Dürfen Kinder nicht mehr alleine in die Schule gehen?

Heute habe ich von einer schlechten Entwicklung in Sachen Selbstständigkeit von Schulkindern gelesen. So sollen 1970 noch ganze 91% der Erstklässler alleine zur Schule gegangen sein, ohne das die Eltern sie begleiten oder bringen mussten. Sie sind zu Fuß gegangen oder mit dem Bus gefahren. Heute sind es nur noch 17%.

Das ist schon eine bedenkliche Entwicklung die auch darauf hinweist, dass es immer mehr sogenannter ''Helikopter-Eltern'' gibt, die ihre Kinder vor allem beschützen wollen und ihnen keine Freiräume mehr gewähren.

Lasst ihr eure Kinder als Erstklässler allein zur Schule gehen oder begleitet ihr diese? Was hat sich in den letzten Jahren verändert, dass die Eltern ihre Kinder nicht mehr alleine zur Schule gehen lassen wollen?

Ich könnte mir vorstellen, dass die ganzen Kindesentführungen und dergleichen dazu beitragen, dass Eltern zu große Angst um das Kind entwickeln und es deswegen auf dem Schulweg dauerüberwachen quasi. Man denke nur an Peggy Knobloch, die bis heute verschwunden ist. Das müsste glaube ich 10 Jahre oder so her sein, dass sie verschwunden. Nicht zu vergessen all die anderen Kinder, auch die kleine Maddie, die einfach verschwunden ist und seitdem gesucht wird.

Man weiß nicht, wie krank manche Menschen sind und was für kranke Phantasien sie an Kindern ausleben wollen. Nicht alle Kinder, die vermisst werden, werden auch im TV ausgestrahlt. So bekomme ich häufiger bei Facebook irgendwelche geteilten Meldungen zu sehen, wo Kinder aus meiner früheren Region vermisst werden.

Man weiß doch gar nicht mehr, wer da eventuell dem Kind schaden kann, wenn es einen langen Schulweg alleine gehen würde. Meiner Meinung nach haben die Delikte um Kinder herum zugenommen und sind mehr bekannt gemacht wurden und so hat man eben auch mehr Angst um sein Kind. Ich hatte damals einen Schulweg von 5 Minuten und selbst da kam es immer mal zu komischen Momenten.

Ich würde mein Kind in der Grundschule immer zur Schule fahren und ich sehe darin auch kein Problem. Wenn man eh unterwegs sein muss, kann man das Kind doch auch bringen und holen. Bei einem Kindergartenkind macht man das doch auch so. Natürlich muss man gegen Ende auch ein bisschen an der Selbstständigkeit arbeiten, kleinere Wege auch mal alleine mit dem Bus fahren lassen und so weiter, aber ich denke, dass es keine Überbemutterung ist, wenn man ein Kind zur Schule fährt.

Vielleicht sollte man sich einfach einmal mit dem Verkehr beschäftigen? 1970 gab es gerade einmal 20 Millionen Fahrzeuge in Deutschland, da konnten Kinder noch auf vielen Straßen spielen, weil selten ein Auto kam. Außerdem waren Tote im Verkehr ziemlich normal. Man schärfte seinen Kindern ein, dass sie aufpassen müssen, aber bei mehr als 20.000 Toten im Jahr gehörte das Risiko einfach dazu.

Heute gibt es fast dreimal so viele Fahrzeuge, aber nur noch ein Viertel der Toten. Das liegt an mehr Sicherheit und eben auch daran, dass auf kleinere Kinder aufgepasst wird. Mein Schulweg von damals besteht heute am Morgen aus einem Auto nach dem anderen und oft 2 km Rückstau vor den Ampeln.

An meinen Gymnasium starb jedes Jahr mindestens ein Kind, weil die Straße total unübersichtlich war. Erst als dort nebenan die politisch gewollte Gesamtschule gebaut worden ist und es den ersten Schüler von dort erwischte, gab es den seit Jahrzehnten geforderten Zebrastreifen und Tempo 30. Böse Zungen haben gemunkelt, dass Grundschüler und Gymnasiasten der Lokalpolitik nicht wertvoll genug waren.

Außerdem kann ich nicht behaupten, dass damals Grundschüler allein gehen durften. In meiner Grundschule wurden alle Kinder mindestens das erste Halbjahr begleitet. Und eine Schule, die vergleichsweise schlecht liegt, hatte auch damals schon den sogenannten Schülerbus, bei dem Eltern zu bestimmten Zeiten die Kinder an den Kreuzungen der Hauptstraße einsammeln und als Gruppe zur Schule begleiten. Das funktioniert auch auf dem Rückweg.

Außerdem haben viele Eltern gar nicht mehr die Möglichkeit, mit dem Kind zu üben. Wer morgens selbst pünktlich auf der Arbeit sein muss, hat keine Zeit sein Kind über Wochen oder Monate zu begleiten. Aber der Weg muss sitzen, wenn das Kind sicher allein gehen soll.

Dann stell dich mal morgens vor eine Grundschule. Glaub mir, da ist mehr Verkehr, als in der Innenstadt, wenn Feierabendzeit ist. Und dabei liegt es oft daran, dass selbst die Eltern zu faul sind zu laufen und das Kind eben bis zum Schulbeginn daran gewöhnt ist, dass man es fährt.

Meine Kinder sind noch in Thüringen eingeschult worden. Die Grundschule war im Nachbarort. Im örtlichen Kindergarten gab es auch eine Hortgruppe. Die Bushaltestelle direkt dort vor der Tür. Da dies an meinem Weg zur Arbeit lag, habe ich meine Töchter halt morgens bis dorthin mit dem Auto mitgenommen. Dass sie den Bus nicht verpassen wurde von den Erzieherinnen im Kindergarten überwacht.

Am Nachmittag bin ich von Job aus erst mal nach Hause und habe dann etwas später im Kindergarten angerufen, dass sie meine Kinder nach Hause gehen lassen können. Nach unserem Umzug bin ich morgens erst mal mit zur Schule gegangen. Habe aber alle paar Tage meine Strecke etwas verkürzt. Halt die ersten Tage bis vor das Klassenzimmer, danach nur bis an die Eingangstür zur Schule und so weiter.

Aber neben der Faulheit öffentliche Verkehrsmittel oder Fahrrad zu benutzen oder gar vielleicht auch zu laufen, ist eben auch ein übermäßiges Behüten daran schuld. Eine Lehrerin der hiesigen Grundschule hat zum Beispiel nach zwei Wochen für die Eltern der Erstklässler festgelegt, dass die Eltern nur noch bis zur Eingangstür mit dürfen. Aber leider versuchen sich da immer weniger Lehrer wirklich durchzusetzen.