Zwangsehe gutheißen, wenn man keinen Partner findet?

Ein Bekannter von mir kommt aus Indien und in seiner Familie war es früher auch noch so, dass man von den Eltern einfach einen Partner zugewiesen bekommen hat und kein Mitspracherecht hatte. Sogar seine Eltern sind noch Zwangsverheiratet worden, finden das aber inzwischen nicht mehr schlimm, da sie sich sehr gut verstehen und lieben.

Mein Bekannter sollte eigentlich froh sein, dass er nicht zwangsheiraten muss, sieht es aber inzwischen anders. Er ist 24 Jahre alt und hatte bisher noch keine längere Beziehung. Er findet die Frauen kompliziert. Mehrfach hat er schon gesagt, dass früher doch sicherlich alles sehr viel einfacher war, denn dann wurde man einfach zwangsverheiratet und gut war. Man hatte einen Partner und jetzt hat er keine Partnerin.

Könnt ihr den Gedankengang meines Bekannten nachvollziehen? Fändet ihr eine Zwangsheirat auf einmal auch erstrebenswert, wenn ihr keinen Partner finden könntet und schon Sorge hättet, das ganze Leben lang alleine bleiben zu müssen?

Ich würde nicht so gerne mit irgendeiner x-beliebigen Person zusammengetan werden müssen. Die Gefahr ist ja groß, dass man dann an jemanden gerät, der gar nicht zu einem passt und mit dem es immer nur Probleme gibt. Mein Bild von Partnerschaft hat das Ideal der Harmonie und das kann man so sicherlich nur in seltensten Fällen erreichen.

Aber wenn man eine Partnerschaft eher als Versorgungsgemeinschaft sieht, also im Sinne von - die Frau möchte jemanden, der Geld verdient und der Mann möchte jemanden, der kocht und Kinder zur Welt bringt - dann mag man über die Zwangsehe anders denken.

Ich kann den Gedanken nicht nachvollziehen, weil eine Frau, die sich dann unterordnet ja auch keine bessere Wahl ist. Abgesehen davon denke ich auch nicht, dass sich Frauen dann automatisch so unterordnen nur weil es eine Zwangsehe ist. Natürlich muss man sich dann keine Frau suchen, aber so viel einfacher ist das damit sicherlich nicht.

Ich würde mich generell nicht auf die Auswahl meiner Eltern verlassen wollen und denke nicht, dass man sich Gefühle auf diese Art und Weise erzwingen kann. Ich würde eine Beziehung immer nur aufgrund von Gefühlen eingehen wollen und nur weil es augenscheinlich passen würde.

Wenn dein Bekannter so sehr auf Beziehungen ohne Gefühle steht, dann kann er doch gezielt nach so einer Partnerin suchen, die eine Beziehung eher als Zweckgemeinschaft sieht und das ganze eher nüchtern und rational betrachtet, so als wollte sie nicht einsam sterben.

Ich glaube eher, dass dein Bekannter Angst davor hat, neue Wege zu gehen. Vielleicht hat er Angst, dass seine Eltern das verurteilen und ihn verstoßen, wenn er aus der Reihe tanzt. Schließlich haben diese arrangierten Ehen eine sehr lange Tradition in Indien, da ist es sehr schwer, sich zu emanzipieren.

In meiner Familie ist es seit Traditionen üblich, dass sich die Tochter der patriarchalischen Struktur beugt. Soll heißen, dass sie ihren Eltern, besonders ihrem Vater immer Gehorsam zu leisten hat, auch wenn sie schon lange erwachsen und ausgezogen ist. Erst wenn sie verheiratet ist, ändert sich das, aber dann muss sie sich dem Willen ihres Ehemannes unterordnen.

Da ich mit 26 noch nicht verheiratet bin, gerate ich mit meinen Eltern deswegen häufiger aneinander, weil ich nicht einsehe, warum ich mich an diese blöde Tradition halten soll. Aber das ist mir dann auch egal. Es ist schwer, sich zu emanzipieren und neue, ungewohnte Wege zu gehen, aber es lohnt sich. Man darf nur keine Angst haben.

Meiner Meinung nach bekommt man durch eine Zwangsehe gar keinen Partner. Zumindest doch nicht in dem Sinne, in dem man sich das wünscht. Vielleicht gewöhnt man sich irgendwann aneinander und vielleicht liebt man sich sogar irgendwann. Aber das ist doch trotzdem ein langer Prozesse und genau so wenig "und gut ist" wie Leute kennen lernen und daten.

Man geht die Sache nur in einer anderen Reihenfolge an. Erst heiraten, dann kennen lernen. Mit dem Nachteil, dass alles nicht wirklich freiwillig stattfindet. Dass man in der Hochzeitsnacht Sex mit einem Fremden haben muss. Dass man sofort zumindest als Zweckgemeinschaft funktionieren muss. Dass man sofort zusammenlebt. Dass man die Chance nicht hat, einfach nicht mehr anzurufen, wenn der andere einem nicht gefällt.

Aber es gibt ja nicht nur die zwei Möglichkeiten der Zwangsheirat oder der langen Suche nach der großen Liebe. Man kann auch einen Zwischenweg gehen und sich seine Braut selber suchen. Aber eben so, dass es für beide von vorneherein klar ist, dass sie baldmöglichst heiraten werden. Dafür gibt es garantiert etliche Onlineportale für Inder. In dem Fall entscheiden aber trotzdem die zukünftigen Eheleute und nicht die Eltern. Und sie können noch abspringen, weil es eine Kennenlernphase gibt und niemand Brautgeld bezahlt hat.

Also die Zwangsehe halte ich für falsch. Die Entscheidung, mit wem man sein ganzes Leben verbringt, ist einfach zu gravierend, als dass sie von den Eltern aus eher wirtschaftlichen Gründen gefällt werden sollte. Dass die Eheleute dabei glücklich werden, ist wohl eher selten. Meist fügen sie sich halt einfach in ihr Schicksal.

Aber den Wunsch nach einer Vereinfachung des Kennenlernprozesses kann ich sehr gut nachvollziehen. Daten ist schon so eine Sache für sich. Der Bekannte muss ja auch noch kulturübergreifend daten. Ein schüchterner Inder, der sich mit deutschen Mädels verabreden soll, die das Thema in dem Alter noch lange nicht so ernst nehmen.

Das, was du da beschreibst liebe Crispin, ist eine arrangierte Ehe - und keine Zwangsheirat. Da dein Bekannter hier in Deutschland zu leben scheint, gehört seine Familie zumindest mal der Mittelschicht an, wahrscheinlicher aber sogar der gehobenen Mittelschicht. Da wird in Indien schon seit einiger Zeit nur noch selten zwangsverheiratet, während arrangierte Ehen durchaus noch an der Tagesordnung sind.

Es ist also mit fast an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er auch nicht zwangsverheiratet, sondern eine Ehe für ihn arrangiert worden wäre - und dabei hat man durchaus ein gewisses Mitspracherecht, sowohl Mann als auch Frau.

Insofern fände er es wohl eher gut, eine Ehe arrangiert zu bekommen. Kann mir kaum vorstellen, dass er es gut fände, zwangsverheiratet zu werden. Denn dann könnte er eine Kandidatin auch nicht dann ablehnen, wenn sie nur zwei Zähne und das Erscheinungsbild einer Mischung aus Steve Buscemi und Rachel Dratch hätte.

Ich persönlich kann den Gedankengang deines Bekannten definitiv nicht nachvollziehen und eben auch nicht verstehen. Was soll an einer Zwangsheirat denn überhaupt positiv sein? Eine Zwangsheirat hat in meinen Augen eben nur Nachteile, ich kann in einer Zwangsheirat eben keine Vorteile sehen.

Ich persönlich könnte mir auch nicht vorstellen, dass meine Eltern mich zwangsverheiraten wollen würden, aber in erster Linie, weil es so bei uns nicht üblich ist. Aber ich könnte mir eben auch nicht vorstellen, zwangsverheiratet zu werden. Ich kann mir das Leben dann einfach nicht mehr richtig vorstellen, ich denke nicht, dass ich glücklich werden würde.

Wenn meine Eltern mir einen Partner an meine Seite stellen würden und meine Eltern den Partner ausgesucht haben und ich eben zudem kein Mitspracherecht hätte. Dann würde ich das persönlich sehr grausam finden. Ich denke, dass ich mit der Situation nicht klarkommen würde, der Gedanke, dass ich mein Leben nun mit einem Mann verbringen müsste, den ich wohl noch nicht einmal kenne und, den ich eben auch nicht liebe, den finde ich einfach schrecklich.

Natürlich könnte es auch daran liegen, dass es bei uns so ist, dass wir uns unsere Partner selber aussuchen dürfen und wir eben auch alleine entscheiden dürfen, ob wir heiraten wollen oder eben den Partner wechseln wollen, bis wir den richtigen Partner gefunden haben. Weshalb eine Vorstellung von einer Zwangsehe für mich eben so grausam ist.

Auch, wenn es für deinen Bekannten eigentlich Normalität ist, weil er es eben aus seiner Familie nicht anders kennt, was die Zwangsheirat betrifft und er eben eine Zwangsheirat in Ordnung finden würde. Sollte sich dein Bekannter doch eigentlich glücklich schätzen, dass er sich seine Frau für das Leben alleine aussuchen darf.

Auch, wenn seine Eltern zwangsverheiratet wurden und sie sich eben kennengelernt und lieben gelernt haben, mit der Zeit. Heißt das doch nicht automatisch, dass eine Zwangsheirat bei ihm genauso ablaufen würde. Wenn seine Eltern ihn mit einer Frau zwangsverheiraten würden, ist das keine Garantie dafür, dass er in seinem Leben glücklich wird mit der Frau. Vor allem, wenn er die Frau akzeptieren und lieben lernen würde, heißt das nicht, dass die Frau genauso denken würde.

Ich denke, dass dein Bekannter sich glücklich schätzen sollte, dass seine Eltern ihn eben keine Partnerin aussuchen und die beiden zwangsverheiratet werden. Nur, weil er jetzt eben noch keine Partnerin hat und eben keine Beziehung führt, heißt das ja auch nicht gleich, dass er ein Leben lang alleine bleiben wird. So, wie es ausschaut, ist dein Bekannter noch jung.

Er sollte sich eben Zeit geben, irgendwann wird er schon eine Frau finden, die er dann heiraten kann und mit der er eine Beziehung führen kann und auch eine Familie gründen kann und desgleichen. Und er wird sehen, dass er dann glücklicher sein wird, wenn er sich seine Partnerin selber aussucht, als, wenn seine Eltern ihn zwangsverheiraten.

Ich wüsste nicht, was an einer Zwangsehe gut sein soll. Bevor man irgendeinen Partner nimmt ist man doch alleine wesentlich besser dran. Was hätte denn dein Bekannter auch davon, wenn er mit einer Frau verheiratet wird, die kein Bock auf ihn hat?

Wenn er Frauen so schon kompliziert findet, dann wird eine Frau die ihn nicht liebt noch 100 Mal komplizierter sein. Aber ich hätte einen Tipp für ihn. Er kann sich doch bei RTL bei "Hochzeit auf den ersten Blick" anmelden.