Wurden Depressionen bisher unterschätzt?

vom 31.03.2015, 17:28 Uhr

Angesichts der aktuellen Ereignisse um den Flugzeugabsturz in den Alpen muss man sich diese Frage stellen. Nachdem hier nun auch massenweise ältere Postings mit dem Tenor, dass Depressionen eigentlich überhaupt nicht so schlimm sind, zu finden sind, gilt dies sicher auch nicht nur für Ärzte.

Bisher wurden Depressionen doch kaum als ernsthafte Volkskrankheit anerkannt und eher belächelt. Auch viele Ärzte und Psychiater waren hier mit Faulheitsvorwürfen sehr schnell zur Hand. Immerhin haben sie diesen Patienten anscheinend auch als geheilt entlassen und ihm somit die Pilotenlizenz erst ermöglicht.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Depressionen sind eine ernsthafte Erkrankung und stehen körperlichen Erscheinungen in Nichts nach, da sie diese auch hinterherführen können. Generell ist es leider so, dass in vielen Fällen die Depression nicht ernst genommen wird. Was von Ärzten im großen Teil noch halbwegs akzeptiert wird ist auf der Arbeit inakzeptabel da es Leistungseinbußen bringt. Hier kommt in der Tat schnell nur der Vorwurf von inakzeptablem Verhalten, von Faulheit und Unprofessionalität.

Faktisch ist es so, dass so etwas wie der Flugzeugabsturz in den Alpen natürlich wachrütteln sollte. Immerhin haben hier sehr viele Menschen ihren Tod gefunden, allem Anschein nach dadurch dass ein psychisch erkrankter Mensch rot gesehen hat und sich entschlossen hat alle mit sich zu nehmen.

Ich kenne diese Problematik von Depressionen selbst nur zu gut und kann verstehen wie man sich fühlt wenn man darunter leidet und mit niemandem darüber sprechen kann. Der Flugzeugabsturz war natürlich ein Extremfall, die wenigsten Menschen gehen soweit hunderte von Unschuldigen in den Tod zu reißen, nur weil sie selbst nicht mehr leben möchten. Aber leider Gottes reicht schon einer um hunderte oder gar tausende Familien zu zerstören. Hoffen wir, dass daraus eine erhöhte Akzeptanz für Depressionen entsteht, ebenso wie eine Erhöhung der medizinischen Angebote für Betroffene.

» Azelas90 » Beiträge: 270 » Talkpoints: 18,44 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Es ist doch immer wieder dasselbe, es muss erst was passieren und dann laufen durch die Presse wieder Vorwürfe und Diskussionen. Solche hatten wir aber auch schon bei einem Robert Enke beispielsweise und ich denke nicht, dass man dazwischen immer wieder vergessen sollte, so scheinen aber viele Menschen zu sein, vergesslich.

Natürlich ist das eine schwere Erkrankung und leider wird sie auch durch diesen Absturz nicht mehr Anerkennung finden. Es kann schlichtweg jeden treffen und die Behandlungsmöglichkeiten sind langwierig und schwer. Ich denke leider nicht, dass die Menschen diese Erkrankung nun mehr anerkennen, man muss das selber mal erlebt haben, damit man es anerkennen kann und besser verstehen kann.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Auch ich habe die Befürchtung, dass der schreckliche Absturz eher ein schlechtes Licht auf alle psychisch kranken Menschen werfen wird. Denn es ist doch was anderes als wie bei Robert Enke, der sich alleine das Leben nahm, zu dem Ereignis letzte Woche, bei dem 149 andere und vor allem unbeteiligte Menschen mit in den Tod gerissen wurden.

Die wenigsten fragen sich zur Zeit, warum der Pilot das getan hat. Die meisten fragen klar nach dem, wie das nur passieren konnte. Eine durchaus nachvollziehbare Frage. Die Trauer, die es nach dem Tod von Robert Enke gab, gibt es zwar auch. Aber man bedauert nicht den Selbstmörder. Für mich ebenfalls eine nachvollziehbare und menschliche Regung. Auch ich habe hier leider recht wenig Mitleid oder Mitgefühl mit dem Täter.

Immerhin haben sie diesen Patienten anscheinend auch als geheilt entlassen und ihm somit die Pilotenlizenz erst ermöglicht.

Ich denke nicht, dass man hier die Schuld unbedingt den Ärzten zuschieben kann. Ich habe in einem anderen Thread schon grob beschrieben, dass es recht einfach ist, einen Amtsarzt (für den Fall, der Arzt, der die ärztlichen Untersuchungen für die Fluggesellschaft macht) das zu zeigen, was er hören und sehen will. Den meisten psychisch kranken Menschen sieht man ihre Erkrankung eben nicht an. Und wenn die noch dazu keine reinen Psychopharmaka nehmen und diese auch schon länger nicht mehr nehmen, sind die auch im Blut nicht nachweisbar.

Ganz generell ist aber das Gesundheitssystem in Deutschland ein Thema für sich. Ich war auch schon ein paar Mal in psychiatrischen Kliniken. Und ich bin nicht die einzige Patientin, die man irgendwann einfach entlassen hat. Eben weil es da auch Druck der Krankenkassen gibt.

Ich bin nun knappe zehn Jahre in dem System drin. Zu den besten Zeiten hat mich einmal die Woche ein Psychiater einer Klinik ambulant gesehen und mit mir Psychotherapie gemacht. Ich hatte einmal die Woche eine spezielle Gruppentherapie. Ich durfte zweimal in der Woche ambulant Ergotherapie machen. Hatte ein wöchentliches Gespräch mit dem Sozialdienst der Klinik. Und hatte noch eine ambulante Betreuung mit drei Stunden die Woche, was so ziemlich das Höchste ist, was man an ambulanter Betreuung bekommen kann.

Heute habe ich von dem nicht mehr wirklich viel. Klar ist ein Teil weg gefallen, weil für mich nicht passend. Ein Teil ist aber auch aufgrund des Gesundheitssystems weg gefallen. Ich soll einmal im Monat zu einem Psychiater. Wobei das noch eine Art Sonderregelung ist, denn normal sind etwa alle sechs Wochen. Mittlerweile ist die Einrichtung nicht mehr in der Lage mir diesen einen Termin pro Monat anzubieten. Der letzte Kommentar dazu war, dass ich ja regelmäßige Termine mit dem Sozialdienst habe.

Die Sozialarbeiterin darf mir aber weder Medikamente verschreiben, noch mich in der Richtung beraten. Sie ist mit Sicherheit ausgebildet, um psychisch kranke Menschen zu betreuen, aber sie kann eben keinen Arzt ersetzen. Und bis jetzt weiß die Sozialarbeiterin auch noch nicht, dass sie die Arztbesuche ersetzen soll. Denn das haben einfach mal so die Sprechstundenhilfen entschieden.

Ich stecke nun seit knappen zehn Jahren in dem System drin. Ich habe dieses Jahr zum ersten Mal erlebt, dass jemand meine Behandlung mit einer guten und sachlichen Begründung ablehnt. Man sagte mir, dass man das, von dem man vermutet was ich brauche, nicht leisten kann. Man sich nicht auf ein wir versuchen es halt, ankommen lassen möchte. Man nicht sagen möchte, das und das habe man zu bieten und entweder ich nehme es oder lasse es bleiben. Ich bin bisher immer nach dem Motto: Wir versuchen es halt mal und wir haben das und das zu bieten und ICH muss das annehmen behandelt worden. Und nein es ist nicht gut gegangen. Allerdings würde ich nie unbeteiligte mit in den Tod reißen.

Hier hat man keinerlei Anlaufpunkt in psychischen Krisen. Ich habe die Wahl mich stationär in die örtliche Klinik zu begeben oder lasse es bleiben. Ok deutschlandweit kann man die Dienste der Telefonseelsorge nutzen. Aber hier einfach in der Psychiatrie vorsprechen und nur ein Gespräch wollen, geht hier gar nicht. Krisendienste, die man Abends, Nachts, an Wochenende und Feiertagen erreichen kann, sind ebenfalls Fehlanzeige.

Es mangelt teilweise nicht wirklich am Willen und Können von Ärzten. Ich für meinen Teil weiß, dass ich die Behandlung, die ich brauchen würde, als einfacher Kassenpatient in Deutschland nicht bekommen kann. Und so geht es einer Vielzahl anderer Betroffener eben auch. Die Kliniken nehmen auf, behandeln teilweise aus Personalmangel kaum und entlassen so schnell wie möglich wieder. Nachsorge ist zum Großteil ein Fremdwort.

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge



Mir ist es noch immer schleierhaft, wie alle Welt einfach auf den Zug aufspringen kann, dass die alleinige Schuld beim Co-Piloten liegt. Die wenigsten Nachrichten halten sich daran, dass die Ermittlungen noch laufen und bisher in keiner Richtung ein Beweis vorliegt, sondern nur Theorien. Denn bisher ist nur bekannt, dass der Mann vor einigen Jahren wegen Depressionen behandelt wurde.

Wobei man dabei noch sehen muss, dass die Lufthansa darüber informiert war. Und das nicht erst seit gestern oder letzter Woche, sondern schon zu der Zeit, wo der Mann sich noch in der Ausbildung befand. Ob und in welchem Umfang eine Schuld beim Co-Piloten liegt und ob überhaupt diese Erkrankung dabei eine Rolle gespielt hat, steht noch gar nicht fest.

Deswegen ist es wohl auch etwas kurzsichtig, wenn man sich jetzt hinstellt und sagt, dass diese Erkrankung unterschätzt wird. Wobei ich persönlich auch der Meinung bin, dass man mit entsprechenden Diagnosen viel zu schnell daher kommt. Genauso, wie man viel zu schnell Kinder ein ADHS diagnostiziert, weil es einfacher ist, ein paar Medikamente zu verschreiben, als sich intensiver mit den Patienten zu beschäftigen.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Ich habe inzwischen auch gesehen, dass man auch mit Heilungsversprechen ebenso schnell ist und Patienten auch in den aussichtslosesten Fällen eine Heilung verspricht bzw. auch bescheinigt.

Außerdem fühlen sich Ärzte bei Erkrankungen in zwei verschiedenen Gebieten oft nur für eines zuständig, obwohl beide zusammenwirken und genau darin sehe ich ein Riesenproblem.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Ich finde es aber auch anstrengend, mit Menschen richtig umzugehen, die eine Depression haben. Das ist nicht immer leicht und ich habe manchmal auch den Eindruck, dass bei Depressiven die Grenze zwischen der Störung und bewusster Absicht fließend verläuft. Sich traurig fühlen und nicht mehr leben wollen ist eine Sache, aber andere mitnehmen wollen ist eine ganz andere Kategorie, das glaube ich niemandem, dass da keine Absicht dahintersteckt.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



@ Zitronengras - ich vermute stark, dass du gar nicht von allen Menschen mit denen du Umgang hast weißt, ob sie eine diagnostizierte Depression haben oder nicht. Komischerweise erscheint dir aber der Umgang mit Menschen immer dann schwerer, wenn du weißt, dass dein Gegenüber Depressionen hat.

dass bei Depressiven die Grenze zwischen der Störung und bewusster Absicht fließend verläuft.

Kannst du das bitte näher erklären? Vielleicht an einem Beispiel? Denn ich kann dir da gerade nicht ganz folgen.

Sich traurig fühlen und nicht mehr leben wollen ist eine Sache, aber andere mitnehmen wollen ist eine ganz andere Kategorie, das glaube ich niemandem, dass da keine Absicht dahintersteckt.

Das besagter Pilot das nicht mit Absicht gemacht hat, hat auch keiner abgestritten. Selbst ich gehe davon aus, dass ihm durchaus bewusst war, was er da tat.

Es gibt allerdings durchaus psychische Erkrankungen, bei denen man nicht wirklich immer sein Handeln beeinflussen kann. Aber im genannten Fall hat der besagte Pilot ja die Kabinentür wahrscheinlich sehr bewusst verriegelt. Allerdings glaube ich schon, dass das ein bisschen mehr als sich ein bisschen traurig fühlen war.

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge


Unverständlich für mich, dass man Depressionen noch so unterschätzt. Wenn man Depressionen hat, ist man einfach seelisch krank, und das ist meiner Meinung sehr schlimm. Es gibt so viele Menschen, die Selbstmord begehen aufgrund dessen und trotzdem ist es immer noch nicht wirklich in den Köpfen der Menschen drin.

Natürlich unterschätzen die Leute Menschen, die an Depressionen leiden. Vor allem die, die selbst diese Krankheit noch nicht miterlebt haben oder selbst hatten. Ein richtiges Depressionstief kann fatale Folgen haben, weil man da einfach ein ganz anderer Mensch ist. Man ist einfach der Meinung jeder hasst einen und nichts ist überhaupt wirklich wichtig. Schon gar nichts, was die eigene Person betrifft.

Wie es wirklich ist, an Depressionen zu leiden, kann ich gut verstehen, da ich selbst Probleme damit habe. Wenn man diese dann behandeln lässt bzw es versucht, und es nicht besser wird, fällt man nur tiefer in sein mentales Loch, da man sich einfach total hilflos und vollkommen allein vorkommt. Es gibt nichts schlimmeres in einer Depression, als sich einsam zu fühlen. Daher ist es wichtig, dass man eine vertraute Person hat, die einen aufbauen kann. Daher rate ich auch gerne, dass die Menschen sich seine vertrauten genau ansehen.

Um wirklich ein Arzt zu werden, der sich mit solchen Menschen beschäftigt, sollte man meiner Meinung nach schon eine gewisse Menschenkenntnis besitzen. Und zwar die Kenntnis, die in die Richtung von psychisch krank geht. Ich zum Beispiel erkenne sofort, wenn jemand nicht ganz richtig im Kopf ist. Ich weiß wirklich nicht, woran ich das merke, und ich denke auch wirklich nicht bewusst darüber nach, aber mein Gefühl sagt mir einfach, wenn jemand Probleme hat. Bis jetzt habe ich mich auch noch nicht geirrt, was das angeht.

Ich denke, dass so etwas fast hilfreicher ist als das ganze Psychologie Studium überhaupt, da man einfach erkennt, ob da noch etwas im Busch ist oder nicht. Leute, ohne diese Kenntnis reagieren einfach nur nach der auffälligen Körpersprache und dem was gesagt wird. Doch Depressive Menschen sind sehr geschickt darin, diese zu verbergen, selbst vor solchen gelernten Kräften. Das macht die Depression auch so gefährlich für die Person selbst und auch für andere.

Als depressiver Mensch ist es auch sehr schwierig, sich Hilfe zu holen, einfach weil Depression auch oft mit großer Angst vor Zurückweisung einhergeht. Wenn einem sowieso alles ziemlich sinnlos erscheint, wieso sollte man dann seine Angst überwinden und sich Hilfe suchen? Wozu jemanden seine Sorgen und Probleme erzählen, wenn er einem dabei sowieso nicht helfen kann? Was bringt es denn, jemanden überhaupt etwas davon zu sagen?

So denken depressive Menschen einfach, daher bin ich der Meinung, dass die Menschen sich mit diesem Thema mehr befassen sollten und sich seine Mitmenschen einfach mal mit diesem Wissen ansehen sollten. Denn die wenigsten depressiven Menschen werden von sich aus alleine Hilfe in Anspruch nehmen.

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» Divia » Beiträge: 745 » Talkpoints: 55,66 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Depressive Menschen werden immer noch oft einfach nur als faul angesehen und bekommen dies auch von den Ärzten so gesagt und so vermittelt: Immerhin verdienen hier viele Psychiater und Psychologen ihr Geld damit, diese Leute zu heilen. Hier ist es wenigstens noch möglich und führt nicht in die Kriminalität.

Manchmal wäre sicher etwas mehr Aufgeschlossenheit notwendig. Bei besonders schweren Fällen sind auch Medikamente notwendig. Da führt dann wohl kein Weg vorbei. Irgendwie muss man hier auch mal klar und deutlich sagen, dass für kriminelle Patienten immer noch viel eher Mittel bereitgestellt werden um diese zu heilen. Da sind die Chancen aber gering.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


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