirklich so sehr von der sozialen Schicht abhängig? Oder sind dafür noch andere Dinge entscheidend, wie zum Beispiel auch die Kindheit und wie man in sein Leben rein gewachsen ist?

» Fugasi » Beiträge: 1877 » Talkpoints: 1,33 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich denke, es ist vor allem eine Frage der Intelligenz. Man muss eine gewisse Intelligenz haben, um geistig in der Lage zu sein, Dinge zu reflektieren und man muss auch Dinge in Frage stellen können. Reflexion bedeutet für mich, dass man Dinge nicht so hinnimmt, weder Regeln noch Konventionen, noch Traditionen. Man muss in der Lage sein, zu erkennen, warum bestimmte Dinge so gemacht werden und sich dann fragen, ob es in der Situation, in der man sich befindet, auch sinnvoll ist, dieser Vorgabe zu folgen oder ob man eher von dieser abweichen kann.

Das ist eine Eigenschaft, die zusätzlich zur Intelligenz dazukommt. Nicht jeder, der intelligent ist, ist reflektiert, aber um reflektiert zu sein, muss man Intelligenz besitzen. Es ist eine besondere Form der moralischen Entwicklung. Zunächst lernen Menschen im Laufe des Lebens zig Regeln und Vorgaben und entweder verharren sie dann auf dieser Stufe oder sie gelangen irgendwann zu dem Gedanken, dass all diese Regeln einem Zweck folgen, der Verwirklichung einer dahinterstehenden Wertvorstellung und dass es Situationen geben kann, in denen die konkrete Regel nicht der Umsetzung der allgemeinen Wertvorstellung dient. Manche erkennen das, andere nicht.

Ob man das eines Tages erkennt, hat vielleicht durchaus mit der Schicht zu tun. Denn wenn Intelligenz eine große Rolle spielt, dann hat man das reflektierte Denken dort weniger, wo Menschen vorwiegend eher einfach sind und vielleicht nicht so ausgeprägte kognitive Fähigkeiten besitzen oder wo sie einfach nur in ihrer Welt leben.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Ich glaube nicht, dass das allein von der sozialen Schicht abhängig ist, sondern auch davon wie man sich für sein Umfeld inszeniert und wie man wahrgenommen wird.

Meine Mutter beispielsweise ist ein Mensch mit Fehlern, wie jeder andere auch. Jedoch hat sie sich so ein komisches Umfeld aufgebaut, dem sie vermittelt und das ihr wiederum vermittelt, dass sie perfekt ist und nie Fehler macht. Das ist wie so eine Art Gehirnwäsche. So wird sie von einigen Leuten, die ich auch gut kenne, stark idealisiert und fast wie eine Art Heilige verehrt. Wenn dann jemand wie ich kommt und ihr Verhalten kritisch hinterfragt - auch wenn es neutral und gar nicht bös gemaint ist - dann bricht ein ziemlicher Shitstorm los und man muss sich in Sicherheit bringen.

Vielleicht ist das eine Art Überkompensation von einer schlechten Kindheit oder psychischen Problemen oder so. Normal finde ich das nicht und wenn ich auf die Idee käme, ihr das Gespräch mit einem Psychologen zu empfehlen, würde ich wieder einen Shitstorm riskieren, weil ich es gewagt habe, meine "heilige" Mutter zu kritisieren.

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



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