Hetzerei gegen Flüchtlinge mit Smartphones?

vom 10.09.2015, 10:20 Uhr

Ich habe schon häufiger gehört, dass Leute sich über Flüchtlinge aufgeregt haben, da diese Smartphones haben. Es gibt auch in den Nachrichten immer wieder mal Meldungen über Hetze in sozialen Netzwerken wie Facebook, wo kritisiert wird, dass Flüchtlinge nicht arm sein können, da sie Smartphones besitzen. Warum aber haben so viele Menschen ein Problem damit? Es sollte doch eigentlich klar sein, dass Flüchtlinge ihr ganzes Hab und Gut in ihrem Land zurücklassen müssen. Und selbst wenn sie nur wenig Geld haben, ist ein Smartphone häufig unverzichtbar.

Soziale Medien und das Internet sind inzwischen sehr günstig und auf Facebook gibt es inzwischen Gruppen von Flüchtlingen, die sich über ihren Fluchtweg austauschen oder wo diese sogar ihre Schleuser kontaktieren können. Das Smartphone ist also meist notwendig. Kennt ihr Menschen die Flüchtlinge wegen ihrer Handys kritisieren und wie steht ihr selbst dazu?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich kann die Kritik durchaus verstehen, die Leute geben vor, arm zu sein aber besitzen das neuste IPhone und meistens sogar noch einen teuren Vertrag. Sorry, aber wenn es mir so richtig schlecht gehen würde, dann würde ich mir vielleicht ein Handy für 20 Euro kaufen und mein IPhone verkaufen, daher verstehe ich die Kritik und mich stört dies ebenfalls.

» Bascolo » Beiträge: 3586 » Talkpoints: 0,29 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Warum geben die Leute denn vor, arm zu sein? Aus Kriegsgebieten flieht man nicht vorrangig, weil es einem wirtschaftlich schlecht geht. Selbst wenn man richtig stinkreich ist, kann man sich dort dann bestenfalls einen Bunker bauen und dort seine Familie einpferchen. Große Klasse. Nein, die Leute fliehen, weil ihr Leben bedroht ist. Nicht, weil sie arm sind.

Syrien war bis vor kurzem noch ein ganz normales Land. Kein Entwicklungsland. Die Leute hatten Jobs, Häuser, Autos, sind shoppen gegangen oder ins Kino, haben sich mit Freunden in Cafés getroffen. Und dann kam der Krieg. Der nimmt einem nicht sofort jegliche wirtschaftliche Grundlage. Man hat nicht von einem Tag auf den anderen nur noch zerrissene Kleidung zur Verfügung.

Und selbst wenn es einem dann wirtschaftlich so richtig an den Kragen geht. Das Auto ist zerschossen und das Haus zerbombt. Dann hat man immer noch sein Smartphone in der Hosentasche, auch wenn es die einzige Hose ist, die man noch hat. Verkaufen kann man es nicht. Es gibt keine Käufer, weil es allen scheiße geht.

Außerdem ist das Handy auf der Flucht wirklich der letzte Strohhalm. Klar, früher sind die Menschen auch ohne Handy geflohen, haben ihre Familienangehörigen verloren und dann nach dem Krieg mithilfe des Roten Kreuzes herausgefunden, in welchem Teil des Landes sie gelandet sind oder wo sie gestorben sind. Tja, das Leben verändert sich. Smartphones sind eben nicht nur Teil unseres Alltags, wo keiner mehr Lexika benutzt, weil man ja mal eben im Internet nachsehen kann. Es hilft eben auch auf der Flucht.

Ich persönlich würde als Flüchtling auch in den kaputtesten Klamotten rumlaufen, ich würde auf Deo, Zahnbürste, regelmäßige Mahlzeiten und sonstigen Komfort verzichten. Solange ich nur bei meinen Lieben anrufen kann, um zu erfahren, ob sie noch am Leben sind.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ja, das ist halt diese typische Stammtischpolitik von Leute, die nicht nachdenken, über wenig Empathie verfügen, aber dafür fleißig nachplappern. Die geilen sich dann halt gerne mal an dem auf, was in ihrer kleinen Welt als Statussymbol gilt und was ihnen selber bei Ihresgleichen Anerkennung verschafft.

Bascolo hat geschrieben:Ich kann die Kritik durchaus verstehen, die Leute geben vor, arm zu sein aber besitzen das neuste IPhone und meistens sogar noch einen teuren Vertrag.

Hast du für diese Behauptungen irgendwelche unabhängigen Quellen, die das belegen können? Falls nicht ist das genau die Art von Hetze, die Crispin angesprochen wurde, was ja irgendwie schon ironisch wäre, oder?

Aber ganz davon abgesehen, wenn ich mein Zuhause verlassen müsste, weil ich dort nicht mehr sicher bin wäre mein Smartphone wahrscheinlich auch eines der Dinge, die ich einpacken würde und natürlich würde ich das nicht verkaufen, weil ich im Ausland doch überhaupt nicht wüsste, wie ich das anstellen soll.

Und wie soll man denn bitte an einen teuren Vertrag kommen wenn man die Sprache nicht spricht, kein Konto hat und in einer Turnhalle schläft? Selbst wenn man es geschafft hat Geld mitzunehmen und nicht alles auf seiner Flucht ausgegeben hat wird man unter diesen Umständen höchstens eine pre-paid Karte bekommen wenn man Glück hat. Die Flüchtlinge bei uns in der Stadt nutzen jedenfalls das offene WLAN Netz der Schule, neben der sie wohnen.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Ich kann die Kritik durchaus verstehen, die Leute geben vor, arm zu sein aber besitzen das neuste IPhone und meistens sogar noch einen teuren Vertrag. Sorry, aber wenn es mir so richtig schlecht gehen würde, dann würde ich mir vielleicht ein Handy für 20 Euro kaufen und mein IPhone verkaufen, daher verstehe ich die Kritik und mich stört dies ebenfalls.

Warum ein Handy für 20 € die Bedürfnisse nicht erfüllt, wird in diesem Artikel gut erklärt. Grund Nr. 1 ist das Internet, das benötigt wird, um kostenlos ins Heimatland zu telefonieren. Ein normales Telefongespräch ins Ausland wäre viel zu teuer. Außerdem dient das Smartphone mit Internet auf der Flucht auch als GPS. Nicht schlecht, wenn man hunderte Kilometer durch unwegsames Gelände marschiert.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Ich kann da Bienenkönigin nur vollkommen zustimmen. Wenn ich bei der Flucht von Familie und Freunden getrennt werde, dann ist mir das Handy sicher das wichtigste, was mir an Besitz noch geblieben ist. Wenn man wenigstens an die Lieben, die noch zu Hause in Lebensgefahr schweben oder über alle möglichen Länder verteilt sind schreiben kann: Ich lebe noch, mach dir keine Sorgen. Oder eben sehen kann, das nahe stehende Menschen noch leben oder denen vielleicht Tipps geben, wo auf der Flucht Lebensgefahr droht oder wo Betrüger abzocken und skrupellos von der Not anderer profitieren.

Ich frage mich auch manchmal unter welcher Glasglocke die Leute so leben, die so etwas kritisieren. Meinen die ernsthaft, dass nur Menschen in Deutschland und vielleicht den USA und ähnlichen Nationen Handys haben oder besitzen? Smartphones werden doch mittlerweile in fast allen Ländern genutzt. Ob das ist Südostasien, Afrika oder Südamerika ist. Überall sind die Dinger mittlerweile normal.

Und warum soll nicht auch ein Flüchtling auch schon vor der Flucht so ein Ding besessen haben? Zumal es durchaus auch in anderen Ländern subventionierte Geräte über Verträge geben dürfte. Also dass der Besitzer nicht zwangsläufig den vollen Kaufpreis hingeblättert hat, sondern nach und nach über den Vertrag abstottern sollte. Und das schaffen auch bei uns Leute, die gerade mal das besitzen, was als das Existenzminimum gilt.

Wenn ich aus meinem Heimatland fliehen muss, weil mein Leben in Gefahr ist, ist das für mich mindestens genauso schlimm, als wenn man vor einer lebensbedrohenden Armut flieht. Tot ist tot, ob arm oder reich, oder? Und der Tod hat zwischen sozialen Schichten bekanntlich noch nie einen Unterschied gemacht. Und terroristische Herscher machen auch keinen Unterschied deshalb, nur weil eine Familie vielleicht irgendwann ein Eigenheim hatte oder die Eltern tolle Berufe ausüben.

Ich finde es fast noch bitterer, wenn man fliehen muss, obwohl das Leben vorher total geordnet und angenehm war. Wenn man alles verlieren musste. Haus weggebombt, Auto in die Luft gesprengt oder vielleicht enteignet. Die Firma zerstört wo man gearbeitet hat und dann von einem Tag in den anderen von ehemaligem Wohlstand in die Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit. Dann kann man auch kaum noch was damit anfangen dass man mal reich war. Klar ist das dann eine verlockende Option zu sagen, ich hebe alles verbliebene Geld vom Konto ab und kaufe mir ein Zugticket in ein sicheres Land und fange da neu an.

Ich finde diesen blinden Neid nicht nachvollziehbar. Klar kann sich hier auch nicht jeder ein neues iPhone leisten, wie der eine oder andere Flüchtling in seinem ehemaligen Leben mal gekonnt hat. Dafür wissen wir jeden Tag mit ziemlicher Sicherheit, dass wir hier abends noch leben werden, weil kein Krieg hier ist. Ich denke mal, dass mancher sofort sein Telefon ohne Zögern eintauschen würde, wenn er dafür sein altes Leben in Friedenszeiten wieder bekommen könnte und er dafür zu Hause in Sicherheit leben könnte. Aber das Leben ist kein Wunschkonzert und Krieg ist Krieg. Heute grausamer denn je.

Natürlich sollte man fein unterscheiden, wer berechtigt Asyl beantragt und diejenigen wieder nach Hause schicken, die zu Hause menschenwürdig und sicher leben können. Aber als einziges Kriterium ein Handy zu nutzen, das ist eben unsachlich. Da muss man eben sorgfältig hinsehen, dass die Leute, die eine Rettung und Hilfe nötig haben, diese auch ganz sicher bekommen. Es sind immerhin Menschen!

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


So ein Hetzen bzw. Vorverurteilen ist schlicht lächerlich und zeugt schon von einer gewissen Ahnungslosigkeit. Es ist doch nicht so, dass Syrien vor dem Krieg ein Entwicklungsland war und hier die Menschen noch auf Bäumen gehaust haben! Offenbar überwiegt die Vorstellung, dass nur jemand flieht, der in bitterer Armut sein Leben als Obdachloser geführt hat.

Evtl. würden diese Menschen umdenken, wenn sie sich die Frage stellen, was sie mitnehmen würden, wenn sie Deutschland verlassen müssten, ohne zu wissen, ob sie ihre Wohnung oder ihr Haus je wieder sehen werden. Man also den gesamten Hausrat praktisch aufgibt und - das kommt erschwerend hinzu - evtl. sogar unabhängig von anderen Familienmitgliedern (seinen Eltern und Geschwistern) in die Ferne zieht.

Ist es da nicht irgendwie logisch, dass man auch sein "Kommunikationsmittel" (wenn eben vorhanden) mitnimmt, um in jedem Fall in Kontakt zu bleiben? Auch Syrer nutzen Facebook oder Twitter. Würde hier jemand auf die Idee kommen, sein Smartphone liegen zu lassen, um auf der Flucht möglichst arm zu wirken?

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Warum geben die Leute denn vor, arm zu sein? Aus Kriegsgebieten flieht man nicht vorrangig, weil es einem wirtschaftlich schlecht geht. Selbst wenn man richtig stinkreich ist, kann man sich dort dann bestenfalls einen Bunker bauen und dort seine Familie einpferchen. Große Klasse. Nein, die Leute fliehen, weil ihr Leben bedroht ist. Nicht, weil sie arm sind.

Ich würde nicht sagen, dass sie vorgeben arm zu sein, aber man denkt das halt. Vor ein paar Monaten wusste ich noch nicht einmal, wo genau Syrien eigentlich liegt und hätte mir das Land wie ein Entwicklungsland vorgestellt, wo die Leute auf einem Esel über ihren Acker reiten.

Und ich denke, das stellen sich heute auch noch viele so vor. Man denkt doch, dass diese ganzen arabischen Länder, außer Dubai, alle irgendwie einen Entwicklungsstand wie im Mittelalter haben. Das ist natürlich eine falsche Vorstellung, aber woher soll man es besser wissen, wenn man mit den Ländern sonst nichts zu tun hat.

Syrien war bis vor kurzem noch ein ganz normales Land. Kein Entwicklungsland. Die Leute hatten Jobs, Häuser, Autos, sind shoppen gegangen oder ins Kino, haben sich mit Freunden in Cafés getroffen. Und dann kam der Krieg. Der nimmt einem nicht sofort jegliche wirtschaftliche Grundlage. Man hat nicht von einem Tag auf den anderen nur noch zerrissene Kleidung zur Verfügung.

Zudem will es mir selbst auch nicht so richtig in den Kopf, warum in einem Land, dem es eigentlich wirtschaftlich gut geht, solche komischen Konflikte ausbrechen und die Bevölkerungsgruppen übereinander herfallen. Man denkt doch, dass entwickelte Länder auch alle friedlich sind, vielleicht nicht immer perfekt, aber dass eben so etwas, wie es in Syrien passiert, doch in einem modernen Land gar nicht sein kann. Irgendwie denkt man doch, dass entwickelte moderne Menschen nicht auf so blöde Ideen kommen, wie sich wegen einer Religion gegenseitig zu bekriegen. Und das untermauert vielleicht die Vorstellung, dass die Menschen da alle arm wären.

Und dann lernt man so nach und nach durch die Nachrichten, in denen Flüchtlinge mit angesehenen Berufen präsentiert werden, dass es doch tatsächlich in Syrien Krankenhäuser, Universitäten und Forschungseinrichtungen gegeben hat - also doch nicht nur Ackerland und Esel. Aber das wusste ich vorher nicht und ich kann es keinem verdenken, wenn er sich dieses ferne Land, mit dem wir sonst nie was zu tun hatten, als Entwicklungsland im Mittelalter vorgestellt hat. Ich hätte vor einiger Zeit noch gedacht, dass die Menschen dort gar nicht wissen, was ein Handy ist und jetzt haben sie alle Smartphones. Zum anderen denke ich auch, dass das keine armen Menschen sind. Wer einem Schlepper mehrere tausend Euro zahlt, der muss das Geld ja irgendwo her haben.

Roaming-Gebühren, wie der Blog-Autor vermutet, zahlen die Asylbewerber nicht. Sie telefonieren günstig per Internet mit Skype, Whatsapp oder Viber.

Das ist ein Ausschnitt aus dem verlinkten Artikel. Als jemand, der kein Smartphone hat, sondern mit einem 10 Jahre alten T610 telefoniert, wusste ich gar nicht, dass man über Whatsapp kostenlos telefonieren kann und keine Roaming-Gebühren hat. Und als Nicht-Smartphone-Besitzer hätte ich auch nicht gewusst, dass man inzwischen in beinahe jedem Restaurant einen WLAN-Hotspot hat. Wenn ich es nicht weiß, wissen es bestimmt viele andere auch nicht. Also ich finde, man kann niemandem vorwerfen, dass er ein falsches Bild von Syrien hat. Man hatte doch vorher nie groß was von Syrien gehört und da kommen dann eben solche Vorstellungen.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

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Man hatte doch vorher nie groß was von Syrien gehört und da kommen dann eben solche Vorstellungen.

Nein, man kann keinem vorwerfen, wenn er ein völlig falsches Bild von Syrien hat. Wobei es ja zurzeit nicht nur Flüchtlinge aus Syrien gibt. Aber ich finde trotzdem, man sollte doch erst mal sich die Zeit nehmen, darüber nachzudenken, warum so viele Flüchtlinge (die Herkunft ist vollkommen egal) ein Smartphone haben.

Ich besitze ebenfalls kein Smartphone, sehe aber ein Smartphone durchaus als etwas an, was viele Menschen haben und auch benutzen. Selbst ich, die kein Smartphone hat, habe schon andere darauf hingewiesen, dass sie sicherlich ein Smartphone haben und damit doch das oder das machen können. Zum Beispiel eine bestimmte Information unterwegs abrufen.

Wer einem Schlepper mehrere tausend Euro zahlt, der muss das Geld ja irgendwo her haben.

Ein paar der Flüchtlinge hatten vor ihrer Flucht ein Leben im Mittelstand oder drüber. Ersparnisse sind also vorhanden. Die dann unter anderem eben in die Dienste von Schleppern gesteckt werden. Das Smartphone ist in der Regel aber vorher schon im Besitz des Flüchtlings gewesen.

Andere Menschen, die sich zur Zeit auf der Flucht befinden, die kein großes Einkommen oder Ersparnisse hatten, hatten wahrscheinlich vorher auch schon ein Smartphone oder in der Familie gab es irgendwo ein Smartphone. Vor der Flucht wird dann gesammelt, um den Flüchtling die Flucht ermöglichen zu können. Oftmals legen ganze Familien zusammen, es werden Freunde, Bekannte und Verwandte angepumpt, damit mindestens ein Familienmitglied flüchten kann.

Arm sein. Ist das wirklich am Kontostand zu bemessen? Ist ein Mensch, der nichts mehr hat - kein Haus, keinen Job, kein Essen, nicht auch arm? Ist ein Mensch, der aus seiner Heimat geflohen ist und in den letzten Jahren und Monaten, Angehörige auf bitterliche Weise verloren hat, nicht auch arm? Bitterlich verloren im Sinne von: Auf der Flucht ertrunken, im Krieg getötet und so weiter. Wie viele syrische Familien wird es geben, in denen es keine Opfer zu beklagen gibt?

Flüchtlinge haben Smartphones. Ob es wirklich das neueste Gerät der Apfelfirma ist, weiß ich nicht wirklich. Wir sollten aber auch bedenken, dass die Smartphones in den seltensten Fällen in Deutschland erworben werden. Meistens werden die bereits im Herkunftsland erworben. Oftmals auch lange bevor man sich dem Flüchtlingsstrom anschließt.

Die überteuerten Verträge sind ganz einfach zu erklären. Versuch mal einen günstigen Handyvertrag zu bekommen, wenn du die Landessprache nicht verstehst, keinen festen Wohnsitz, kein Konto und keinen Job hast. Du kommst in einem vollkommen fremden Land an und benötigst eine SIM-Karte - da nimmt man das erstbeste was man bekommen kann. Und klar wird das ausgenutzt.

Wenn ich aus einem Land flüchten müsste, weil dort Krieg herrscht oder ich wegen meiner Religion, politischen Einstellung etc pp leiden muss, würde ich durchaus ein Smartphone nutzen. Einmal klar zum "Reisen". Aber eben auch, um mit meiner Familie in Kontakt stehen zu können. Meiner Familie, die ich eventuell nie wieder sehen werde.

Und davon mal abgesehen gehört die moderne Kommunikation und wenn es wirklich nur telefonieren ist, heute einfach zum Leben dazu. Die wenigsten Flüchtlingseinrichtungen, egal ob in den Erstunterbringungen oder den weiteren Unterkünften, haben einen öffentlichen Telefonanschluss. Wer will den denn auch anmieten? Und wer zahlt die Rechnung? Und vor allem wer bezahlt für einen solchen Telefonanschluss die Rechnung für Gespräche ins ausländische Handynetz?

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge


An dieser Diskussion, beziehungsweise diesem Thema, das sich deutschlandweit finden lässt, kann man sehr gut feststellen, dass es mit der Intelligenz einiger unserer Mitbürger nicht sehr weit her sein kann (leider) muss man sagen. Denn anstatt sich eigene Gedanken zu einem Thema zu machen und mal zu überlegen, warum etwas so ist, wie es ist, macht man es sich einfach.

Man wiederholt einfach irgendwelche Stammtischweisheiten oder die Kommentare von Hetzern oder den entsprechenden Medien, die den Flüchtlingen alles andere als wohlgesonnen gegenüberstehen. Denen ist kein Argument zu schade, Stimmung in eine gewisse Richtung zu machen, ist es auch noch so unschlüssig und falsch. Viele Menschen sollten lieber mal ihr Gehirn einschalten, bevor sie sich zu einem Thema äußern.

Die Flüchtlinge, die man beispielsweise in Deutschland mit vermeintlich teuren und den neuesten Smartphones herumlaufen sieht, haben dafür in ihren Heimatländern teilweise an anderer Stelle eingespart. In einem normalen Haushalt in ihren Herkunftsländern ist es nämlich nicht so im Gegensatz zu Deutschland, dass ein Fernseher, Laptop, Smartphone und möglicherweise sogar noch Tablet vorhanden ist. Die meisten Menschen dort besitzen lediglich das Smartphone und nutzen es sehr viel ausgiebiger, als Europäer.

Auch die Anwendungsbereiche an sich unterscheiden sich sehr zu den unseren. Gerade die vielen Flüchtlinge aus den Staaten, die von der arabischen Revolution betroffen waren und sind, haben sich damals ein Smartphone angeschafft, da es schon in ihrem Land und während dieser Zeit die einzige Möglichkeit war, mit Freunden und Verwandten in Kontakt zu bleiben und sich über die aktuellsten Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten. Ohne die Smartphones und auch Plattformen wie Twitter und Facebook wäre der Arabische Frühling gar nicht möglich gewesen. Darüber herrscht Einigkeit.

Wie hier glücklicherweise schon angesprochen wurde, ist das Smartphone auch Navigationsgerät auf dem Weg nach Europa, dient als GPS und Übersetzungshilfe, verbindet die Menschen auf der Flucht mit ihren Freunden und Verwandten in der alten Heimat und jenen, die den Sprung ins sichere Europa schon geschafft haben. Ohne ihre Smartphones wären die meisten Flüchtlinge schlicht und ergreifend aufgeschmissen, da man an Beispielen wie Ungarn ja sieht, wie hilfreich die dortigen Regierungsstellen sind nämlich gar nicht.

Und um zudem noch mit einem weiteren, total unsinnigen Vorurteil aufzuräumen: Die Flüchtlinge besitzen in der Mehrzahl definitiv nicht die neuesten und teuersten Smartphones, auch wenn es oftmals danach aussehen mag. Der arabische Markt wird mit billigeren Versionen bekannter Hersteller beliefert, gerade um diese Zielgruppe zu bedienen. In den USA beispielsweise besteht die Möglichkeit, ältere Smartphonemodelle von Apple beim Kauf eines neuen einzutauschen. Die Daten auf diesen eingetauschten Smartphones werden danach von Apple gelöscht, das Gerät wieder einigermaßen aufbereitet und dann in ganzen Containerladungen in den Nahen Osten geschickt, wo sie für einen Bruchteil der US-amerikanischen Preise verkauft werden.

Anbieter wie LG oder Samsung bieten für den Markt im Nahen Osten außerdem Billigvarianten ihrer Modelle an, die dem äußeren Anschein nach zwar gleich aussehen, deren Technik aber günstiger ist, was beispielsweise durch eine leistungsschwächere Kamera und weniger Speicherplatz erreicht wird. Dadurch werden die entsprechenden Produkte von den Herstellern auf die finanziellen Möglichkeiten der Menschen im Nahen Osten angepasst, was man diesen Herstellern übrigens auch anrechnen sollte, denn ansonsten hätten es die betroffenen Menschen noch viel schwerer als ohnehin schon.

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» TamiBami » Beiträge: 2166 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


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