Unfaire Voraussetzungen bei Sprachkurs für Anfänger?

vom 18.08.2015, 22:45 Uhr

Eine Bekannte von mir hat letztes Semester einen Sprachkurs absolviert. Es war ein Anfängerkurs für Spanisch und sie hatte überhaupt gar keine Vorkenntnisse, so wie das auch verlangt worden ist. In dem Kurs war allerdings auch ein Mädchen dessen Eltern aus Spanien kamen und die daher einige Floskeln von zu Hause kannte. Sie betonte aber immer wieder nicht vernünftig Spanisch sprechen zu können und lesen und schreiben könne sie auch nicht. Deswegen hat sie sich für den Kurs angemeldet und hatte streng genommen bessere Voraussetzungen, als andere.

In der Klausur hatte sie dann auch als einzige eine 1.0 und meine Bekannte fand das ziemlich unfair. Fändet ihr das fair, wenn jemand mit gewissen Vorkenntnissen einen Anfängersprachkurs belegen kann? Wäre es umgekehrt besser diese Person in einen Kurs für Fortgeschrittenere zu stecken, obwohl sie nicht spanisch liest und schreibt? Wie würdet ihr die Situation beurteilen?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Unfair ist das schon. Ich habe das noch nicht so erlebt, wenn ich ehrlich bin. Ich habe mal einen Russisch-Kurs B1 an der Uni belegt und in meinem Kurs war auch ein Bekannter, der eben Muttersprachler war, es aber nie in der Schule gelernt hat. Also Lesen und Schreiben konnte er nur bedingt. Er wurde trotzdem in B1 eingestuft und hat sich dann meine Unterlagen aus der Oberstufe geliehen, damit er das Alphabet und die Feinheiten der Grammatik noch schnell nachholen kann bis zur Klausur.

Ich persönlich finde es extrem unfair, wenn man bei der von dir genannten Studentin eine Ausnahme gemacht hat und hätte mich persönlich beschwert.

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Wurde denn das Fortschreiten im Kurs an ihr Lerntempo angepasst oder einfach der Plan durchgezogen, der mit allen Studenten in der Anfängergruppe durchgezogen wird? Im ersten Fall würde ich mich beschweren.

Und wurde die Klausur einfach an den vorher fest gelegten Anforderungen ausgerichtet oder die Schwierigkeit nach oben geschraubt, weil man auch gute Leute im Kurs hat? Das wäre insofern schon unfair. Aber wenn ohnehin der gleiche Test von Anfang an vorgesehen war, dann wird man mit einer Beschwerde keine Chance haben, denn theoretisch hätte jeder ja so fleißig lernen können, dass er oder sie theoretisch auch eine 1,0 geschafft hätte.

An der Uni wird eben gezielt gesiebt und keine Rücksicht genommen. Und die Einstufungstests sind eben, wie sie sind. Ich weiß nicht, wie sie bei euch sind, aber ich kenne das so, dass alle einen Check machen und danach eben das Level für alle Teilnehmer fest gesetzt wird und man dann den jeweilig höchst möglichen Kurs belegen muss.

Genauso könnte die halbe Muttersprachlerin sich beschweren, dass sie Zeit verliert, weil sie einem Kurs für absolute Anfänger zugeteilt wurde und dadurch mehr Semester braucht um aufzubauen. Pech. Und dass längst nicht die besten Noten auch die besten Studenten haben oder die intelligentesten, ist ja auch an der Uni nichts neues.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Im Prinzip ist es schon unfair, wobei man ja auch nichts dagegen machen kann. Meine Freundin spricht selbst fast fließend Polnisch, da ihre Eltern aus Polen kommen. Sie kennt die Sprache jedoch nur vom Sprechen her. Da sie zweisprachig aufgewachsen ist, kann sie fast perfekt Polnisch. Allerdings haben es ihr ihre Eltern nie beigebracht, auf Polnisch zu lesen oder zu schreiben. Das kann sie wirklich absolut nicht, so dass sie in den Anfängerkurs musste, den sie natürlich locker bestanden hat.

Wenn man weder lesen noch schreiben kann, kann man schlecht in einen Kurs für Fortgeschrittene gehen. Das geht vor allem bei den Sprachen nicht, die andere Buchstaben haben, als wir. Da muss man ja in einen Anfängerkurs rein gehen. Man kann sich das Lesen und Schreiben ja auch schlecht selbst beibringen.

Ich denke, dass man es ja auch einfach verheimlichen kann, dass man eine Sprache schon spricht. Wenn die Eltern diese Sprache sprechen, man sie aber nie in der Schule gehabt hat, kann man ja auch nicht nachweisen, dass man diese Sprache spricht. Von daher kann man sich da natürlich locker mit guten Noten durchmogeln, was fies, aber legitim ist.

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge



Mich würde mal interessieren, was in diesem speziellen Fall eigentlich heißt, dass keinerlei Vorkenntnisse erwünscht waren, das heißt, dass nur Teilnehmer ohne jegliche Kenntnisse für diesen Kurs zugelassen waren? Oder war es vielleicht eher der Fall, dass dieser Kurs keinerlei Vorkenntnisse verlangte, dies aber nicht überprüft wurde? Im ersten Fall gäbe es sicher Möglichkeiten gegen so einen Betrug oder so eine unfaire Vorgehensweise etwas zu unternehmen.

Bevor ich mich aber echauffieren und weitere Gedanken an dieses Thema verschwenden würde, würde ich mich in einer solchen Situation fragen, welche Vorteile hat denn diese Person von einer besseren Spanischnote? Gerade auf Grundkursniveau? Bestenfalls wird der Durchschnitt ein wenig besser. Na wer das nötig hat, der hat dann wohl andere Defizite. Bei anderen Auswirkungen hilft der offizielle Weg der Beschwerde.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Prinzessin_90 hat geschrieben:Man kann sich das Lesen und Schreiben ja auch schlecht selbst beibringen.

Mag sein, dass du damit komplett überfordert wärst, ich wäre es definitiv nicht. Ich habe mir kyrillisch lesen und schreiben komplett selbst beigebracht und damals war ich in der 7. Klasse. Auch mein Kommilitone aus dem Beitrag vorhin war Russisch-Muttersprachler und er hat sich das Lesen und Schreiben auch komplett selbst beigebracht, parallel zum B1-Kurs, in den er eingestuft wurde.

Die Dozentin hat damals so argumentiert, dass sie will, dass man auch etwas lernt und eigenen Einsatz zeigt und die Noten nicht "hinterher geschmissen" bekommt. Warum sollen die anderen Vokabeln lernen und die Grammatik wie verrückt, während der Muttersprachler sich das Lesen und Schreiben nicht selbst beibringen kann? So schwer ist das wirklich nicht, man muss es nur wollen.

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Olly173 hat geschrieben:Mag sein, dass du damit komplett überfordert wärst, ich wäre es definitiv nicht. Ich habe mir kyrillisch lesen und schreiben komplett selbst beigebracht und damals war ich in der 7. Klasse.

Herzlichen Glückwunsch dafür erst einmal. Nur weil du mit russisch argumentierst, kannst du das doch aber beim besten Willen nicht auf alle anderen Sprachen beziehen. Jemand, der fließend japanisch spricht, weil er das von seinen Eltern mitbekommen hat, wird sich beim besten Willen nicht selbst beibringen können, wie man auf japanisch liest und schreibt. Wie soll denn das gehen? Und bevor man sich nun mühsam neben dem Studium mit zig Japanisch-Büchern in der Bibliothek verschanzt, geht man doch lieber direkt in einen Sprachkurs und hat da genau die gleichen Probleme, japanisch schreiben und lesen zu lernen, wie der restliche Kurs eben auch.

Olly173 hat geschrieben:Warum sollen die anderen Vokabeln lernen und die Grammatik wie verrückt, während der Muttersprachler sich das Lesen und Schreiben nicht selbst beibringen kann? So schwer ist das wirklich nicht, man muss es nur wollen.

Weil es schlicht und einfach erlaubt ist. Man muss doch nicht vorweisen können, welche Sprachen die Eltern sprechen und was man irgendwo nebenbei gelernt haben könnte. Entweder man hat das Glück oder man hat es eben nicht. Außerdem bringen einem gute Noten im Sprachkurs in der Uni doch ohnehin nichts. Klar gibt es Noten, wobei die doch im Endeffekt ohnehin nichts zählen.

Im Endeffekt könntest du ja so weit gehen, zu sagen, es sei absolut ungerecht, eine Sprache zu studieren, mit der man aufgewachsen ist, während es andere Menschen gibt, die diese Sprache studieren, die sie "nur" in der Schule gehabt haben. Aber da könnte man es ja als genauso ungerecht ansehen, dass ein Kind, das Mathematiker als Eltern hat, Mathe studiert, während sich die anderen armen Studenten alles selbst beibringen mussten. Entweder man nutzt die gegebenen Vorteile eben aus oder nicht.

Klar wird es jemand leichter haben, Medizin zu studieren, wenn die Eltern bereits Ärzte sind, genauso wie es jemand leichter haben wird, eine Sprache zu lernen, wenn er mit dieser aufgewachsen ist. Du kannst den Leuten doch aber schlecht verbieten, etwas zu tun, nur weil man es dabei leichter hat, als andere.

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge



Was hat das denn mit Fairness zutun? Hat sie dir die Note weggeschnappt oder gar ein Geschenk? Ob sie da gewesen wäre oder nicht, es hätte für dich und alle anderen keinen Unterschied gemacht, niemand hatte dadurch ein Nachteil, im Gegenteil, der ganze Kurs hätte von ihr profitieren können.

Aber naja, so sind die deutschen halt, man gönnt niemanden was, solange man nicht selber den größten Profit daraus zieht. Im allgemeinen ist das ganze Leben unfair, aber es bringt gar nichts darüber rum zuflennen. Und abgesehen davon, NEIN, es ist nicht unfair!

» majinvegeta » Beiträge: 158 » Talkpoints: 34,30 » Auszeichnung für 100 Beiträge


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