Russland und die Homosexualität - warum so restriktiv?

vom 12.08.2013, 22:10 Uhr

Also ich finde auch, dass jeder sein Leben so leben sollte, wie er es selbst für richtig hält. Und ich glaube, dass Liebe keine Sünde sein kann. Meiner Meinung nach ist Liebe nicht nur "farbenblind", sondern auch blind, wenn es um das Geschlecht des anderen geht. Es spielt meiner Meinung nach keine Rolle, in wen man sich verliebt, solange man dabei glücklich ist.

Allerdings finde ich auch, dass jedes Volk und jede Kultur seine Eigenarten hat, die man zumindest versuchen sollte zu verstehen und zu tolerieren, anstatt andere direkt zu verurteilen. Ich bin sicher, die Juden und Moslems gucken die Christen auch schief an, weil viele von ihnen die Taufe praktizieren. Sowas kennen die nicht. Aber dafür kennen die Christen keine religiöse Beschneidung, die im Judentum und im Islam Tradition hat.
Diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen.

Ich bin mir sicher, dass diese konservative Einstellung bei den Russen nur eine Phase ist und sich in wenigen Jahrzehnten umgewandelt haben wird. Vor 30 Jahren waren die Menschen in Deutschland auch eine ganze Ecke konservativer als jetzt. Das ganze ist ein Prozess, der sich selbst entwickelt ohne dass man eingreifen muss.

Die Evangelische Kirche war auch mal konservativer und jetzt sind dort sogar Wiederverheiratung nach einer Scheidung und (wie ich kürzlich las) homosexuelle Eheschließungen erlaubt. Es gab eine Zeit, da war das undenkbar. Selbst die katholische Kirche erlebt einen Wandel, wenn sie jetzt sogar die "Pille danach" in Vergewaltigungsfällen erlaubt. Bald ist die orthodoxe Kirche auch soweit, ich bin mir sicher. Es ist nur eine Frage der Zeit.

» Piccolino89 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Mod am 20.08.2013, 11:38, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen


derpunkt hat geschrieben:Das Gesetz verbietet schlicht die "homosexuelle Propaganda"! Ich finde so ein Gesetz natürlich auch mindestens fragwürdig - aber die Regelungen in der BRD bis 1994 waren wesentlich restriktiver!

Die Regelungen in der Bundesrepublik Deutschland bis 1994 waren restriktiver, das steht außer Frage. Und in einigen Staaten der Welt, wie etwa Saudi-Arabien oder dem Iran, sind sie noch heute weitaus homosexuellenfeindlicher. Ich sehe nicht unbedingt Deutschnationalismus oder Kultur-Chauvinismus darin, wenn man auf diese Missstände hinweisen möchte.

Genauso wenig kann die Tatsache, dass es anderswo noch schlimmer sei, eine "Entschuldigung" für einen Missstand sein. Auf Probleme sollte man immer hinweisen dürfen, seine Meinung darüber frei äußern dürfen, egal, um welche Probleme es sich handelt und wo auf dieser Welt sie vorhanden sind. Eine falsche Scheu davor, Kritik zu äußern, macht nichts besser. Denn Missstände werden so nicht behoben. Dies sollte aber das höchste Ziel sein.

Abgesehen davon ist der Begriff der "homosexuellen Propaganda" auf diese Weise, wie sie nun im russischen Strafrecht auftaucht, sehr schwammig. Es sieht danach aus, dass nicht nur positive schriftliche oder verbale Äußerungen gegenüber Homosexualität unter dieses Gesetz fallen, sondern auch das Küssen zwischen zwei homosexuellen Partnern bereits als Propaganda betrachtet werden kann. Wenn man hingegen nicht einmal mehr seinen Partner küssen darf, wenn es andere Menschen sehen könnten, oder wenn man sich möglicherweise nicht einmal in der Öffentlichkeit bei der Hand halten darf, dann kommt dieses Gesetz gegen "homosexuelle Propaganda" in der Praxis einem Gesetz an homosexuellen Handlungen in der Öffentlichkeit an sich sehr nahe.

crazykris1 hat geschrieben:In Deutschland ist man da ja zum Glück sehr weit vorangeschritte, und gleichgeschlechtliche Liebe ist in den meisten gesellschaftlichen Schichten akzeptiert

Das würde ich traurigerweise in Frage stellen. Wenn man mit einem gleichgeschlechtlichen Partner unterwegs ist, erntet man sogar in der ach wie toleranten Hauptstadt Berlin noch von vielen Menschen schiefe Blicke. Teilweise erfolgen sogar verbale Beleidigungen. Diese Erfahrungen habe ich selbst machen müssen, habe sie mitbekommen müssen, wenn fremde homosexuelle Paare zum Beispiel im selben U-Bahn-Wagen wie ich saßen, und Erzählungen von solchen Erlebnissen habe ich von einigen meiner homo- oder bisexuellen Freunde leider auch schon einige Male zu hören bekommen. Von einer absoluten Toleranz und Gleichstellung kann also leider noch immer nicht die Frage sein. Und wie derpunkt bereits schrieb: "Schwul" gilt heute, gerade unter Jugendlichen, als ein sehr heftiges Schimpfwort. Darüber sollte man sich mal Gedanken machen.

Piccolino89 hat geschrieben:Allerdings finde ich auch, dass jedes Volk und jede Kultur seine Eigenarten hat, die man zumindest versuchen sollte zu verstehen und zu tolerieren, anstatt andere direkt zu verurteilen. Ich bin sicher, die Juden und Moslems gucken die Christen auch schief an, weil viele von ihnen die Taufe praktizieren. Sowas kennen die nicht. Aber dafür kennen die Christen keine religiöse Beschneidung, die im Judentum und im Islam Tradition hat.

Natürlich sollte man kultursensibel sein, allerdings sollte es auch möglich sein, Diskriminierung anzusprechen, selbst, wenn diese in einem Land geschieht, in dem sie irgendwelche religiösen Wurzeln haben könnte. Es geht doch darum, dass mit dieser Intoleranz Menschen geschadet wird. Darauf sollte man hinweisen können.

Insofern passt übrigens Dein Beispiel auch nicht ganz. Denn wenn es beispielsweise um die christliche Taufe geht, so mag dieses Ritual einigen Nicht-Christen vielleicht komisch vorkommen, aber im Gegensatz zu homosexuellenfeindlichen Gesetzen schadet es erst einmal nicht, wenn ein Kleinkind kurz mit Wasser bespritzt oder in ein Wasserbecken getaucht wird. Natürlich kann man die Tatsache, dass so junge Menschen, die selbst noch gar keine Idee von Religion haben, schon kirchlich indoktriniert werden, ebenfalls kritisieren. Aber damit, wie homosexuellen Menschen geschadet wird, indem man sie staatlich verfolgt, ist das nun wirklich keineswegs zu vergleichen.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Das mit der Propaganda wird anscheinend eben sehr weitläufig interpretiert. Ein homosexueller Kuss in der Öffentlichkeit ist wohl wirklich schon als "Propaganda" zu sehen und wird bestraft. Neulich hatte eine Athletin sich die Fingernägel in Regenbogenfarben lackiert. Eigentlich sollte das nichts schlimmes sein. Aber auch das wurde sofort als Provokation aufgefasst, denn die Aktion wurde gleich als Hinweis an die Regenbogenflagge gewertet. Ich finde das ganze im Moment eben relativ übertrieben.

Und ich denke auch wie Wawa666, dass man Missstände nicht tot schweigen sollte. Natürlich macht das vielleicht die Welt nicht sofort besser, wenn man darüber schreibt, aber die Chance besteht zumindest. Ich habe auch nie behauptet, dass in Deutschland alles in Butter sei. Um noch mal kurz auf die Sache mit dem Schutzalter zurück zu kommen: Ich finde das natürlich auch nicht gut, wenn es so niedrig ist, wie hier.

Aber man sollte auch nicht unerwähnt lassen, dass es durchaus Länder gibt, wo das Schutzalter auf 8 Jahre herab gesetzt wurde und dort erwachsene Männer kleine 8 Jahre alte Mädchen völlig legal heiraten dürfen. Und wenn man das so vergleicht, macht das die Situation bei uns oder in Spanien auch nicht besser. Aber wenn man dies oder eben solche Homophoben Ausuferungen anprangert, dann hilft das vielleicht doch ein kleines bisschen, langfristig was zu bewegen.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



So restriktiv ist Russland nun auch wieder nicht. Im gesamten Nahen Osten gibt es wesentlich restriktivere Gesetze und in Afrika wird Homosexualität auch südlich des Äquators nicht gerne gesehen. Meiner Ansicht nach geht es darum, Sündenböcke zu schaffen, an denen man sich abtrainieren kann. So kanalisiert der Staat eben den Hass und die Gewalt in die Richtung, die er gerne haben will.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Mod am 13.10.2015, 14:28, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen


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