Kriegsverbrechen der Alliierten immer noch Tabuthema?
Im II. Weltkrieg und danach kam es auch zu einer Vielzahl von Verbrechen an der deutschen Bevölkerung. Im Osten wurden über 12 Millionen Deutsche vertrieben und teilweise wie Vieh behandelt. Auch die Amerikaner waren nicht immer zimperlich. Trotzdem traut man sich auch heute kaum noch, dies anzusprechen.
Sehr schnell heißt es dann, dass aber vorher massive deutsche Verbrechen vorausgegangen waren. Dies hört man vor allem von jüngeren Personen, deren Verwandtschaft aus dieser Zeit schon tot ist. Findet ihr es problematisch über diese Zeit zu sprechen? Fürchtet ihr auch, offene Wunden aufzureißen?
Ich befürworte die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen die von Soldaten begangen wurden, unabhängig welche Flagge sie damals auf der Schulter hatten. Das es ein schwieriges Thema ist sollte jedem klar sein, gerade wir deutsche sollten als Verlierer des zweiten Weltkrieges lieber den Mund halten, so vermute ich zumindest, wird die Meinung der Sieger sein.
Das Problem dabei ist allerdings auch der teilweise grottige Geschichtsunterricht, der zwischen „gut gemeint, aber verheerend umgesetzt“ und „Schönschweigen als Kunstform“ hin und herschwankt. Nur als Beispiel: Meine Geschichtslehrer brachten es fertig mit uns zwar ca. siebenmal das Thema „Nazizeit“ durchzunehmen, aber (wie mir sehr viel später auffiel) nicht einmal ernsthaft den WW2 zu bearbeiten. Und es wären achtmal geworden, wenn wir nicht gemeutert hätten, um wenigstens einmal die Weimarer Republik im Unterricht zu haben.
Kaiserreich fiel fast komplett flach, genau wie WW1 und diverse Einzelheiten, wie „The German Blitz“ wären vielleicht hilfreich gewesen um zu begreifen, wieso die Engländer versuchten Deutschland komplett tiefer zu legen, genau wie es sinnvoll gewesen wäre zu erfahren, was es mit Vichy auf sich hatte oder wie man eine komplette Armee in den Schnee setzen kann. Irgendwann stellte ein ehemaliger Mitschüler seufzend fest „Ich hab beim anhören von Metall CDs mehr über deutsche Geschichte gelernt, als im Unterricht“. Und da war Sabaton noch nicht mit einberechnet.
Nun kommt auf den anderen Seiten noch dazu, das für alle Beteiligten der WW2 ein sehr symbolträchtiger Krieg war. Für die Amerikaner ist es ihr großer, gerechter Krieg – alles was danach kam ließ sie als suspekte Einmischer in anderer Leute Angelegenheiten dastehen. Für die Franzosen ist es eine in sich sehr zwiespältige Geschichte, bei der sie einerseits übel überrannt und schlimm misshandelt, verschleppt und ermordet wurden – aber sie auch mitmauschelten, Stichwort: Vichy-Regierung.
Sie hatten einen gut ausgebauten Widerstand, auf den sie auch (zu Recht) sehr stolz sind, aber das ganze war schon reichlich zwiespältig. Und die Vorkriegsrolle die sie inne hatten machte es nicht einen Deut leichter. Die Engländer hatten schlimm unter den deutschen Bomben zu leiden, allerdings war ihre Reaktion mit Gewissheit nicht weniger brutal. Und die Russen? Es hatte Gründe, weshalb die wütend waren, die Frage ist nur ob Wut wirklich alles rechtfertigen kann.
Aber, was willst du als Deutscher zu dem Thema sagen? Für eine Aussage, die halbwegs umfassend wäre musst du fast zwei Jahrhunderte weit ausholen (und danach schmollen zumindestens die meisten Franzosen und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch die Engländer). An der Polandballfolge mit „Germany - Reuniting opponents since 1618“ ist was dran. Doch alleine das zu erklären würde wieder viel Zeit brauchen.
Sinnvoll wäre sich selbst mit Geschichte zu beschäftigen. Nicht nur mit der eigenen, sondern mit der europäischen Geschichte insgesamt. Das macht um einiges selbstbewusster, weil einem sehr deutlich klar wird, das dieses völlig vergurkte 20. Jahrhundert und seine Kriege eine Gemeinschaftsproduktion waren. Ganz nebenbei wird einem sehr deutlich bewusst, das die Last von Kriegen die Zivilbevölkerung trägt, in der einen oder anderen Form.
Noch sinnvoller ist es, wenn man ein wenig von einer sehr typischen Spezialität der Deutschen ausweicht: Der Tendenz alles wahnsinnig ernst zu nehmen. Nimmt man alles sehr ernst, dann kann man über manche Themen nicht reden, es sei denn man hat Spaß daran sich selbst zu quälen (was dann wiederum einen anderen Stereotypen über Deutsche erfüllt …). Das verhindert auch sehr wirksam, das sich besonders Jüngere mit auseinandersetzten. Das es auch anders geht und selbst die Tabuthemen nicht unbedingt welche sein müssen sieht man bei den geopolitischen/ historischen Satiren, von denen einige durch das Internet bewegt werden: Polandball, SatW, Hetalia - um nur die bekannteren zu nennen.
Deren Form mag vielen erst einmal sehr gewöhnungsbedürftig erscheinen, aber dort erlebt man genau das, was ich sonst stark vermisse: Ein aktive Auseinandersetzung mit auch den sonst sehr tabuisierten Seiten der Geschichte. Gut, manchmal fällt die sehr schräg aus, aber wenn Teenager auf einmal ihre Urgroßeltern belagern oder alte Tagebücher vorkramen, dann kann es nicht der schlechteste Weg sein.
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