Depressiv im Alter trotz vieler ehrenamtlicher Aufgaben?

vom 30.08.2015, 13:29 Uhr

Mein Tante war Beamtin und hatte sich einige Jahre vor der Rente aus dem aktiven Dienst nehmen lassen, weil sie nicht mehr arbeiten wollte und ihr die Arbeit zu anstrengend wurde. Sie hat dafür eine Abfindung bekommen, mit der sie die Zeit bis zur regulären Rente überbrückt. Eigentlich wollte sie es also so. Zudem verdient mein Onkel recht viel und daher haben die finanziell wirklich keine Probleme.

Sie hat mir aber erzählt, dass das die ersten beiden Jahre schön war, aber inzwischen fühle sie sich oft lustlos und sei sogar wegen Depression in Behandlung. Sie habe gelesen, dass man oft erst einige Zeit nach dem Ruhestand solche Niedergeschlagenheit entwickle, weil die Aufgabe fehlt.

Aber ihr fehlt eigentlich keine Aufgabe. Sie kocht ja für die ganze Familie, schmeißt den Haushalt, kümmert sich um ihre Haustiere und ist auch ehrenamtlich sehr aktiv. Sie hilft im Tierheim mit, macht bei einem Institut immer irgendwelche Gesundheitskurse und macht sogar Sport, fährt Fahrrad und geht gern spazieren.

Eigentlich hat sie ja somit eine Beschäftigung. Sie beschwert sich zwar darüber, dass der Rest der Familie wenig mit ihr unternehme, aber das war ja schon immer so, die wollen eben abends eher ihre Ruhe haben – zumindest mein Cousin zieht sich ins Zimmer zurück, wenn er heim kommt. Und mein Onkel ist beruflich viel unterwegs. Aber das ist nicht erst seit Ihrem Ruhestand so, das war schon immer der Fall.

Also eigentlich versehe ich nicht, warum sie da niedergeschlagen ist. Sie kann machen was sie will, ist auch beschäftigt, langweilt sich also nicht, sitzt nicht nur daheim herum, hat ein schönes Haus, sie haben Geld, das müsste einen doch glücklich stimmen.

Kann man denn auch im Ruhestand depressiv werden, obwohl man gar nicht unterbeschäftigt ist? Denn man sagt doch immer, dass die Leute in ein Loch fallen, wenn sie keine Aufgabe mehr habe, aber sie hat ja mit ihrem Sport und ihren ehrenamtlichen Aktivitäten eine Aufgabe.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Man könnte auch sagen, dass es nach Beschäftigungstherapie klingt. Das sind für sich genommen alles nette Sachen, die ihr sicherlich auch Spaß machen. Aber mit einer Aufgabe ist das nicht zu vergleichen.

Am ehesten trifft das noch auf die ehrenamtlichen Tätigkeiten zu. Aber auch das ist kein Beruf. Sie ist da nicht unersetzlich, sie wird da nicht so gebraucht. Ich glaube schon auch, dass es in vielen Fällen gegen diese Ruhestand-Depression hilft, aber eine Garantie ist es nicht.

Egal, wie sie ihren Alltag nun gestaltet. Sie geht nicht mehr arbeiten. Sie hat keinen 8-bis-16-Uhr-Job mehr. Keine feste Routine. Sie wird nicht mehr so gebraucht und sie bekommt keine Anerkennung in Form eines Gehalts. Also auch in ihrem Fall sind all die Dinge passiert, die einen für diese Depression begünstigen.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Egal, wie sie ihren Alltag nun gestaltet. Sie geht nicht mehr arbeiten. Sie hat keinen 8-bis-16-Uhr-Job mehr. Keine feste Routine. Sie wird nicht mehr so gebraucht und sie bekommt keine Anerkennung in Form eines Gehalts. Also auch in ihrem Fall sind all die Dinge passiert, die einen für diese Depression begünstigen.

Das kann ich halt so schwer verstehen. Sie hatte ja selbst keine Lust mehr auf ihre Arbeit und hat sich in den letzten Jahren vor dem Vorruhestand andauernd nur über ihren Job beschwert und sich auch öfters krank schreiben lassen, um nicht arbeiten zu müssen. Das hat auf mich immer den Eindruck erweckt, als hätte sie gar keine Lust zum Arbeiten und wäre froh, den Job los zu sein.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Aber das ist doch normal, dass man nur die schlechten Dinge sieht und gar nicht bewusst wahrnimmt, welche Vorteile etwas hat. Dass man nicht absehen kann, wie es tatsächlich sein wird, wenn man eine Entscheidung durchführt und sein Leben so nachhaltig ändert.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Es mag ja auch sehr gut sein, dass sie diesen Job nicht oder nicht mehr mochte. Nur weil man einen Job hat, bedeutet das schließlich nicht, dass man den auch als erfüllend empfindet. Wenn ich mich als Beispiel nehme (immerhin kenne ich mich am besten): Als Reinigungskraft oder Kassiererin im Supermarkt wäre ich extrem unglücklich. Könnte ich so einen Job aufgeben und daheim bleiben, würde ich diese Chance sofort ergreifen.

Aber zufrieden wäre ich damit nicht lange. Wenn man dann auch noch im Alter für eine Frührente ist, ist eine berufliche Neuorientierung auch keine Option. Und weder mehr Zeit für den Hundesport, mehr Zeit für die Pferde oder mehr soziales Engagement könnten diese Lücke füllen.

» cooper75 » Beiträge: 13432 » Talkpoints: 519,92 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Man sollte auch nicht außer Acht lassen, dass sich im Alter auch viele Stoffwechselvorgänge verändern, nicht nur auf die Verdauung bezogen, sondern auch im Gehirn. Es funktioniert nicht mehr alles wie früher und alles verändert sich.

So kann es doch durchaus sein, dass sich kaum merklich die Hormonproduktion in ihrem Gehirn verändert, sodass eher die negativen "depressiven" Hormone produziert werden und sie sich eben schlecht fühlt. Depressionen haben nicht immer eine externe Ursache. Manchmal spielen auch interne Faktoren eine Rolle, die für Außenstehende nicht zu erfassen und nicht sichtbar sind.

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


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