Rezension: Victoria Frances - Angel Wings
Ich habe hier schon einmal über ein Buch von Victoria Frances, der spanischen Gothic-Künstlerin, geschrieben. Damals ging es um "Tränen aus Stein", Band 1 der "Favole"-Trilogie. Einige hier können sich vielleicht erinnern, dass ich nicht so wirklich begeistert von diesem Werk war, und es eher als jugendlichen Grufti-Kitsch ohne wirkliche Tiefe bewertete.
Kaufen wollte ich mir danach keines von Victoria Frances' Werken mehr, aber vor einigen Tagen erspähte ich dann eines im Bücherregal einer Freundin. "Angel Wings" war es, das auch irgendwie zur Favole-Trilogie gerechnet wird, obwohl es eigentlich gar nicht wirklich dort hinein passt, ja, eigentlich keinerlei Zusammenhang besteht. Eines vorweg: Leider begeistert auch "Angel Wings" nicht.
Was lässt sich also zu "Angel Wings" sagen? Dieses dünne geklammerte Heftchen wird gerne als "Einstieg" in Frances' Kunst beworben. Es heißt, für wenig Geld könne man hier einen Einblick in den literarischen und zeichnerischen Stil von Victoria Frances gewinnen. Das mit dem "wenigen Geld" stimmt tatsächlich, denn man zahlt etwa vier Euro für dieses Heftchen. Nur, ist dieses dünne Papierchen das wert? Es sind offiziell 12 Seiten, wobei davon vier den Umschlag bilden, also jeweils Innen- und Außenseite vorne und hinten vom Heft. Und die restlichen 8 Seiten beziehungsweise 4 Blätter, die sind leider auch nicht so gehaltvoll.
Was findet man also in dieser düftigen Form? Es sind einige seitenfüllende Bilder drin, was schon klar werden lässt, dass Text wohl nicht viel vorhanden sein wird. Diese großformatigen Bilder sind übrigens zumeist unterschiedliche, aber recht ähnliche, Skizzen ein- und derselben Person mit ein- und demselben Kleid, also auch Abwechselung ist nicht so wirklich gegeben.
Eine Seite ist außerdem mit einem Foto der Künstlerin in einem Grufti-Kleidchen gefüllt, was mit der Story auch nichts zutun hat. Und auf der Innenseite des Rückblättchens befindet sich Werbung für andere Frances-Artikel, mit Artikelnummern, nur die Preise fehlen noch. Es wirkt alles etwas, wie ein Werbeheftchen zu den Werken Victoria Frances', aber verkauft man so etwas für vier Euro?
Wo ich nun geklärt habe, dass die Zeichnungen wenig abwechslungsreich sind, möchte ich aber noch anmerken, dass die zeichnerische Qualität selbst schon sehr schön ist. Viele werden die Zeichnungen von Victoria Frances von diversen Fan-Artikeln kennen, sie sind düster-romantisch, manchmal auch leicht makaber, gehalten. Schön finde ich sie und die meisten sind technisch auch gelungen. Aber nun soll "Angel Wings" ja auch noch eine Geschichte erzählen.
Ja, eine Geschichte auf vielleicht drei Seiten des Heftes. Wobei in dem Heft auch noch mehrere Sprachen vereint sind, was den Raum für den Text einer einzelnen Sprache natürlich noch geringer macht. Kann man da wirklich eine große Geschichte erzählen, wenn einem am Ende vielleicht eine DIN-A-5-Seite Raum bleibt? Es gibt wahnsinnig gute Aphorismen und Haiku-Dichter bringen auch viel Aussage oder Atmosphäre auf wenig Raum unter, nur ist Frau Frances leider weder eine Aphorismen-Schreiberin, noch eine Haiku-Poetin, und das merkt man.
"Angel Wings" erzählt also eine recht seichte Geschichte, die auf jugendliche Weise stereotyp tragisch scheint, aber für mich dann doch irgendwie zu banal. Warum geht es überhaupt? Es geht um ein naives Mädchen, das allein im Gebirge aufwuchs. Sie ist ziemlich weltfremd und hat eine Katze als mehr oder minder einzigen Freund. Eines Tages stirbt die Katze, woraufhin das Mädchen diese zu einem Friedhof im Tal bringt und sie dort ablegt. Das Mädchen erinnert sich an die Aussage, Tote kämen in den Himmel, worauf sie den Entschluss fasst, den Himmel suchen zu wollen, um ihre Katze wieder zu sehen.
Stellt man sich das bei einem fünfjährigen Mädchen vor, mag das traurig und herzzerreißend sein, aber die Protagonistin hier ist, den Zeichnungen nach, sicherlich schon mindestens 16 Jahre alt, wenn nicht älter. Da wirkt das auf mich irgendwie einfach nur seltsam. Jedenfalls bastelt das Mädchen sich dann Flügel aus Vogelfedern und spaziert ziellos im Gebirge herum, "auf der Suche nach dem Himmel". Natürlich erfriert sie zum Schluss und findet sich daraufhin (wahrscheinlich im Sterben halluzinierend) im "Himmel" bei ihrer Katze wieder, und so endet die Story.
Diese Geschichte an sich erscheint mir ausgelutscht, und sprachlich wirkt all das auch ein wenig plump. Irgendwie finde ich das schade, denn dass so eine Geschichte um eine "Suche nach dem Himmel" auch gut erzählt werden kann, zeigen andere Werke (ich empfehle beispielsweise den japanischen Anime "Wolf's Rain", der nicht perfekt ist, aber immernoch besser, als dieses Heftchen hier). Die Thematik wurde ja nicht zum ersten Mal ausgegraben.
Insgesamt also finde ich "Angel Wings" eher enttäuschend. Der Inhalt ist dünn und binnen höchstens fünf Minuten komplett einmal durchgelesen. Die Zeichnungen sind schön, aber nicht sehr abwechslungsreich. Vier Euro hätte ich dafür nicht ausgegeben. Und dieser Bewerbung von "Angel Wings" als "Buch für Victoria-Frances-'Anfänger'" würde ich auch nicht zustimmen, denn "Angel Wings" ist mit den anderen Werken nicht direkt vergleichbar.
Der zeichnerische Stil ist zwar schon typisch für die Frances-Bücher, aber "Angel Wings" zeigt wenige Varianten, wenige Motive, und von Story- und Sprachstil her finde ich zumindest "Favole 1: Tränen aus Stein", also eines der bekanntesten Frances-Werke, auch irgendwie recht anders, als "Angel Wings". Allerdings sind leider beide schlecht.
Von mir gibt es also definitiv keine Kaufempfehlung und ich werde mir die anderen Favole-Bände auch nicht zulegen. Allerdings habe ich die schon bei bereits erwähnter Freundin im Schrank gesehen, da sie sich alle zusammen zugelegt hatte. Also, möglicherweise folgen noch zwei Rezensionen, zu Favole Band 2 und 3.
Irgendwie klingt Angel Wings wirklich grausig. Wie kann man ein Heft mit ein paar Seiten als Buch bezeichnen? Ich persönlich finde ab und an mal eine Zeichnung in einem Buch nett, muss sie aber nicht haben. Würde ich ein Buch kaufen, welches nicht als Buch über Malerei deklariert ist oder ein Comic ist, würde es mich immens stören, wenn der Hauptteil des Buches Zeichnungen wären.
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