Erotikromane besser nur unter Künstlernamen veröffentlichen?

vom 22.04.2015, 22:33 Uhr

Ich habe mich mit einer Kommilitonin letztens über das Buch ''Shades of Grey'' unterhalten. Sie hat alle drei Teile gelesen und auch den Film dazu gesehen, ich selbst kenne nur die Thematik, ohne jetzt etwas davon gelesen oder gesehen zu haben. Wir haben uns dann aber über die Autorin unterhalten, denn meine Kommilitonin hatte die Theorie aufgestellt, dass die Autorin ihre persönlichen Wünsche in diesem Buch widerspiegeln würde und vermutlich in ihrem Leben keine erfüllende Beziehung gehabt hätte.

Sie ging sogar so weit zu behaupten, dass die Autorin gerne selbst in der Position der Protagonistin in dem Buch sein wollen würde, dass würde man auch daran merken, dass in dem Buch immer wieder betont wird, wie dünn und zierlich die Protagonistin ist und wie wenig sie isst. Die Autorin selbst sei ja übergewichtig und deswegen glaubt meine Freundin, dass die Protagonistin die Wunschfigur der Autorin hat.

Wegen dieser Aspekte konnte sie auch nicht nachvollziehen, warum die Autorin das Buch so offen veröffentlicht hatte. Sie selbst hätte das Buch nur unter einem Künstlernamen veröffentlicht, so dass niemand erfahren würde, dass sie das sei. Das würde zukünftige Beziehungen nicht gefährden und es müsse ihr dann auch nicht vor ihren Kindern oder ihrer Familie peinlich sein.

Denkt ihr selbst auch, dass Autoren von Erotikromanen darin lediglich ihre persönlichen Wünsche widerspiegeln, so dass es sich letztendlich um ein offenes Buch ihrer selbst handelt? Hättet ihr unter diesen Bedingungen Skrupel solche Bücher zu veröffentlichen und würdet ihr es auch besser finden, das unter einem Künstlernamen zu machen? Oder wärt ihr auch so offen wie E.L. James und würdet auch direkt euer Foto in dem Buch veröffentlichen?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ohne "Shades of Grey" gelesen zu haben, kann ich mir schon vorstellen, dass ein Machwerk, welches als Fanfiction zu dem Teenie-Schundroman "Twilight" seinen Anfang genommen und in einem für mich unerklärlichen Maß an Popularität gewonnen hat, auf recht schlichte Art die Phantasien eines recht schlichten Gemüts widerspiegelt.

Fanfiction zeichnet sich ja häufig dadurch aus, dass die Verfasser sich vorstellen, sie selbst seien der Held oder die Hauptfigur der Handlung, und somit keine eigenständigen Charaktere erschaffen, sondern idealisierte Versionen ihrer selbst. Ich finde es zwar einerseits ganz normal, dass man sich vorstellt und davon träumt, kein Durchschnittsmensch, sondern dünn, oder sexy oder begehrt oder ein Superheld zu sein, aber ich möchte mir die diesbezüglichen Phantasien anderer Leute nicht unbedingt in Buch- oder Storyform zu Gemüte führen.

Davon abgesehen würde ich persönlich nur unter Pseudonym veröffentlichen, egal, welches Genre an Unterhaltungsliteratur ich bedienen würde. Vielleicht ist es falsche Bescheidenheit, aber mir wäre es schon eher peinlich, wenn Freunde oder Arbeitskollegen meinen historischen Heimatroman oder Regionalkrimi auf Ungereimtheiten und schräge Formulierungen abklopfen würden. Ich gebe auch zu, dass ich nicht wollen würde, dass etwa meine Chefin eine von mir zusammen georgelte Sexszene liest und sich dabei eins grinst.

Allerdings muss ich auch sagen, dass mich bei einem Buch die Handlung und die Figuren viel eher interessieren als das Aussehen oder das meistens recht dröge Privatleben der entsprechenden Hausfrau, die sich den Schund am Küchentisch aus den Rippen geschnitten hat.

Man muss sich eben vorher die Vor- und Nachteile genau überlegen, die daraus entstehen können, dass der Elternbeirat des Kindergartens oder die Arbeitskollegen erfahren: Aha, die Frau Gerbera schreibt in ihrer Freizeit schmuddelige Histörchen über maskuline Chefärzte und frivole Krankenschwestern, die nichts unter dem Kittel tragen. ;)

» Gerbera » Beiträge: 11319 » Talkpoints: 49,61 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Ich denke, um einen Roman - egal welchen Genres - unter echtem Namen zu veröffentlichen, muss man einfach nur mit sich im Reinen sein. In dem Fall von "Fifty Shades of Grey" kommen dazu zwei Möglichkeiten in Betracht.

Entweder die Autorin steht tatsächlich auf die geschilderten sexuellen Praktiken und hat selber aber überhaupt kein Problem damit. Es gibt doch gar keinen Grund, sich dafür zu schämen. Wahrscheinlich ist man am Anfang verunsichert, wenn man diese Seite an sich entdeckt, aber mit der Zeit sollte man es akzeptieren und offen leben. Das ist doch wie Homosexualität. Es geht niemanden etwas an, man muss es nicht jedem ungefragt auf die Nase binden, aber man braucht sich dafür nicht zu schämen oder so tun, als wäre man jemand anders.

Die andere Variante ist, dass die Autorin nicht auf die geschilderten Praktikten steht und dieses Buch wie viele andere Romane einfach nur ausgedacht ist. Vielleicht hat sie einen Artikel darüber gelesen, fand die Thematik interessant, hat sich damit beschäftigt und so ist die Idee für ein Buch entstanden.

Ich glaube auch nicht, dass jeder Krimiautor im Grunde lieber Polizist geworden wäre. Nein, die wollen Schriftsteller sein. Geschichten und Protagonisten entwickeln. So kann auch ein netter Mensch für ein Buch eine Rolle erfinden, die andere tötet. Und ein sexuell "normal" gestrickter Mensch kann sich ein Paar ausdenken, das Dominanzspielchen treibt.

Und im Grunde muss man nur selber wissen, was im eigenen Schlafzimmer abläuft. Mir wäre es total egal, wenn irgendwelche Journalisten da Mutmaßungen anstellen. Als Schauspielerin wäre mir auch egal, wenn jemand das Gerücht in die Welt setzen würde, ich wäre lesbisch. Frauen, die mich anflirten, würde ich aufklären und ansonsten ist es doch einfach mein Ding.

So wäre mir auch egal, wenn alle Welt denken würde, ich würde auf BDSM stehen, nur weil ich ein Buch darüber geschrieben hätte. Es spielt einfach keine Rolle. Wenn es so wäre, würde ich mich dafür nicht schämen. Warum sollte ich also ein Problem damit haben, wenn es die Leute annehmen?

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



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