Politischer Umgang mit Obdachlosen

vom 17.08.2015, 17:06 Uhr

LittleSister hat geschrieben:Da findet ein Entzug statt und wenn die Leute x Stunden keine Entzugsmedikamente mehr brauchen, dann dürfen sie wieder gehen. Egal ob sie eine Wohnung haben oder nicht.

Eine Weitervermittlung an Stellen, die jemand auffangen nach einem Entzug, findet so gut wie gar nicht statt. Da muss man echt selber wissen, wo man sich hinwenden könnte. Wobei es die Stellen wohl durchaus gibt. Diese auch der Klinik bekannt sind.

Danke für die Informationen. Mich interessiert, ob es auch in anderen Städten genau an diesem Punkt so hakt. Meiner Laienmeinung nach ist mit dem Entzug der schwierigste Schritt doch schon gemacht. Bin ich zu blauäugig, wenn ich denke, dass man genau an diesem Punkt ansetzen müsste? Dass man vielleicht vom Entzug aus schon den Kontakt zu den Einrichtungen herstellt, die dem Menschen danach wieder in ein geregeltes Leben zurückhelfen können, soweit es diesem möglich ist?

» tok_tumi » Beiträge: 837 » Talkpoints: 1,20 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Das Problem ist eben, dass immer mehr am Sozialen gespart wird und die Kommunen immer mehr Lasten bekommen. Hartz IV mit seinem Sanktionsirrsinn gibt gerade Menschen mit psychischen Erkrankungen oft den Todesstoß und lässt sie völlig auf der Straße landen und endgültig durchdrehen. Aber dafür geht es "uns" in Deutschland doch so gut.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Juri1877 hat geschrieben:Das Problem ist eben, dass immer mehr am Sozialen gespart wird und die Kommunen immer mehr Lasten bekommen.

Das kann man nicht auf Hartz schieben, ehrlich gesagt. Das war auch vor dem ALG 2 bereits so. Etwa 10 Jahre vor den Reformen habe ich das therapeutische Reiten und den Reitunterricht in einer "Drogenklinik" betreut und damals sah es auch nicht besser aus als heute.

Das Drama fängt mit der Entgiftung an. Wer nicht als Notfall in einer Klinik landet, der muss normalerweise auf seinen Termin warten. Entgiftung oder künstliches Hüftgelenk werden da gleich behandelt. Nur während der Mensch mit den orthopädischen Beschwerden warten kann, verliert der Abhängige in der Zeit ziemlich schnell seine Motivation. Und das kann man ihm wohl kaum vorwerfen, das gehört zum Krankheitsbild.

Dann kommt die nächste Hürde: Nach der Entgiftung muss eine Klinik gefunden werden, die die nächsten Monate den Entzug begleitet. Aber Plätze gibt es wenig. Man muss also den Termin für den Entzug und den Termin für die Therapie koordinieren. Das schafft der Mensch mit der Hüfte mit Krankenhausaufenthalt und Reha ziemlich gut, ihm machen auch einige Tage Zwischenstation zuhause nicht viel aus. Bei einem Abhängigen sieht das ganz anders aus, bei einem wohnungslosen Abhängigen ist es erst recht fatal.

Wer das schafft, der hat etwa 22 Wochen Ruhe. Da kann er seine Therapie beginnen und sich ganz darauf konzentrieren. Aber danach wird es hart. Schließlich steht jetzt bei den meisten Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe an. Und das möchte keine Kommune übernehmen, wenn sie nicht muss. Also geht es dorthin, wo jeder hin muss, wenn er staatliche Hilfen möchte. Dorthin, wo er zuletzt gemeldet war oder aktuell gemeldet ist.

Da haben aber entweder damals seine Probleme begonnen und er ist "geflüchtet" oder dort findet er sein altes Drogenumfeld. Das ist hirnrissig. Damals sind viele Betroffene, die ausgebildet und fit genug waren, nach der Therapie auf Bohrinseln arbeiten gegangen. Denn da gab es gutes Geld und wenig Möglichkeiten für Drogen. Drogentests gehören dazu und Alkohol gibt es auch keinen. Aber das kann und möchte natürlich auch nicht jeder. Das kann schlecht eine der wenigen sinnvollen Optionen sein.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Hartz IV hat die Situation gerade der Chronisch Kranken dramatisch verschlechtert und viele dieser Menschen stürzen ab und landen dann ohne Aussicht auf eine erfolgreiche Behandlung auf der Straße. Probleme gab es sicher schon vorher. Aber mit Hartz IV wurde faktisch jedem unterstellt, er sei ein potentieller Krimineller und dann auch noch kräftig die Psyche ruiniert. Dies merkt man schon, wenn man einigen Leuten da mal richtig zuhört, aber so etwas macht leider kaum einer.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Du kannst nicht an allem Hartz die Schuld geben. Zumal bei Suchtkranken und psychiatrischen Erkrankungen das Jobcenter nicht zuständig ist. In NRW beispielsweise übernehmen dann die Landschaftsverbände. Sie übernehmen die Kosten für den Lebensunterhalt und für Betreuungs- und Hilfsangebote .

Da gibt es dann weder Druck noch Stress, nur sind die Angebote in der Regel nicht niedrigschwellig genug. Ansonsten wird hier bei uns sehr schnell berentet. Ob das sinnvoll ist, das ist natürlich fraglich. Aber Druck und Stress gibt es dann auch nicht mehr.

Wenn ich die dauerhaften Obdachlosen unserer Stadt nehme, dann fehlt es nicht an finanzieller Unterstützung, es fehlt an passenden Angeboten. Die Anforderungen, die die Betreuungseinrichtungen stellen, sind zu hoch. Und ein Hotelzimmer für 4 Wochen hilft nicht weiter. Es ist ein Zwischenschritt nötig, aber der wird gesellschaftlich nicht gewünscht.

Das ist ähnlich, wie das Problem mit den Roma bei uns. In ihrer Heimat werden sie diskriminiert und haben gar keine Aussicht auf einen Job. Hier geht es mit Kindergeld und Gelegenheitsjobs deutlich besser. Da das Geld knapp ist und niemand an sie seriös vermietet, leben sie unter unwürdigen Bedingungen auf engstem Raum. Natürlich gehen sie ihren Nachbarn gehörig auf die Nerven. Müll und Lärm sind in dem Ausmaß schwer zu ertragen.

Nur wenn die Mülltonnen nicht reichen und die Enge in den Räumen unerträglich ist, dann bleibt den Menschen wenig anderes übrig. Dann findet das Leben auf der Straße statt. Nur Hilfen gibt es auch keine. Es fehlt das Geld und es fehlt die Akzeptanz, in diese Menschen zu investieren, wenn es Arbeitslosen und Rentnern schlecht geht. Verstehen kann man beide Seiten, nur nützt das nichts, weil die Zustände für beide Seiten unhaltbar sind. In Deutschland müssen immer schnelle Erfolge her und die Menschen müssen funktionieren. Das gehört einfach zu den guten preußischen Tugenden, leider.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Daran stimmt nur eines. Wenn die Leute durch Sanktionsdruck und falsche Therapien völlig fertig sind, fallen sie aus Hartz IV heraus und dämmern in Rente und Sozialhilfe vor sich hin oder vegetieren eben auf der Straße vor sich hin. Dann müssen sie oft auch ganztägig betreut werden.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Merkwürdig an deiner Argumentation finde ich, dass bei "unseren" Obdachlosen Hartz nicht der Grund ist, warum sie obdachlos sind. Und ich würde unsere Stadt als durchschnittliche, sozial schwache Großstadt bezeichnen. Das spielen andere Gründe eine Rolle, die weder Hartz noch Sozialhilfe lösen können.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



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