So depressiv sein, dass man nicht aus dem Bett kommt?
Ich habe schon häufiger davon gehört, dass depressive Menschen es oft nicht einmal schaffen aus dem Bett aufzustehen, da sie an manchen Tagen nicht genug Motivation dafür aufbringen können.
Ich habe auch manchmal Tage, da möchte ich am liebsten im Bett bleiben, vor allem wenn ich traurig bin. Als depressiv würde ich mich nur deswegen natürlich nicht bezeichnen, aber ich stelle es mir trotzdem extrem schlimm vor, wenn man an solchen Depressionen leidet und aus diesem Grund einfach nicht aus dem Bett kommt.
Eine Freundin von mir hat mir auch schon einmal davon berichtet, sie nimmt aber mittlerweile Medikamente und hat das ganz gut im Griff, worüber ich wirklich froh bin, da es eine Weile sehr schwierig war mit ihr in Kontakt zu treten, da sie sich auch so hängen ließ.
Nun würde mich mal interessieren, wie das bei euch aussieht. Habt ihr auch schon einmal davon gehört oder es vielleicht selbst erfahren?
Ich hatte (und habe phasenweise) mit Depressionen zu kämpfen und viele meiner Patienten ebenfalls. Es ist schwer, das jemandem zu erklären, vor allem deshalb, weil die Symptomatik, wie bei vielen psychischen Erkrankungen, ein Extrem des Normalen ist, sodass viele Gesunde denken, die Symptome zu kennen, obwohl sie eigentlich nicht den Hauch einer Ahnung haben, WIE heftig sie sind.
Die Antriebslosigkeit finde ich schwer zu ertragen. Was für mich aber noch viel schlimmer ist, ist das, was sie nach sich zieht: Die Selbstvorwürfe und die Insuffizienzgefühle. Als eigentlich selbständiger und autonomer, gestandener und aktiver Mensch plötzlich die einfachsten Alltagsaktivitäten nicht mehr auf die Reihe zu bekommen, war sehr schlimm für mich und ich habe lange gebraucht, diesen Anteil von mir anzunehmen und in mein Selbstbild zu integrieren.
Oh ja, das kenne ich nur zu gut. Als ich noch depressiv war, war ich oft Tage lang nur schwer aus dem Bett zu bekommen. Leider musste ich ja hin und wieder aufstehen, wenigstens um ins Bad zu gehen. Derartige Grundbedürfnisse kann man dann doch nicht ignorieren, zumindest ich nicht.
Aber es war bei mir nicht nur die Demotivation, sondern auch eine Art Sozialphobie, die dazu kam. Ich weiß nicht warum, aber ich hatte Angst davor, unter Menschen zu kommen und von irgendjemanden gesehen zu werden. Das war richtig schlimm, wenn es dann darum ging, eine normale Vorlesung zu besuchen, die in der Regel ja auch etwas gefüllter sind. Deswegen hatte ich dann oft die Jalousien so weit unten, dass kaum Licht in die Wohnung kam und hatte kaum die Kraft bei einem Klingeln an die Haustür zu gehen oder auf Anrufe oder SMS auf dem Handy zu reagieren.
Ich hatte dann auch vier verschiedene Mittel dagegen ausprobiert, die aber alle nichts gebracht haben. Seitdem ich aber die Ursache (eine Person) lokalisiert hatte und den Kontakt abgebrochen habe, geht es mir viel viel besser und es wird immer besser je länger kein Kontakt besteht.
Oooh ja, diese Ängste kenne ich auch gut! Angst vor allem möglichen, oft gar nicht so klar benennbar. Angst vor der Zukunft. Angst davor, dass "irgendwas nicht stimmt" (wobei ich gar nicht sagen konnte, was das sein sollte). Angst davor, etwas falsch gemacht zu haben. Angst, vor unlösbare Probleme gestellt zu werden (und zu dem Zeitpunkt erschien mir jede Kleinigkeit wie ein riesiges Problem). Angst vor negativen Bewertungen durch andere. Und so weiter und so fort.
Auch die sozialen Ängste kenne ich gut. Eine Zeit lang war es fast wie Paranoia, was dadurch, dass ich kaum noch schlief und aß noch verstärkt wurde, da spielt das unterversorgte Hirn schnell verrückt. Ich traute mich nicht mehr, das Haus zu verlassen, weil mich niemand sehen durfte. Ich hatte unheimliche Angst, gesehen zu werden und konnte nicht mal sagen, wieso eigentlich bzw. was denn bitte passieren sollte, wenn mich jemand sieht. Ich wusste nur, dass es beängstigend war. Wenn ich mal raus musste, ging ich nur mit Kapuze aus dem Haus, jedes Türklingeln ließ mich zusammenzucken. Furchtbarer Zustand...
Ich hatte seit meiner Jugend immer wieder sehr depressive Phasen, was jedoch von mir selber nicht erkannt und von anderen nicht ernst genommen wurde, weshalb ich erst mit 26 Jahren dann endlich Hilfe bekam und dank der Medikamente heute weitestgehend normal "funktionsfähig" bin.
Während es in der Jugend und im jungen Erwachsenenalter noch so war, dass ich von meiner Mutter aus dem Bett getrieben wurde und mich dann eben mit totaler Mattigkeit, Überforderung und Suizidgedanken irgend wie durch den Alltag schleppte, machten sich die Auswirkungen der Depression richtig bemerkbar, als ich dann allein in meiner eigenen Wohnung lebte.
Da war plötzlich kein Zwang mehr und so begann ich, der Antriebslosigkeit nachzugeben. Das ging oft über mehrere Wochen so, zwei- bis dreimal im Jahr. Und das Schema war eigentlich auch immer das selbe.
Meist fing es damit an, dass ich anfing, mich außerhalb meiner Wohnung unwohl und überfordert zu fühlen. Jeder menschliche Kontakt war mir einfach zu anstrengend, weshalb ich mich sozial zurück zog. Das ging dann ganz fix in totale Antriebslosigkeit über. Aufwachen, den Tag planen, aber den Hintern einfach nicht hoch bekommen. Während ich mir dann anfangs immer noch einredete, ich sei einfach nur eine faule Sau und würde "nur mal einen Tag gammeln", stellte ich dann nach einigen Tagen fest, dass es nicht bei einem Gammeltag geblieben war. Dann gingen die Selbstvorwürfe los und ich bewegte mich oft wochenlang nur noch zum Toilettengang aus dem Bett.
Es war dann wirklich so, dass ich einfach nur stumpf im Bett lag. Ich habe nicht einmal gelesen oder TV geschaut, sondern einfach nur rumgelegen und mich in Gedanken selbst fertig gemacht. Ich duschte nicht, ich aß kaum, ich ging nicht ans Telefon, ich räumte nicht auf. Ich habe es gerade so geschafft, meine Tiere zu füttern. Und das auch nur, weil ich einen Futtervorrat hatte, denn einkaufen wäre undenkbar gewesen.
Man kann sich vielleicht vorstellen, dass ich nach zwei, drei Wochen auch äußerlich aussah wie der letzte Zombie und in einer Bude hockte, an der RTL II seine helle Freude gehabt hätte. Je nach Wetter ging das so weit, dass ich schon die Fliegen in der Wohnung hatte und trotzdem den Hintern nicht hoch bekam. Selbstredend, dass dann regelmäßig der totale Tiefpunkt kam, an dem ich mir wünschte, einfach nicht mehr aufzuwachen.
Die längste Phase dauerte knapp zwei Monate und dann suchte ich mir endlich Hilfe. Seit fast 3 Jahren bekomme ich jetzt hoch dosierte Antidepressiva, mit denen ich diese depressiven Phasen zwar nicht komplett losgeworden bin, aber sie sind wesentlich schwächer und kürzer. Da habe ich ab und zu mal eine Woche, wo ich wieder durchhänge - aber alleine die Klarheit im Kopf (über die Erkrankung und darüber, dass es wieder bergauf geht) hilft mir schon, mir dann vielleicht zwei oder drei Tage Pause zu gönnen, Kraft zu tanken und mich wieder normal durch den Alltag zu beißen.
Ich kenne einige Depressive und ich glaube, mein Cousin ist auch depressiv, aber ich selbst habe dennoch immer etwas Probleme, das Verhalten nachzuvollziehen. Beispielsweise diese Antriebslosigkeit - ich kannte mal jemanden, der saß in seinen depressive Phasen einfach nur da und guckte in der Luft herum. Es kam kein Gespräch zustande. Was soll man da machen, wenn man eigentlich extra zu Besuch gekommen war?
Oder ich hatte mal online jemanden kennengelernt, der irgendwie ein Problem hatte, Emotionen richtig zu steuern, der schnell wütend wurde und mir kam das immer so vor, als würde er Streit suchen. Da musste man richtig aufpassen, nichts Falsches zu sagen oder zu schreiben, sonst wurde man mit Vorwürfen bombardiert.
Und bei meinem Cousin ist es so, dass er auf der einen Seite emotionslos wirkt, weil er z.B. kaum lächelt, aber sich dann auf der anderen Seite schnell über alles Mögliche aufregt und auch eher über Dinge, die er ohnehin nicht ändern kann.
Für einen Außenstehenden ist das schwer, weil das ja doch eher unangenehme Verhaltensweisen sind. Der Betroffene kann nichts dafür, aber das ändert ja nichts daran, dass so ein Verhalten andere mit herunterzieht oder eben für Probleme sorgt. Auf der einen Seite tut es mir ja leid, wenn es jemandem so schlecht geht, aber auf der anderen Seite muss man sich auch davor schützen, mit heruntergezogen zu werden.
Seit dem Vorfall mit Lubitz sollte eigentlich jeder wissen, dass eine Depression eine extrem ernsthafte Erkrankung ist, die man nicht unterschätzen sollte. Da helfen auch keine blöden Sprüche und dann muss jemand wirklich in ein Krankenhaus und die entsprechenden Medikamente bekommen. Oft helfen dann auch nur Medikamente und eine Therapie und es dauert Wochen und Monate, bis die Leute wieder aus diesem Tief herauskommen.
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