Regelmäßig mit Eltern üben, wenn man zweisprachig aufwächst?

vom 19.09.2015, 21:09 Uhr

Mein Freund ist genau wie ich auch zweisprachig aufgewachsen, wobei er seine zweite Muttersprache dennoch nicht perfekt beherrscht, genau wie ich. Seit neustem verabredet er sich jedoch regelmäßig mit seiner Mutter, damit sie mit ihm dann seine Zweitsprache üben kann. Sie übt dann mehrmals die Woche für je eine Stunde mit ihm, was meinem Freund sehr wichtig ist, da er die Sprache gerne perfekt beherrschen würde.

Ehrlich gesagt kann ich es mir nicht vorstellen, mit meinen Eltern regelmäßig meine zweite Muttersprache zu üben. Ich möchte diese auf jeden Fall auch irgendwann perfekt beherrschen, aber dafür habe ich selbst Bücher da, in die ich regelmäßig reinschaue. Die Aussprache kann ich ja und die Feinheiten kann ich mir einfach besser selbst beibringen und merken. Seid ihr zweisprachig aufgewachsen und habt regelmäßig mit euren Eltern geübt, was deren Muttersprache angeht? Oder lernt ihr dann doch lieber selbst?

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge



Ich finde das relativ sinnfrei, wenn ich ehrlich bin. Denn Sprache verändert sich im Laufe der Zeit und gerade, wenn man Jahrzehnte in Deutschland verbracht hat, verändert sich die Sprache doch in dem Herkunftsland. Es ist wie mit der Mikroevolution von Darwin. Bei räumlicher Trennung entwickeln sich Populationen eben unabhängig voneinander weiter und ab einer gewissen Zeit sind die Differenzen zwischen diesen Populationen zu groß. Bei Sprache ist das laut meiner Beobachtung genauso.

Meine Eltern beispielsweise sprechen Russisch, auch wenn das nicht ihre Muttersprache ist. Sie sind dort geboren und aufgewachsen bis wir hierher gekommen sind. Ab und zu wird diese Sprache auch in der Familie gesprochen. Ich war mit meinen Eltern und Geschwistern vor einigen Jahren in Russland bei Verwandten zu Besuch und mein Vater hatte einen absoluten Kulturschock.

Er meinte selbst hinterher, dass er immer geglaubt hätte, dass er Russisch perfekt beherrschen würde, aber vor Ort hat er gemerkt, dass er das gar nicht wirklich kann. Die Sprache hat sich in über 20 Jahren einfach zu sehr verändert und weiterentwickelt, sodass es sehr viele neue Begriffe gab, mit denen er gar nichts anfangen konnte.

Bei meiner Schwiegerfamilie und meinem Freund ist es dasselbe. Ich versuche gerade meine Russisch-Kenntnisse vom B2-Niveau auf C2-Niveau zu verbessern, wobei ich mir extra eine Tandempartnerin aus Moskau gesucht habe. Sie hat dort studiert und ist dort aufgewachsen und ist erst seit knapp 1,5 Jahren in Deutschland. Sie spricht wirklich perfektes und reines Russisch, sodass ich lieber das lerne als das Kauderwelsch aus meiner Schwiegerfamilie bzw. meiner Familie.

Ich habe durch das Lernen mit ihr auch schon viele Differenzen festgestellt, die man so in Russland nie sagen würde und selbst wenn, würde einen keiner verstehen. Welchen Sinn hat es also, die eigene Muttersprache zu verstehen und perfekt zu sprechen, wenn das nur von der eigenen Familie verstanden wird und nicht von anderen Landsleuten?

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Also ich finde nichts verwerfliches daran, wenn man die Sprache mit jemandem lernt, der sie kann. Deshalb kann ich auch nicht nachvollziehen, warum man lieber aus Büchern lernt, wenn man doch jemand hat, der die Sprache beherrscht, das ist doch um Welten besser.

Und der Einwand, dass sich lebende Sprachen verändern, mag zwar sein, aber er ist sicher in einer kurzen Zeitspanne von ein paar Jahrzehnten nicht so wesentlich. Es ist doch ein Vorteil, eine Sprache zu können. Bei der Schreibweise mag sich vielleicht einiges verändern, aber beim Sprachgebrauch geht das nur schleichend, so finde ich.

Es ist doch jedem selber überlassen, ob er autodidaktisch (sich selber beibringend) lernt, oder mit jemandem anderen, der die Kenntnisse bereits erworben hat. Und bei der Muttersprache, das sagt ja schon der Name, das ist die Sprache der Mutter, ist es doch toll, sie mit der Mutter zu lernen.

Fürchtest du etwa, dass dein Freund dann nicht mehr genug Zeit für dich haben könnte, wenn er zu seiner Mutter geht, die Zweitsprache zu lernen? Oder was ist der Grund dafür, dass du dem so pessimistisch gegenüber stehst?

» nordseekrabbe » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich bin ebenfalls zweisprachig aufgewachsen und habe die Sprache meines Vaters auch regelmäßig mit ihm geübt, obwohl im Haus ansonsten nur Deutsch gesprochen wurde. Das mag in diesem Fall vielleicht auch daran liegen, dass mein Vater Englisch als Muttersprache spricht und mir das alleine schon in der Schule sehr geholfen hat.

Meistens hatte ich so einen erheblichen Vorsprung zu meinen Klassenkameraden, da ich nicht nur früh die Grammatik beherrscht habe, sondern auch die Aussprache. Gerade wenn man beginnt, eine neue Sprache zu lernen, muss sich die intuitive Herangehensweise der richtigen Aussprache auch unbekannter Worte ja erst noch entwickeln. Und das geschieht nur durch die entsprechende Übung, welche mir durch Gespräche und Übungen mit meinem Vater gegeben war.

Heute mache ich das logischerweise nicht mehr, da ich die englische Sprache perfekt und auf dem Niveau eines Muttersprachlers beherrsche. Wäre das nicht der Fall, hätte ich aber auch kein Problem damit, das noch regelmäßig zu üben. Im Grunde ist es ja egal, mit welcher Person man das macht. Hat man jemanden dafür in der eigenen Familie, ist es schlicht und ergreifend praktischer, meiner Meinung nach.

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» TamiBami » Beiträge: 2166 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Ich finde es toll, dass dein Freund seine Muttersprache, oder eine seiner beiden Muttersprachen, aktiv am Leben erhalten möchte. Dass er sich mit seiner Mutter regelmäßig trifft, finde ich doppelt süß. Erstens wiederholt der die Sprache oder pflegt sie, andererseits pflegt er auch seine Beziehung zur Mutter. Toller Mann! Ansonsten kann man die Sprache auch mit Bekannten, Freunden, Kursen usw. sprechen oder im Urlaub.

» Nemnema » Beiträge: 5 » Talkpoints: 1,04 »


Ich bin auch zweisprachig aufgewachsen und kann sagen, dass ich beide Sprachen perfekt beherrsche. Meine erste Muttersprache war Russisch und ich bin meinen Eltern unheimlich dankbar, dass sie nicht aufgehört haben mit mir Russisch zu sprechen, als wir nach Deutschland gezogen sind.

Eine zweite Sprache perfekt zu sprechen ist doch so ein Vorteil und wenn man die Möglichkeit hat diese von jemandem zu lernen, der sie perfekt beherrscht, sollte man die Möglichkeit auch nutzen.

Ich möchte auch noch etwas zum Thema Sprachwandel sagen. Also ich lebe seit 22 Jahren in Deutschland und war in dieser Zeit zehn Mal wieder in Russland und nie hatte ich Probleme mich dort zu verständigen. In 20 Jahren verändert sich eine Sprache nicht so stark, aber ein Mensch, der in 20 Jahren die Sprache sehr, sehr selten spricht, vergisst Vieles.

Klar gibt es immer wieder mal neue Wörter, aber wir haben im Deutschen doch auch ständig irgendwelche neuen Wortschöpfungen (siehe Liste der Jugendwörter), mit denen man ab einem bestimmten Alter nicht mehr wirklich viel anfangen kann.

Auf jeden Fall finde ich es sehr klug von deinem Freund, dass er mit seiner Mutter übt. Würde ich auch machen, wenn ich meine Muttersprache nicht perfekt könnte.

» Hasi14 » Beiträge: 36 » Talkpoints: 14,00 »


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