Majestätsbeleidigung: Eine fremde Eigenart?

vom 03.04.2014, 00:23 Uhr

Majestätsbeleidigung ist als solche in nicht mehr so vielen Ländern üblich. Was naturgemäß mit der Ablösung von Monarchien durch andere Herrschaftssysteme in vielen Ländern der Welt zusammenfällt. Wenn also doch mal irgendwo Fälle von Majestätsbeleidigung bekannt werden, reagieren viele Leute, die diesen Straftatbestand in ihrem eigenen Land nicht kennen, ziemlich irritiert. Nachvollziehen kann ich das insofern, als dass "fremde" Dinge viele Leute irritieren oder verunsichern. Außerdem passt die Sitte, die Beleidigung eines Monarchen schwerer zu bestrafen, als die Beleidigung anderer Personen, nicht wirklich zu der hier üblichen ethischen Vorstellung, dass alle Menschen denselben Wert hätten.

Aber abgesehen davon frage ich mich, ob das Thema Majestätsbeleidigung den hier üblichen Rechtmäßigkeiten denn wirklich so fremd ist? In Deutschland gibt es immernoch Strafen gegen Beamtenbeleidigung. Diese wird anders behandelt, als eine "normale" Beleidigung. Ebenso gibt es in Deutschland sogar einen besonderen Paragraphen, und zwar StGB §90, mit dem Titel "Verunglimpfung des Bundespräsidenten". Die Strafe dafür liegt übrigens bei 3 Monaten bis 5 Jahren Haft. Das Strafmaß bei der Beleidigung anderer Personen liegt bei Geldstrafe oder einer Haftstrafe von allerhöchstens einem Jahr. Die Beleidigung des Bundespräsidenten, die sich geschichtlich gesehen übrigens direkt von der Majestätsbeleidigung ableitet, wird also heute noch immer härter bestraft, als "normale" Beleidigung.

Sicher ist das noch immer ein deutlicher Unterschied zu den Strafen, die es in einigen anderen Ländern für Majestätsbeleidigung gibt. Ich will irgendwelche horrenden Strafen in dem Bereich auch absolut nicht rechtfertigen. Ich empfände es persönlich sogar als Optimum, wenn in Sachen Beleidigung absolut gar nicht unterschieden würde, wenn es darum geht, wer Opfer der Beleidigung geworden ist.

Trotzdem empfinde ich es manchmal als seltsam, wenn sich einige Leute in Deutschland über Fälle von Majestätsbeleidigung in anderen Ländern und Kulturen arg aufregen, wobei das deutsche Strafrecht selber noch immer Anhängsel hat, die daran erinnern. Abgesehen davon wird von Kritikern die Tat, die als Majestätsbeleidigung gewertet worden ist, oftmals auch noch völlig kleingeredet. Und da denke ich mir dann oft, dass diese Sache aber doch bei jedem Menschen, egal, ob Majestät oder nicht, auf jeden Fall als Beleidigung durchgegangen wäre. Aber nur, weil es plötzlich um Majestätsbeleidigung geht, versucht man, die Sache klein zu reden und lächerlich zu machen?

Mich würden mal Eure Beobachtungen zu diesem Thema interessieren. Und sollte nicht eigentlich konsequenterweise in Deutschland ebenfalls darüber nachgedacht werden, an Majestätsbeleidigungs-Paragraphen erinnernde Straftatbestände wie Beamtenbeleidigung und die "Verunglimpfung des Bundespräsidenten" abzuschaffen, um die Gleichheit aller Bürger zu betonen? Wenn nein, warum nicht? Was würde für die Beibehaltung dieser Straftatbestände noch zu heutiger Zeit sprechen?

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Vor dem Gesetz sind zwar alle Menschen gleich, aber trotzdem werden nicht alle gleich behandelt. Das heißt zwar dann nicht Majestätsbeleidigung, hat aber trotzdem ähnliche Auswirkungen.

Nehmen wir einfach mal an, A arbeitet in einer größeren Firma und ist recht cholerisch veranlagt und hat seine Zunge nicht unter Kontrolle. Nehmen wir mal an, B ist sein eineiiger Zwilling und verhält sich völlig identisch und arbeitet im identischen Job mit identischer Leistung. Ja, ich weiß, das ist unwahrscheinlich, aber eine notwendige Annahme für das Gedankenexperiment. Nehmen wir an, A ärgert sich über einen Kollegen, der auf dem selben Rang arbeitet, der einen Fehler gemacht hat.

A sagt im Zorn zu seinem Kollegen: "Sie Arschloch, ich wünschte, sie würden hier endlich abhauen und mich in Ruhe lassen." Nehmen wir dazu noch an, B hat am gleichen Tag einen Streit mit dem Chef, der nach B' s Meinung einen Fehler gemacht hat und wirft seinem Chef den Satz "Sie Arschloch, ich wünschte, sie würden hier endlich abhauen und mich in Ruhe lassen." an den Kopf. Wer von beiden wird wohl mehr Ärger bekommen? Sicher doch B, oder?

Auch wenn ein Gesetz vorhanden ist, wird es nicht zwangsläufig angewandt. Die Verunglimpfung des Bundespräsidenten wird meines Wissens nicht automatisch angewandt. Sprich, wenn jemand etwas über den Bundespräsidenten äußert, das als Beleidigung durch gehen würde, muss der Bundespräsident meines Wissens selbst den Antrag stellen, dass die Strafverfolgung in Gang kommt.

Es liegt also auch viel am Ermessen des Bundespräsidenten, wann er etwas als Beleidigung werten will und wann nicht. Klar könnte ein Bundespräsident theoretisch so streitbar und konfliktfreudig sein, dass das eine immense Klagewelle auslöst. Aber bislang ist mir das nicht so aufgefallen.

Nehmen wir auch da mal ein Beispiel an: Bundespräsident XY kommt bei einer Bevölkerungsgruppe so gar nicht an. Diese ist aber nur eine kleine Minderheit von sagen wir mal drei Prozent. Aus dieser Bevölkerungsgruppe bildet sich eine politische Vereinigung und deren Kopf namens Z beleidigt den Bundespräsidenten am laufenden Band und stellt verunglimpfende Videos ins Internet.

Obwohl die übrigen 97 Prozent der Bevölkerung bisher mit dem demokratisch gewählten Bundespräsidenten gut zufrieden waren, zeigt die Hasspropaganda Wirkung und die Zweifel an Bundespräsident XY wachsen, Unruhe entsteht. Im Ausland fragen sich die Medien, ob an den Vorwürfen gegen XY möglicherweise etwas dran ist, obwohl sie völlig haltlos sind. Sollte sich dann ein Bundespräsident nicht gegen solche Aktionen wehren dürfen?

Klar sind alle Menschen irgendwo gleich. Also, wenn ich jetzt auf die bekloppte Idee käme, meine Nachbarin systematisch zu beleidigen und im Internet bloß zu stellen, wäre das auch falsch. Natürlich mache ich das nicht in der Realität. Aber nehmen wir das mal an, um die Ausmaße der Auswirkungen zu überlegen, die so entstehen können.

Eventuell würden sich ihre möglicherweise vorhandenen Kinder für sie schämen, sie bekämen vielleicht Probleme im Beruf, weil die Leute in der näheren Umgebung eine schlechte Meinung über sie haben und im allerschlimmsten Fall begeht die Frau vielleicht verzweifelt Selbstmord. Nur eine Stadt weiter wird davon kaum einer Notiz nehmen und Fragen, wer ist eigentlich Frau Dingens? Ich will das jetzt nicht verharmlosen, das ist schlimm genug, wenn man so etwas macht und wird und soll auch bestraft werden. Aber wird schwerlich eine Staatskrise auslösen können.

Wenn man aber einen Bundespräsidenten systematisch demontiert und beleidigt, dann kann das für den ganzen Staat verheerende Auswirkungen haben, nicht nur für eine Familie und für ein Individuum. Daher vermutlich auch die Notwendigkeit, mit Strafen zu reagieren. Weil die Nachwirkungen einer Tat größer sein können. Zumindest sehe ich das so als juristischer Laie. Aber du fragst hier ja nach persönlichen Meinungen. Und ob die Strafmaße angemessen sind, will ich als Laie hier nicht beurteilen müssen.

Und wie man in der jüngeren Vergangenheit gesehen hat, gibt es ja durchaus Möglichkeiten, den Bundespräsidenten zu kritisieren, wenn der Verdacht besteht, dass er sich falsch verhalten hat. Klar besteht durch so einen Paragraphen immer die Möglichkeit, dass man jeden vernünftigen Kritiker als Beleidiger mundtot macht. Aber so lange das nicht geschieht, sollte man das auch berücksichtigen und wachsam bleiben.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


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