Schwache Leistung anderer kompensieren müssen?

vom 07.11.2015, 06:26 Uhr

Ich mache meinen Job sehr gern, bilde mich gerne weiter und mag neue Herausforderungen. Vielen meiner Kollegen geht das eher nicht so. Das führt dazu, dass ich vom Chef sehr viele Aufgaben zugeteilt bekomme, sodass ich kaum noch weiß, wo mir der Kopf steht. Ich mache sie (fast) alle gern, aber ich müsste mich vierteilen, um sie alle schaffen zu können.

Meinem Chef ist die Problematik bewusst. Im Gespräch meinte er, er sei in einer Zwickmühle. Von außen werden Forderungen an uns heran getragen, die zu erfüllen sind. Er hat nur die Mitarbeiter, die gerade im Haus angestellt sind, und die beherrschen die anfallenden Aufgaben häufig nicht. Also spielt er sie mir zu, weil er weiß, dass sie dann gut erledigt werden. Am liebsten hätte er vier von meiner Sorte - habe er aber nun mal nicht. Er weiß, dass er mich nicht gnadenlos überfrachten kann, wenn er mich in der Firma halten möchte, weiß aber keine Lösung.

Einerseits mache ich meine Aufgaben gern. Andererseits macht es mich aber auch oft sauer, zu sehen, dass die Kollegen so wenig zu tun haben, während ich an manchen Tagen vor lauter Hektik nicht mal weiß, wann ich zwischendurch mal aufs Klo gehen soll.

Ist es euch auch schon so gegangen, dass ihr aufgrund höherer Kompetenzen viel mehr tun musstet als die Kollegen? War das Pensum noch zu bewältigen oder nahm es Überhand? Welche Lösung gab es?

» *Malin* » Beiträge: 141 » Talkpoints: 7,82 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich selbst war noch nicht in dieser Situation, weil meine direkten Kollegen zum Glück bisher alle so kompetent waren, dass eine solche extrem ungleiche Verteilung von Aufgaben nicht nötig war.

Aber eine ähnliche Diskussion hatte ich vor einiger Zeit mit einem Kollegen aus einem anderen Team, wo ich das ganze von außen beobachten konnte. Für den Chef, der keine personellen Entscheidungen treffen konnte, war das eine verzwickte Situation. Er konnte nur die verfügbaren Leute einteilen. Der Chef darüber hat anspruchsvolle Ziele gesetzt, die mit einer guten Mannschaft auch machbar wären. Aber in dem Team waren eben zwei recht schlechte Mitarbeiter dabei und das hat die Rechnung völlig kaputt gemacht. Die anderen Mitarbeiter haben teilweise doppelt so viele Aufgaben bekommen. Die Situation ist also sehr ähnlich wie das, was du beschrieben hast.

Wenn man sich selbst in so einer Situation sieht und der Chef das auch erkennt, ist das eine perfekte Möglichkeit, um sein Gehalt neu zu verhandeln. Allerdings sollte man dann im Zweifelsfall auch bereit sein, Konsequenzen zu ziehen, wenn sich der Chef uneinsichtig zeigt. Oder man sollte zumindest gut bluffen können. Wenn der Chef glaubt, dass man nicht kündigt, dann funktioniert das nicht. Es kann aber auch sein, dass der Chef gar nicht die Befugnis hat, das Gehalt zu erhöhen. Dann bleibt eigentlich nur die Alternative, knallhart alle Zusatzaufgaben abzulehnen.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Ich kenne das Problem leider ziemlich gut von mir selber. Ich bin im Job auch sehe engagiert und darum muss ich viele Aufgaben erfüllen, die andere dann nicht machen, weil sie es nicht können oder wollen. Das ärgert mich dann schon öfter mal, wenn es auch bei mir so ist, dass es von der Chefetage schon erkannt wird, aber man kann daran nicht viel machen.

Meine Chefs erkennen es mittlerweile auch sehr gut, welche Kollegen die Arbeiten einfach nicht machen wollen und diese bekommen sie dann auch schon mal aufs Auge gedrückt. Aber sonst wüsste ich auch keine wirkliche Lösung für das Problem.

» Barbara Ann » Beiträge: 28945 » Talkpoints: 58,57 » Auszeichnung für 28000 Beiträge



Ich kenne dies leider sehr gut. Ich war vor einiger Zeit in einer Werkstatt für Behinderte angestellt, um mich wieder in den normalen Arbeitsalltag zu integrieren. Mehrere Leute aus der Chefetage nahmen in dieser Werkstatt immer wieder Aufgaben an, um uns Behinderte zu beschäftigen. Die Arbeit ähnelte Fabrikarbeit. Wir falteten beispielsweise Verpackungen. Diese Art der Arbeit fand ich auch völlig in Ordnung, weil sie geeignet war, die Fähigkeiten jedes Einzelnen heraus zu finden.

Leider hatte aber niemand einen Überblick, wie viel Arbeit in welcher Zeit erledigt werden sollte. Deshalb kam es immer wieder dazu, dass sehr plötzlich sehr viel Arbeit erledigt werden musste, während andere Bereiche der Werkstatt (etwa die Holzverarbeitung oder die Schneiderei) normal arbeiteten. Es artete wirklich in Akkordarbeit aus. Überstunden wurden angeordnet. Wir sollten morgens schon um sechs Uhr da sein und dann zwölf Stunden arbeiten und auch am Wochenende kommen.

Dazu kamen dann noch solche Ärgernisse, dass keiner der Betreuer irgendwie qualifiziert war für die Arbeit mit Behinderten. Ständig wurden Arbeiten an Behinderte gegeben, die sie aufgrund ihrer Behinderung einfach nicht erledigen konnten. Etwa wurden Arbeiten, die viel Feinmotorik erforderten, an jemanden delegiert, der nur grobmotorisch arbeiten konnte, dafür aber etwa andere Fähigkeiten hatte. Oder es sollte jemand Kartons abzählen, der gar nicht zählen konnte.

Der Druck führte dazu, dass wir uns alle anschrieen und gegenseitig fertig machten. Die Betreuer gaben den Druck, den sie aus der Chefetage bekamen, an uns Behinderte weiter. Wir wurden tatsächlich angeschrien, dass wir uns nicht so doof anstellen sollten oder diese Aufgabe doch jedes Kleinkind erledigen könnte. Und das alles nur, weil die Chefetage nicht in der Lage waren, die Aufträge zu überblicken und zu staffeln, dass wir immer nur eine gewisse Menge abzuarbeiten haben.

Der Erfolg war dann, dass wir einen Krankenstand von etwa sechzig Prozent hatten, wobei die Krankheiten nicht an unseren diversen Behinderungen lagen, sondern einfach an Überforderung. Es gab auch Entzündungen in Gelenken, weil wir Bewegungen machen sollten, die wir einfach nicht konnten, weil etwa Gelenke deformiert waren oder dergleichen.

Inzwischen bin ich seit zwei Jahren weg dort. Die Integration in den normalen Arbeitsmarkt hat natürlich wie bei fast keinem geklappt. Stattdessen hatte ich noch lange daran zu knabbern, was da alles vorgefallen ist, denn ich habe hier kaum die Spitze des Eisberges geschildert. Dazu kommt das Gefühl, mal wieder versagt zu haben und nichts wert zu sein. Und wenn ich daran denke, dass dies alles hätte verhindert werden können, wenn die Chefetage ihre Arbeit ordentlich gemacht hätte, werde ich nur noch wütend.

Wie ich vor kurzem gehört habe, wurde inzwischen der gesamte Betreuerstab inklusive der Chefetage ausgetauscht wegen dieser Vorfälle. Auch damals hatten wir zwar schon immer wieder versucht, uns zu wehren, aber weil wir eben nur Behinderte waren und eine ganze Reihe davon auch geistig behindert, hatte uns lange keiner zugehört oder geglaubt. Es hieß lange nur, wir seien eben keine Arbeit gewohnt.

» rasenderrolli » Beiträge: 1058 » Talkpoints: 16,66 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



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