Schlechteres Deutsch bei englischer Früherziehung?

vom 06.09.2015, 18:02 Uhr

In Deutschland wird englische Früherziehung auch immer wichtiger und immer mehr Eltern nehmen solche Kurse und Angebote in Anspruch. Das Ziel ist natürlich, den Kindern die Sprache möglichst schnell und einfach beizubringen, damit sie später in der Schule gute Fortschritte machen und keine Schwierigkeiten haben. Ich habe allerdings neulich von Studien gelesen, die das genaue Gegenteil beweisen sollen. Demnach hilft englische Früherziehung nicht, sondern schadet dem Kind sogar.

Der Grund wäre der, dass die Kinder noch sehr unmotiviert sind und deutlich weniger lernen, als ältere Kinder. Außerdem seien im Vergleich die Deutschkenntnisse schlechter. Auch haben Kinder die ein englische Früherziehung genossen haben in der Schule keine Vorteile, denn die Schüler die erst anfangen holen sehr schnell innerhalb eines Schuljahres auf und überholen sogar. Würdet ihr eure Kinder dennoch in eine englische Früherziehung schicken? Kennt ihr Fälle wo Kinder auf diese Weise gefordert wurden und dann auch tatsächlich schlechtere Deutschkenntnisse hatten?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Das Forschungsfeld ist hier sehr kompliziert. Warum das so ist? Den Stand der Sprachentwicklung von Kindern kann man nicht so richtig exakt messen. Das ist nicht wie bei einem Auto, das man an einem Blitzer vorbei fahren lässt und dann exakt eine physikalische Größe ermittelt wird, nämlich eine Geschwindigkeit. Die Sprachentwicklung im Leben eines Kindes wird von so vielen Faktoren beeinflusst, dass man nicht alle abtesten kann und auch nicht alle Fähigkeiten abtesten kann. Und man kann auch nie mit Sicherheit sagen, warum beim Kind X aus der Testgruppe die Sprachentwicklung nun exakt so verlaufen ist und was nun mehr ausschlaggebend war.

Wenn ein Kind zum Beispiel während dem Testzeitraum unbemerkt Flüssigkeit im Innenohr hatte und schlechter hört, kann die Sprachentwicklung schon dadurch behindert sein. Oder das Kind ist vielleicht schüchtern und spricht nicht so viel wie ein sehr kommunikativer Altersgenosse, kann dafür aber wunderbar tanzen und klettern. Oder das eine Kind stammt aus einem sehr gebildeten und fördernden Elternhaus und das andere aus einem, wo wenig mit den Kindern geredet wird. Das wirkt viel mehr auf so ein Kind, als ein Frühförderungskurs, wo vielleicht eine halbe oder dreiviertel Stunde in der Woche ein netter Muttersprachler mit den Kindern englische Wörter lernt und englische Liedchen singt.

Zudem ist es natürlich auch so, dass sich die Lernkapazität fürs Erlernen von Sprachen dann auf zwei Sprachen aufteilt. Wenn also zwei Kinder innerhalb einem Zeitraum X einhundert neue Wörter lernen, dann hat das eine vielleicht alle hundert Wörter in der eigenen Muttersprache gelernt und das andere neunzig in der Muttersprache und zehn in der Fremdsprache. Effektiv haben beide gleich viele neue Wörter gelernt, beim einen aber ist anscheinend die eigene Muttersprache vernachlässigt worden. Das Phänomen ist von Kindern bekannt, die in Elternhäusern aufwachsen, deren Eltern zwei Sprachen sprechen und auch mit den Kindern in verschiedenen Sprachen sprechen. Früher hat man da abgeraten, heute weiß man, dass man dem Kind damit nicht schadet, wenn es richtig gemacht wird. Das würde ich auf die englische Früherziehung übertragen.

Bestenfalls würde ich sagen, dass man von einem Kurs, der jede Woche nur ein paar Minuten lang geht nicht viel erwarten sollte. Ein Sprachgenie wird das Kind dadurch nicht. Was sich sicher verbessern wird, das ist der Sprachklang der Kinder, also nicht mehr so ein heftiger Akzent später, weil Kinder in frühen Jahren da lernfähiger sind. Wenn man wirklich einen Durchbruch beim Kind erwartet, dann würde ich es gleich in einen bilingualen Kindergarten stecken. Das sollte mehr bringen.

Zudem würde ich auch nicht sagen, dass die Kinder in der Schule mehr lernen. Kinder kommen selten als unbeschriebene Blätter in die Schule und wenn doch, dann ist was schief gelaufen. Kinder lernen im natürlichen Umfeld einfach anders, als in der Schule. Das muss aber nicht schlechter sein. Denn alle Kinder lernen zuerst in den ersten Jahren ihre Sprachen auf natürlichen Wege und haben in der Regel Erfolg damit. Welche Eltern kämen schon auf die absurde Idee einem Kleinkind grammatische Lektionen anzubieten? Das ist eben nicht altersgerecht und das sollte man auch bedenken.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


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