Einschränkung der Freiheiten zum Wohl der Allgemeinheit?

vom 12.03.2008, 19:51 Uhr

Spätestens seit den Anschlägen am 11. September auf das World-Trade-Center und das Pentagon ist sie täglich in unseren Köpfen. Sie greift ebenfalls ein, sobald eine Person vom Lande zufällig auf einer Städtereise einen verdächtigen Mann mit Koffer, der sich eindeutig als Immigrant identifizieren lässt, in der U-Bahn dabei beobachtet, wie er ein stilles Gebet murmelt und auf seine Armbanduhr herabschaut. Sie bedeutet für uns eine Einschränkung unserer Lebensverhältnisse egal auf welche Art. Sie ist die Angst vor einem Tod, der nicht natürlich erfolgt, sondern plötzlich und unerwartet zuschlägt. Sie ist die Angst vor Terroranschlägen. Eine Angst, die manche als Panik bezeichnen mögen, und die seit einiger Zeit unsere Politik beschäftigt. Nun, viel mehr ist es der Versuch die Angst einzudämmen und ihren Auslöser im Keim zu ersticken, der dafür sorgt, dass über Grundsatzfragen unseres Staatssystems diskutiert wird.

Das Wohl von Bundesbürgern sei bedroht, so oder so ähnlich wird von Verfechtern der Auflockerung des Datenschutzes begründet, dass Grundrechte außer Kraft gesetzt werden, indem jeder Bürger unter Verdacht gestellt wird, ein potentieller Feind des Lebens, der Freiheit, der Sicherheit und unseres Staates zu sein. Ist dies denn rechtens? Ist es mit Ethik und Recht vereinbar, dass Onlinedurchsuchungen durchgeführt werden, biometrische Pässe angefertigt werden oder das Bild des gläsernen Menschen verwirklicht wird? Da es, wie Sokrates bereits sagte, keine allgemeingültige Definition für einen Begriff gibt, werde ich versuchen, die Aufhebung des Datenschutzes unter mathematischen, gesetzlichen und ethischen Punkten zu betrachten um später entscheiden zu können, welche Lösung für mich persönlich das Beste wäre und gleichzeitig ungefähr abzuwägen, ob diese mit der Lösung für die Allgemeinheit Parallelen aufweist.

Als erstes denke ich, muss man herausstellen, welche Befürchtungen die Datenschutzgegner haben, um deren Standpunkt besser verstehen zu können. Die Stellung der Datenschutzgegner stellt die Sicherung des Allgemeinwohls in den Vordergrund, um so die 2. Säule der Rechtsstaatlichkeit, die Sicherheit, erfüllen zu können. Die Befürworter des Datenschutzes hingegen schätzen die erste Säule der Rechtsstaatlichkeit, die Freiheit, als gewichtiger ein. Ein Kompromiss ist wohl daher nicht möglich, da entweder nur radikal das eine, oder radikal das andere durchgesetzt werden kann und ein Kompromiss für keine der beiden Seiten zufriedenstellende Vorteile bringt.

Der einfachste Punkt um trotzdem eine Lösung des Problems erarbeiten zu können, besteht daraus, dass man im ersten Schritt komplizierte moralische und gesetzliche Aspekte weglässt und rein nach logischem Empfinden urteilt. Stellen wir uns vor das Grundrecht auf Datenschutz wäre mit dem Wert 1 zu versehen. Viel höher allerdings ist das Recht auf Unversehrtheit zu bewerten, da das Leben unter schlechten Bedingungen immer noch mehr Wert ist, als der Tod. Geben wir der Unversehrtheit also in unserer Bewertungsskale eine 2. Mit einer Kontrolle von unbeteiligten Personen würden wir uns also als Bewahrer der Rechtsstaatlichkeit eine 1 zu Schulden kommen lassen. Wenn durch das Auslassen einer Kontrolle allerdings ein Menschenleben ausgelöscht wird haben wir uns eine 2 zu Schulden kommen lassen. Wenn nun danach beurteilt werden würde, wie viele Punkte wir uns als Bewahrer der Verfassung gesammelt haben, und eine 0 die optimalste Punktzahl wäre, würden wir rein mathematisch gesehen mit der Lösung der Einschränkung der persönlichen Rechte besser handeln. Dies setzt allerdings voraus, dass wir eine Abwägung vornehmen können und auch nach solchen Maßstäben abwägen.

Dies ist aber in der realen Welt leider nicht so einfach durchführbar, da uns das Gesetz in gewissen Punkten diese Handhabung verbietet, wodurch wir nun zu den gesetzlichen Aspekten dieses Problems kommen. Das Gesetz verbietet nämlich, wie wir auch in der Diskussion um das Abschießen von Flugzeugen gemerkt haben, die Abwägung Leben gegen Leben. Dies bedeutet übertragen auf diese Situation, dass es auch laut Gesetz nicht möglich ist, Menschenrecht gegen Menschenrecht abzuwägen, was uns auch verbietet, dass wir die Menschenrechte der potentiellen Attentäter abstufen um andere Menschenrechte zu bewahren.

Der ethische Aspekt muss wohl letzen Endes doch herangezogen werden, um die Situation einschätzen zu können. Zuerst kann man anzweifeln, dass das Gesetz, nach dem wir uns richten, nicht unfehlbar ist und es möglich ist, dass es Recht gegen recht abzuwiegen doch legitim ist. Da dies unsere praktische Situation jedoch nicht weiterbringt sind wir gezwungen, dass wir dieses bei der Beurteilung der Lage außer Acht lassen. Viel mehr stellt sich die Frage, ob man selbst damit Einverstanden wäre, wenn meine persönlichen Daten, meine guten und schlechten Eigenschaften, meine Eigenarten und alles andere Persönliche zu meiner Person fremden Menschen zur Beurteilung vorgelegt werden. Ich muss ganz klar sagen, dass ich diesem, wenn ich entscheiden könnte, und nur mein persönliches Wohl im Blick hätte, nicht zustimmen würde und viel mehr mein persönliches Wohl vor das Wohl andere Menschen stellen würde. Dies denke ich ist ein Selbsterhaltungstrieb des Menschen und nicht abschaffbar. Meine persönliche Abwägung käme also zu dem Schluss, dass die Einschränkung der persönlichen Freiheit zum Wohle anderer nicht rechtens ist.

Nun, ich darf aber nicht nur meine eigene Meinung zentralisieren, sondern muss auch das übergeordnete System anerkennen und stelle dabei fest, dass ohne das System, ohne die Demokratie, kein geordnetes Leben möglich wäre. Wenn ich nach meiner persönlichen Meinung, die pro Datenschutz ist, vorginge, und es mir jeder gleichtäte, würde unser komplettes System in Anarchie versinken und zusammenbrechen, was wiederum uns allen schadet. Es ist manchmal von Nöten seine eigene Meinung außer Acht zu lassen und seine Wertevorstellungen zu vergessen um dafür zu sorgen, dass unser Staat, unsere Lebensgrundlage, unsere Existenz erhalten bleibt. Oder kann man sagen, dass man Verbrecher nicht bestrafen darf, weil wir sie in ihren persönlichen Freiheiten damit einschränken? Würden wir also richtig handeln wenn wir das Tor der Hölle öffneten, alle Verbrecher, Kinderschänder und Mörder laufen ließen, weil wir diese nicht Einschränken dürften? Nein. Ich denke, dass wir unsere eigenen Moralvorstellungen, Menschenrechte und Grundrechte vergessen müssen um ein geordnetes Zusammenleben ermöglichen zu können. Ein Staat aus Egoisten und Moralpredigern kann zwar Freiheit garantieren, aber niemals dem Volk Sicherheit geben!

Wie sehen andere Meinungen das? Pro Datenschutz? Pro Sicherheit?

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Datenschutz nützt mir nichts mehr, wenn ich getötet oder schwer verletzt wurde. Sobald dann etwas passiert, schreien oft die gleichen Kritiker Zetter und Mordio. Leider sind solche Maßnahmen oft auch Steilvorlagen für Diktaturen. Warum soll man nicht die gleichen Daten wie an die USA auch an Russland oder China senden? Oder Nordkorea? Wo sind die Grenzen?

Die Antworten auf diese Fragen ändern sich oft je nach aktuellen Ereignissen. Nach dem 9/11 war die Stimmung wohl pro Überwachung, nach der NSA-Affäre sicher eher dagegen. Meiner Ansicht nach sollten die Maßnahmen auf jeden Fall begrenzt sein.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


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