Wirtschaft als Pflichtfach Ergebnis von Lobby-Arbeit?
Ab dem kommenden Schuljahr 2016/2017 wird in Baden-Württemberg Wirtschaft als Pflichtfach in den Schulen eingeführt. Das heißt, dieses Themengebiet bekommt in allen allgemeinbildenden weiterführenden Schulen ein eigenständiges Fach.
Das betrifft also Hauptschule, Gesamtschule, Realschule und Gymnasium, was durchaus nicht ganz unumstritten ist. Bisher gibt es außer Baden-Württemberg noch keine anderen deutschen Bundesländer, die Wirtschaft als Pflichtfach ebenfalls einführen wollen.
Dieses Fach bekommt nun in Sachen Benotung also den gleichen Stellenwert wie beispielsweise Mathematik und Deutsch, was vielen Schülern ein Dorn im Auge sein könnte. Aber auch verschiedene Elternverbunde, Gewerkschaftsvertreter und Lehrerverbände halten die Einführung von Wirtschaft als Pflichtfach für bedenklich.
Wie sich nämlich herausgestellt hat, ist dieser Schritt vor allem auf eine ausführliche und letztendlich sehr erfolgreiche Lobby-Arbeit aus der Privatwirtschaft zurückzuführen. So befürchten viele Leute nicht ohne Grund, dass in diesem Fach viele wirtschaftskritische Aspekte gar nicht berücksichtigt werden.
Was haltet ihr denn davon, dass Baden-Württemberg den Wirtschaftsunterricht auf allen weiterführenden Schulen zur Pflicht macht? Ist dies ein längst fälliger Schritt, den auch die anderen Bundesländer gehen sollten?
Oder handelt es sich dabei lediglich um das Produkt einer erfolgreichen Lobby-Arbeit und den Schülern wird neben den entsprechenden Fachkenntnissen vor allem vermittelt, wie toll die Privatwirtschaft doch ist?
Ja, ich halte das für einen längst fälligen Schritt. Mich wundert es ehrlich gesagt, dass es noch nicht schon längst so ist. Zumindest in Gymnasien in Bayern ist Wirtschaft ein fester Bestandteil im Unterricht. Es war zwar nicht überall ein Hauptfach, aber auch als Nebenfach hat es seinen Zweck erfüllt.
Kritisiert wird doch offensichtlich gar nicht die Einführung selbst, sondern die Angst vor einer falschen Umsetzung. Aber ich denke es sollte allgemein klar sein, dass Schulen Wissen und keine Ideologien vermitteln sollen. Sollte sich das ändern, muss man natürlich etwas unternehmen. Aber das hat gar nichts mit dem Fach Wirtschaft zu tun. Das gleiche gilt für Geschichte, Geografie oder Sozialkunde. Dafür sind Lehrer aber in der Regel ja Beamte und haben einen entsprechenden Auftrag vom Staat.
Natürlich kann man hoffen, dass mit mehr Wissen Vorurteile verschwinden. Was man teilweise hört und auch hier liest, ist wirklich haarsträubend. Da werden wild irgendwelche Zusammenhänge gesponnen, die nicht existieren oder einfach nur grob falsche Tatsachen wiedergegeben. Mit einem geringen Wissen über wirtschaftliche Zusammenhänge könnten solche Vorurteile vermieden werden.
Man muss natürlich bei dieser Diskussion immer auch die Intentionen der Gegner berücksichtigen. Dass sich Menschen und Organisationen, die Profit aus dem Unwissen der deutschen Bürger ziehen, dagegen ist, ist beispielsweise sehr einleuchtend. Aber auch die anderen Parteien werden ihre Gründe haben, die nichts mit der angeblichen Lobbyarbeit zu tun haben.
Weasel_ hat geschrieben: Mit einem geringen Wissen über wirtschaftliche Zusammenhänge könnten solche Vorurteile vermieden werden.
Du meinst doch sicherlich "mit etwas mehr Wissen"? Der Unterricht muss gut strukturiert sein, auch muss über die negativen Dinge gesprochen werden um eine möglichst breite Basis für Einschätzungen zu schaffen. Wobei ich mir nicht so recht sicher bin, ob dieser Art Unterricht wirklich gewollt ist.
Das Problem hierbei ist ja, dass die Einführung wohl tatsächlich auf eine entsprechende Lobby-Arbeit zurückzuführen ist. Scheinbar hat die Stiftung eines reichen Verlegers maßgeblich dazu beigetragen, dass die entsprechenden Professuren an der Universität Tübingen eingerichet werden können, wodurch eine Weiterbildung (bzw. Studium) der Lehrkräfte in diesem Bereich erst möglich gemacht werden kann.
Außerdem im baden-württembergischen zwei von drei Personen, die diese Entscheidung maßgeblich abgesegnet haben, ebenfalls im Beirat dieser einen Stiftung vertreten. Es gibt noch einige weitere Beispiele für solcher Art "Zufälle", weswegen das schon einen gewissen Beigeschmack hat.
Ich begrüße auf der einen Seite zwar, dass eine gewisse Bildung in diesem Bereich nun vorangebracht werden soll. Immerhin ist ein Grundverständnis der Wirtschaft notwendig und es ist in der Tat so, dass dieses bei vielen jungen Menschen fehlt.
Auf der anderen Seite erinnere ich mich noch gut an meine eigene Schulzeit und den Unterricht im Fach Wirtschaft, welches ebenfalls ein Pflichtfach war, da ich auf ein Wirtschatsgymnasium ging.
Eine kritische Auseinandersetzung mit der Wirtschaft an sich und Themen wie Kapitalismus war schlicht und ergreifend nicht gegeben. Und wenn man doch einmal Gedanken in diese Richtung äußerte, wurden sie von den Lehrern schnell wieder zerschlagen.
Ich kann mir schwerlich vorstellen, dass die entsprechenden Lehrkräfte ihren Lehrplan nun so frei gestalten können, dass noch viel Platz für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Fachbereich vorhanden ist.
Du meinst doch sicherlich "mit etwas mehr Wissen"?
Nein, ich meinte das im Sinne von "selbst mit geringem Wissen" im Vergleich zum heute vorherrschenden Nichtwissen.
Ich kann mir schwerlich vorstellen, dass die entsprechenden Lehrkräfte ihren Lehrplan nun so frei gestalten können, dass noch viel Platz für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Fachbereich vorhanden ist.
Die kritische Auseinandersetzung mit dem Thema hat doch nichts mit dem Lehrplan zu tun. Man kann jedes Thema unter verschiedenen Aspekten unterrichten. Das ist eine Frage des Lehrers. Aber wie gesagt sollte man Ideologie aus dem Unterricht soweit wie möglich heraus halten. Es geht weder darum den Kapitalismus zu verherrlichen noch zu kritisieren, es geht einfach darum zu wissen, wie er funktioniert und wie man damit umgeht.
Ich verstehe nicht, wieso sich hier Leute aufregen, während hunderttausende Deutsche BWL oder andere Fächer mit Wirtschaftsanteil studieren. Da könnte man ja die gleichen Argumente anführen. Wirtschaft ist heute aber eben für die allgemeine Hochschulreife genauso wichtig wie beispielsweise Mathematik.
Dass das ganze Thema von Unternehmern getrieben wird, hat nichts damit zu tun, dass man keine Kritik wünscht. Es ist einfach so, dass man Fachkräfte in dem Bereich braucht und man sich wünscht, dass sie so früh wie möglich an das Thema heran geführt werden.
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