Mit Spenden nur ganz bestimmten Menschen helfen?

vom 27.02.2015, 23:06 Uhr

In meinem Bekanntenkreis gab es letztens eine kleine Diskussion über eine Reportage. Es ging darum das man nachweisen wollte ob Spenden wirklich helfen. Man hat in Indien zwei Kontrollgruppen von Frauen aufgestellt denen man auf die eigenen Beine helfen wollte und einer der Gruppen wurde geholfen, der anderen nicht. Man wollte dann schauen ob es in einigen Jahren einen Unterschied gibt, hatte die Gruppe der geholfen worden ist mehr erreicht? Oder war sie mit den Spenden leichtsinnig umgegangen und hatte nichts erreicht?

Das Ergebnis war dann aber, dass der Gruppe geholfen worden ist und die Gruppe die Spenden gut genutzt hatte. Das Experiment war damit beendet und einige Bekannte von mir regten sich darüber auf, dass in diesem Experiment ''Gott'' gespielt wurde, weil man sich ja quasi die Frauen ausgesucht hat, deren Leben man verbessert hat, während die anderen immer noch in Armut leben.

Ich selbst fand das aber nicht so schlecht, denn am Ende kann man ohnehin nicht allen helfen und so ist immerhin einigen geholfen worden. Außerdem sind solche Experimente auch wichtig, wenn man weiterhin Spenden sammeln möchte, denn sie widerlegen die Befürchtungen vieler Spender, dass die Armen mit dem Geld eh nicht umgehen können.

Wie findet ihr solche Versuche? Würdet ihr sie auch verurteilen, weil man quasi Gott spielt und das Schicksal bestimmter Personen stark verändert? Was würdet ihr dagegen tun? Oder findet ihr das letztendlich in Ordnung, da man ohnehin nie allen helfen kann?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Wenn ich diesen "Test" richtig verstanden habe, liegt das Problem in meinen Augen sowieso nicht darin, dass irgendwelche reichen Westler mit ihren Spenden "Gott spielen", sondern darin, dass man den Empfängern unserer Almosen nicht zutraut, diese auch sinnvoll zu verwenden, getreu dem Grundsatz: "Die kaufen sich sowieso nur Drogen davon!"

Dieses Menschenbild empfinde ich als geradezu haarsträubend arrogant und rassistisch. Es erinnert mich an die Kolonialzeit aus dem Geschichtsunterricht, als die Unterdrückung und Ausbeutung von Menschen in den Kolonien damit gerechtfertigt wurde, dass die Leute dort allesamt zu dumm und zu faul wären, um ihr Land selber auf die Beine zu bringen und die Europäer den armen, geistig minderbemittelten "Ureinwohnern" eigentlich nur helfen.

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass etliche der zahllosen Spendenorganisationen einen Teil des Geldes versaubeuteln und dass es auch ziemlich viele unseriöse Aktionen gibt. Aber bisher bin ich immer davon ausgegangen, dass das Geld entweder schon hierzulande oder irgendwo auf dem Weg zu den Empfängern in dunkle Kanäle versickert und dass die Leute ganz am anderen Ende der Nahrungskette in der Regel schon darauf achten, die Spenden sinnvoll zu verwenden. Oft kommt sowieso wenig genug tatsächlich bei der Bevölkerung vor Ort an.

Und da die Menschen im ländlichen Indien, Nigeria, oder was weiß ich wo, bestimmt nicht dümmer oder hartherziger sind als wir hier, gehe ich nach wie vor davon aus, dass sie Spenden und Hilfsprojekte sinnvoll einsetzen und das bisschen, was wir von unserem Wohlstand gnadenhalber abgeben, nicht versaufen, während ihre Kinder verhungern.

» Gerbera » Beiträge: 11319 » Talkpoints: 49,61 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Ich finde diese Studie schon sinnvoll. Schließlich hätte es doch wirklich sein können, dass das Geld nicht nachhaltig genutzt wird und darum muss man eben so einen Vergleich durchführen, um das herauszufinden. Letztlich ist aber jeder Eingriff, den man hier vornimmt, eine Art Gott-Spielen, weil man ja etwas gibt, was die Menschen von alleine nicht erreichen würden.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich finde den Test auch schwachsinnig. Es gibt doch jede Menge Organisationen vor Ort, die den Menschen eben helfen und das auch organisieren, dass die Menschen damit vernünftig umgehen. Spenden sind wichtig und was sollen die Menschen schon mit dem Geld anstellen? Wenn Menschen in einer ärmlichen Umgebung sind können sie es ja auch nicht eben mal auf den Kopf hauen und man hat ja dann auch den Willen nicht so weiter leben zu müssen. Man ist durchaus bestrebt sich zu verbessern und deswegen ist es Schwachsinn.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Wenn Menschen in einer ärmlichen Umgebung sind können sie es ja auch nicht eben mal auf den Kopf hauen und man hat ja dann auch den Willen nicht so weiter leben zu müssen. Man ist durchaus bestrebt sich zu verbessern und deswegen ist es Schwachsinn.

Ich würde das nicht gleich als Schwachsinn abkanzeln. Man muss nicht immer alles gleich so niedermachen, nur weil man es nicht nachvollziehen kann. Was hätten die Menschen mit dem Geld machen könne? Sicherlich vieles. Auch mit gutem Willen und dem Wunsch, etwas zu verändern, kann Geld verloren gehen. Vielleicht wissen die Menschen nicht, wie sie es nachhaltig investieren oder sie investieren es in Dinge, die zwar kurzfristig Sinn machen, aber keine langanhaltenden Veränderungen bringen.

Ein beispiel wäre etwa, wenn jemand vor Ort mit dem Geld ein Geschäft eröffnet und bestimmte Waren anbieten, um davon zu leben. Das ist ja erst einmal keine schlechte Idee. Aber vielleicht bietet er Dinge an, de gar nicht gefragt sind oder Dinge, die zwar momentan gefragt sind, aber die nach 5 Jahren deutlich im Absatz nachgelassen haben. Um das zu beurteilen, welche Investitionen sich wirklich lohnen und welche nicht, muss man schon marktwirtschaftliches Wissen haben und ob das die Empfänger solcher Spenden immer besitzen?

Genauso kann ein Wirtschaftsvorhaben durch Umstände irritiert werden. Vielleicht war das eine Krisenregion, wo es Unruhen und andere Probleme gibt. Kann ja sein, das toll florierende kleine Läden von den Menschen, die man da unterstützt hat, nach einiger zeit regelmäßig durch Kriege und anderes platt gemacht werden. Dann hätte man auch keine Nachhaltigkeit erzielt. Man muss schon mal herausfinden, ob etwas längerfristig funktioniert, das ist kein "Schwachsinn", um diesen inflationär gebrauchten Begriff mal zu verwenden.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Ich muss Zitronengras Recht geben. Es gibt so unendlich viele Situationen, in denen man Geld zwar braucht und damit auch was erreichen will, es aber nicht schafft. Immerhin gehört meist mehr dazu als nur Geld. Vor allem auch Geschick, bestimmtes Wissen, die Möglichkeit zu investieren. Oft geht es den Leuten so schlecht, dass sie gar nicht investieren können, weil sich eine Investition eben erst nach einer gewissen Zeit auszahlt, die Familie aber jeden Tag hungert.

Und auch wenn das Vorurteile sind, die sicher nicht auf alle zutreffen und denen man womöglich sogar einen rassistischen und sexistischen Charakter unterstellen könnte, ist es ein Fakt, den schon viele Hilfsorganisationen beobachten konnten: viele Männer vertrinken Geld lieber als es für ihre hungernden Kinder auszugeben. Früher haben immer die Männer das Geld bekommen und es einfach in die nächste Bar getragen. Seit mehreren Jahren werden vermehrt Frauen gefördert, weil diese sehr viel verantwortungsbewusster damit umgehen.

Also ich finde so einen Test auch nicht verkehrt. Sicher ist es irgendwie grausam den Frauen aus der Kontrollgruppe gegenüber, aber ohne den Test hätten doch beide Gruppen nichts bekommen. Und es ist nicht sinnvoll, wahllos Geld zu verteilen. Wäre es sinnvoll, gäbe es überhaupt keine Probleme. Dann würde wir einfach jedem, der arm ist, ein paar Geldscheine in die Hand drücken und kurze Zeit später gäbe es keine Armut mehr.

Die Entwicklungshilfe hat sich in den vielen Jahrzehnten ihres Bestehens mehrmals gewandelt, weil sie dazu gelernt hat. Das Lernen hat oft viele Jahre gedauert, in denen viele Fehler gemacht wurden. Das Fördern von Einzelpersonen, damit sie sich selber aus dem Sumpf ziehen, ist noch gar nicht so alt. Früher wurde ausschließlich Essen, Kleidung und Medikamente verteilt, was zwar hilft, aber an der Grundsituation nichts ändert. Da kam das Geld zwar bei den Armen an, aber sie blieben arm.

Nur, wenn man lernt, kann man etwas verbessern. Und zum Lernen gehören auch Fehler und Fakten. Man kann doch nicht allen Hilfsorganisationen raten, etwas so und so zu machen, wenn man gar nicht belegen kann, dass es so besser und nachhaltiger ist. Viele werden einem nicht glauben. So ein Test belegt es, macht es glaubwürdiger und damit nachahmungswerter.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Ich sehe den Test eher so, dass man sehen wollte, was aus Spenden werden könnte. Ich finde es durchaus angemessen, wenn man das an zwei Gruppen quasi testet. Eine Gruppe, die eben keine Spenden bekommt und eine Gruppe die Spenden bekommt. Um zu sehen, wie geht jede Gruppe damit um und so weiter. Ob man nun eine Gruppe bevorzugt die Spenden gibt, denke ich eher nicht. Erinnert mich an Medikamententests. Da gibt es auch zwei Gruppen. Eine bekommt das Medikament und die andere nicht. Und bei den meisten Tests weiß keiner wer was bekommt.

Wenn man natürlich zehn Frauen kommen lässt und erklärt, wir teilen euch in zwei Gruppen und eine Gruppe bekommt Spenden und die andere nicht und man wartet ab, welche Frauen nun so reagieren, wie man selbst es will und stellt dann die Gruppen entsprechend zusammen, beeinflusst man ja auch die Studie. Zum Beispiel wenn man nur die motiviertesten, klügsten und gesündesten Frauen in die Gruppe packt, die Spenden erhält. Ist irgendwie logisch, dass die Gruppe dann schon Vorteile gegenüber der anderen Gruppe hat.

Wobei solche Tests sicher auch von der Umgebung abhängen. Hier in Deutschland würde das auch unterschiedlich ablaufen. Ich nehme mal als Beispiel die Tafeln in Deutschland. Ich weiß, dass es Tafeln gibt, bei denen auch Tafelkunden quasi mitarbeiten. Das scheint auch zu klappen. Ich weiß aber auch, dass es Tafeln gibt, da dürfen Tafelkunden nicht mitarbeiten, weil das immer negativ geendet hat, weil sich die Tafelkunden teilweise ungerechtfertigt eben an den Sachen über die Maßen bedient haben.

Ich selbst trenne teilweise Spenden auch. Ich weiß zum Beispiel, dass gerade zu Weihnachten gehäuft an Familien mit Kindern gespendet wird. Sicherlich sind Kinder das schwächste Glied in der Kette und sie tun auch mir Leid. Aber ich denke halt auch, es gibt so viele erwachsene Bedürftige die eben auch was brauchen können und wenn es nur ein kleines Geschenk ist.

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge



Ich denke, dass man dies nicht von vornherein festlegen kann. Es gibt so viele Umstände, die das Aufsteigen oder eben auch das Scheitern einer Organisation beeinflussen, auch wenn es nur eine Person ist, die eine Kleinigkeit anders ausführt, kann dies über alles entscheiden. Von daher finde ich, dass man das nicht pauschalisieren kann und einfach behaupten, dass eine bestimmte Gruppe x prinzipiell erfolgreich ist.

Ich denke, dass Gelder durchaus hilfreich sein können, aber dass man dabei auch nach dem Prinzip "Hilfe zur Selbsthilfe" vorgehen und arbeiten sollte. Es bringt nur etwas, wenn man den Leuten zeigt, wie sie sich selbst helfen können, da auch wir nicht immer in der Lage sein werden das für sie zu tun. Wenn sie aber bestimmte Strategien erlernen, mit denen sie ihre eigene Situation verbessern können, dann ist es durchaus möglich, dass auch diese Länder im Wohlstand leben können.

» Hufeisen » Beiträge: 6056 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


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