Die Ausweitung der Kampfzone von Michel Houellebecq

vom 21.04.2010, 22:11 Uhr

Ich habe letztens eines meiner Lieblingsbücher, "Die Ausweitung der Kampfzone" von Michel Houellebecq nun das dritte oder vierte mal gelesen. Jedes mal, wenn ich dieses Buch lese, bin ich davon immer wieder aufs Neue begeistert. Neulich habe ich aus Langeweile eine Rezension über dieses Buch geschrieben und dachte mir, dass ich diese hier mal reinstelle. Vielleicht gibt es in diesem Forum auch Fans von Houellebecq oder jene, die dieses Buch zumindest schon mal gelesen oder davon gehört haben. Ich würde mich über Meinungen zu ihm und seinen Büchern, sowie zu meiner Rezension sehr freuen.

Rezension zur "Ausweitung der Kampfzone": Wenn ich an „Die Ausweitung der Kampfzone“ denke, dann werde ich in einen kalten, kahlen Raum mit weißen sterilen Fließen an der Wand versetzt. In der Mitte beherbergt er einen metallenen Seziertisch und die vorherrschende nächtliche Stille ist so eindringlich, dass das summende Geräusch der Lüftung kaum hörbar, aber doch wahrnehmbar ist.

Vor dem, im Raum zentrierten metallenen Gebilde steht ein etwas älterer, leicht untersetzter Mann in einem weißen unbefleckten Kittel. Aus den, vor ihm, in einem weißen Tuch ausgebreiteten Werkzeugen holt er ein Skalpell hervor um damit, in einer Mischung aus stoischer Konzentration und pathologischer Kälte zu einem präzisen Schnitt anzusetzen. Nachdem er das Skalpell exakt am Brustbein platziert hat, dringt er damit tief ins Fleisch ein. Die Schärfe des Instrumentes erleichtert ihm dieses und während die Haut anfängt eine Schneise zu schlagen, führt er den Schnitt weiter fort. Dabei besticht er durch eine ungewöhnliche unaufgeregte Exaktheit und Präzision.

Nach einer Weile der Stille dringt eine männliche Stimme in den abgelegenen Raum. Erst kaum hörbar, hallt sie zunehmend durch den Raum. „Ich liebe diese Welt nicht, ich liebe sie ganz und gar nicht“, hört man sie sagen und weiß zugleich, das auf dem Seziertisch, der sich vor Michel Houellebecq ausbreitet, das Leben seines Protagonisten, eines dreißigjährigen Informatikers liegt. Fein säuberlich seziert er es und zeigt die Einsamkeit, die Depressionen und die zynische Verzweiflung des nicht besonders sympathischen Misantrophen.

Mit ihm, dem namenlosen Ich-Erzähler schickt er uns auf die Reise, die in Paris mit einer unglaublichen Tristesse beginnt und in der französischen Provinz mit einer Tragödie endet. Dazwischen erwartet uns Zynismus, Traurigkeit, Verzweiflung, Einsamkeit, Hass und ein anfängliches Gefühl der universellen Leere. Aber keine Angst, Houellebecq lässt sie damit nicht allein, denn er verfolgt ein großes Ziel und bereitet sie langsam aber stetig darauf vor. Sein Ziel ist es nicht seinen Protagonisten bloß zu stellen oder ihn gar fallen zu lassen, im Gegenteil! Er benützt ihn, um uns seine philosophische, schonungslose Analyse der Gegenmoderne zu liefern und fordert uns, sich mit ihm intellektuell zu messen. Dabei bedient er sich unterschiedlichen stilistischen Mitteln und wechselt die Erzählweise, sowie das Erzähltempo. Mal wirft er uns ins kalte Wasser und schaut zu, wie wir verzweifelt nach dem rettenden Ufer suchen, während uns das Atmen zunehmend schwer fällt, dann nimmt er uns tröstend an die Hand und lässt uns manchmal sogar lachen, weil uns manche Charaktere sehr bekannt vorkommen.

„Die Ausweitung der Kampfzone“ legt den Finger auf die Wunden des liberalen Zeitalters. Einige weniger türmen enorme Reichtümer auf, während andere verkommen und von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Zum Wirtschaftsliberalismus kommt ein zweites Differenzierungssystem, welches mindestens genauso erbarmungslos funktioniert, der sexuelle Liberalismus. Einige haben ein abwechslungsreiches Sexualleben, während das Leben von anderen auf Einsamkeit beschränkt ist. So sind die Marktgesetze.

Trotz der trostlosen Traurigkeit und Leere, dem Leid und Haas und der schweren Last der schmerzhaften und schonungslosen Wahrheit die er uns zumutet, weist uns Houellebecq auf höchst unpathetische Art und Weise darauf hin, dass der Mensch ein tief sitzendes Bedürfnis nach Liebe hat. Auch seine Protagonisten haben dieses Bedürfnis und genau an diesen, mit der modernen Welt unvereinbartem Bedürfnis gehen sie zugrunde, weil es in der individualisierten auf Konsum und eigenen Vorteil ausgerichteten Welt an einem fehlt, an selbstloser und aufrichtiger Liebe und Freundschaft.

Er will uns schocken, uns provozieren, uns wehtun, er will dass wir ihn hassen, ihn abstoßend finden aber vor allem will er uns verheimlichen das der Michel Houellebecq in „Der Ausweitung der Kampfzone“ ein desillusionierter Romantiker ist.

» DerRaucher » Beiträge: 161 » Talkpoints: 9,79 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich muss sagen, dass sich dieses Buch für mich wirklich sehr ungewöhnlich, damit aber auch reichlich interessant anhört. Unter dem Titel hätte ich mir nun etwas ganz anderes vorgestellt. Das Buch scheint wirklich sehr tiefgründig sein und zum Nachdenken anzuregen. Ich denke, dass es sich daher auch nicht so leicht lesen wird, so dass es mich wundert, dass du es gleich viermal gelesen hast. Das Buch scheint dir ja wirklich sehr gut zu gefallen.

Ich muss aber gestehen, dass ich Bücher, die so viel negative Energie versprühen, nicht so mag. Ich werde dann beim Lesen auch immer traurig und deprimiert und irgendwie habe ich dann auch nicht mehr so gute Laune. Von daher halte ich mich von solchen Büchern eigentlich auch gerne fern.

Benutzeravatar

» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^