Glass Fusing - eine Einführung

vom 09.10.2008, 08:35 Uhr

Ich hatte zum Thema Glass Fusing schon einige Fragen bekommen und wollte Euch das wichtigste doch einmal vorstellen. Ich habe mit dem Fusing erst vor einem halben Jahr angefangen, und wenn ich mir nicht gerade die Finger verbrenne, bringt es einen Heidenspaß, weil der Prozess sehr einfach und das Ergebnis eigentlich immer schön ist (man kann in Glas nichts hässliches herstellen.)

Einführung
Glass Fusing heißt frei übersetzt "Glas-Verschmelzung", also das im Brennofen zusammenfügen von mehreren Glasschichten. Es ist im weitesten Sinne mit dem Tiffany-Kunsthandwerk verwandt, viele Künstler arbeiten parallel auch mit Glasperlen auf offener Flamme (Lampwork Beads). Glas ist ein wunderschöner Werkstoff; es ist leicht zu bearbeiten, da es sich problemlos schneiden lässt, kommt in den unterschiedlichsten Farben, und verschiedene Schichten fügen sich scheinbar von selbst zu einem Ganzen zusammen. Trotzdem gibt es einiges zu beachten.

Glastypen
Jedes Glas hat einen Ausdehnungskoeffizienten (AK, Eng: COE), der festlegt, wie sich Glas bei Hitze verhält. Da beim Glass Fusing die Verschmelzung von verschiedenen Lagen Glas angestrebt wird, müssen beide Schichten den gleichen AK-Wert haben, um beim Erhitzen oder Abkühlen nicht zu brechen. Am gebräuchlichsten im Glass Fusing sind AK96 und AK90; ein Künstler legt sich gerade am Anfang auf einen AK-Wert und damit auch auf einen Hersteller fest, ich selbst arbeite mit AK90. AK96 wird in erster Linie von System 96 angeboten, während AK90 fast ausschließlich von Bullseye kommt.

Man arbeitet sowohl mit großen Glasscheiben in unterschiedlicher Dicke als auch mit Stringern (dünne Stäbe), Confetti und Frit (feine Splitter). Auch die Glasscheiben sind oft schon mehrfarbig, wie zum Beispiel die Mardi Grass-Serie von Bullseye, bei der Stringer und Confetti im Glas mit eingebaut werden; auf diese Weise ist es umso leichter, schöne Ergebnisse zu bekommen.

Grundausstattung
Es ist nicht billig, um mit dem Glass Fusing anzufangen. Grundsätzlich benötigt man einen Brennofen, der mindestens 900°C schafft und sich auch noch halbwegs zuverlässig schalten lässt. Dabei gibt es große Bodenmodelle zu mehreren tausend Euro und kleine Tischöfen, die deutlich preiswerter sind. Mein eigener Brennofen ist nur so groß wie ein A4-Blatt, hat eine Brennkammer von ca. 12x15cm, und stammt von der Firma Uhlig. Er lässt sich schnell erhitzen und hat mich über eBay nicht völlig in den Ruin gestürzt. Dafür kostete die Schaltung noch einmal 150€ extra, denn gerade die kleinen Öfen lassen sich - mangels einer Temperaturanzeige und einem Dimmer - nur mit Hilfe von Zusatzgeräten steuern.

Statt einzelne, große Glasscheiben zu kaufen, fängt man am besten mit einem Set an; so habe ich ca. 30 verschiedene Bullseye Farben a 25x25cm hier liegen, die mich insgesamt ca. 280€ gekostet haben; dafür bin ich jetzt auf Jahre ausgestattet und kaufe nur ab und zu spezifische Farben dazu. Dazu kommen eine Schneideplatte, ein Öl-Schneider, Brechwerkzeuge, Brennplatten und viele andere kleine Sachen, die einem das Leben erleichtern.

Prozess
Bevor ich den Ofen anschalte. verbringe ich ca. 1 Stunde damit, 4-5 Anhänger vorzubereiten. Dafür wird das Glas zugeschnitten und gereinigt, ich kombiniere verschiedene Lagen und Farben, füge eventuell noch Confetti hinzu und behandele das ganze mit einer Mineralmischung vor, um Verbrennungen so gut wie möglich zu vermeiden. Wenn alles trocken ist, wird es auf die vorbereitete Brennplatte gelegt, und kleinere Glassplitter füllen die leeren Flächen. Sie werden zu sogenannten Cabouchons, runden Knöpfen, verarbeitet, die ich später für Ohrringe oder neue Anhänger brauche. Glas in mehreren Schichten verschmilzt nämlich eher eckig als rund, und runde Details lassen sich nur mit vorher vorbereiteten Cabouchons oder viel Schneide- und Schleifarbeit erzielen.

Damit das Glas nicht splittert oder bricht, muss es vorsichtig erhitzt werden, der genaue Zeitplan hängt von der Anzahl der Schichten, dem Ofen und der Göße er Stücke ab. Bis auf 400°C erfolgt die Erhitzung meist mit halb geöffneter Tür, damit es etwas verlangsamt wird und eventuell verbliebene Feuchtigkeit oder Fremdstoffe verdampfen können. Danach wird die Tür geschlossen und bis auf 800-900°C erhitzt. Der Ofen sollte die Zieltemperatur halten, alle 10 Minuten schaut man dann einmal vorsichtig rein, wie weit die Schmuckstücke sind. Sobald einem das Ergebnis gefällt, schaltet man den Ofen ganz aus und öffnet die Tür, um ihn möglichst schnell auf 550°C abzukühlen.

Ganz wichtig ist der nächste Schritt. Durch das Erhitzen hat sich in den Glasschichten ein Druck und ein Ziehen aufgebaut; dieser Stress im Glas muss durch langsames Abkühlen (Annealing) aus den Glasschichten abgeleitet werden. Annealing geschieht im Temperaturbereich von 450-550°C, diese Temperatur muss eine Weile gehalten werden. Bei meinem kleinen Brennofen reicht es schon völlig, dass ich die Tür jetzt wieder schließe und den Ofen auskühlen lassen; wegen der geringen Größe macht er dies langsam genug, um im Annealing-Bereich genügend Zeit zu verbringen.

Meine Arbeit ist jetzt getan, das Glas darf nicht weiter gestört werden; sobald der Brennofen auf Zimmertemperatur abgekühlt ist, kann ich die Brennplatte rausnehmen, die Stücke abwaschen und mit Hilfe von Epoxy und Silberzubehör zu Anhängern, einem Windspiel oder Ohrringen weiterverarbeiten. So sehen meine Anhänger dann zum Beispiel aus:

Bild

Links
Wer sich weiter zum Thema informieren möchte, kann einiges auf englischsprachigen Website finden, zum Beispiel bei WarmGlass, bei GFME und in den Büchern von Petra Kaiser.

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» gilowyn » Beiträge: 169 » Talkpoints: 7,80 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Das war ja eine richtige Abhandlung über Glasarbeiten. Bestimmt macht es Spaß, immer neue Dinge herzustellen, die ja auch gut aussehen. Du könntest theoretisch auch Glasschmuck in dieser Arft anfertigen und verkaufen. Denn so viel Geld auszugeben, um für sich alleine stets neue Schmucksachen zu machen, das dürfte schon ein sehr teures Hobby sein.

Ich habe mich mit solchen Sachen noch nie befasst und werde es auch nicht tun. Aber vielleicht hat jemand Interesse daran, dann hat er durch dich eine gute Anleitung.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


Das sieht wirklich spannend aus und erinnert mich ein wenig an meine Schulzeit, als es noch modern war, dass man alles mögliche mit Emaille bezogen hat. Dazu hatten wir auch solche Öfen in der Schule. Schade dass uns damals solche Techniken wie hier beschrieben nicht gezeigt wurden, das hätte sicher mehr Spaß gemacht, als Pfennige mit buntem Pulver zu beschichten.

Was mich neben den Anschaffungskosten noch interessieren würde: Wie viel Stromkosten verursacht denn so ein Brennvorgang? Das ist doch sicher beträchtlich, dafür, dass man nur fünf Gegenstände auf einen Aufwasch machen kann, oder? Habe ich da vielleicht was falsch verstanden und man hat mehr Platz?

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



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