Ist Kabarett eine Form von Widerstand?

Ich interessiere mich sehr für Kabarettisten, genauer gesagt für das politische Kabarett und bin deswegen vor kurzem auf den Kabarettisten Volker Pispers aufmerksam geworden und habe mir einen seiner neueren Auftritte angesehen wobei mich einige seiner Aussagen zum Nachdenken gebracht haben.

So hat er beispielsweise das Kabarett bzw. Zuschauer vom politischen Kabarett mit Widerstandskämpfern gleichgesetzt. Aber inwiefern ist man automatisch eine Person, die Widerstand leistet, nur weil man jemandem zuhört, der die führenden Politiker weltweit kritisiert? Widerstand ist für mich persönlich etwas aktives und wenn man nur zuhört und nichts selbst unternimmt ist das für mich kein Widerstand offen gesagt.

Wie seht ihr das? Ist es schon politischer Widerstand, wenn man sich in seiner Freizeit gerne mit Kabarett beschäftigt und sich somit kritisch mit dem politischen Weltgeschehen auseinander setzt?

Kurz vornweg muss ich sagen, dass ich Pispers großartig finde. Ich denke schon, dass jedwede Form von Kritik, sei es nun Satire oder Kabarett eine Art von Widerstand ist. Nicht unbedingt die Art, die sofort Dinge zur Änderung zwingt, aber dennoch eine, die in den Köpfen von Menschen auf Probleme aufmerksam macht.

Es gibt den schönen Spruch, dass Bildung ein Feind des Staates ist. Und wenn man drüber nachdenkt, muss das wohl stimmen. Gebildete Menschen denken über Missstände und Probleme nach, analysieren ihr Umfeld und erkennen, dass sich etwas ändern muss und vielleicht sogar mit welchen Mitteln und Wegen sich das bewerkstelligen lässt.

Kabarett ist also eine Art von Bildung, den Zuschauern wird eine Situation aufgezeigt und Probleme werden hervorgehoben. Folglich formt es neue Denkweisen oder stärkt bestehende, weil sich Gleichgesinnte finden. Der Widerstand entsteht langsam. Kritik üben, Kritik aufnehmen, Kritik verarbeiten und daraus eventuell selbst zum Kritiker werden und das Wissen verbreiten.

Wie oft erzählt man nicht seinen Familien oder Freunden von einem Auftritt und spricht über die Dinge, die man dort gehört und gesehen hat. Somit verbreitet sich die Kritik also noch weiter und führt auch dort zu neuen Denkprozessen. Zumindest bei manchen. Somit ist man aktiv, wenn auch indirekt zum Kritiker geworden und schürt Widerstand.

Könnte es sein, dass du die Aussagen von diesem Teil in Pispers Programm nicht wirklich verstehst? Denn irgendwie scheint bei dir nicht angekommen zu sein, was der Künstler damit zum Ausdruck gebracht hat. Diese Aussage in seinem Programm stichelt gleich in zwei Richtungen: Einmal wird die Politik kritisiert und gleichzeitig bekommt die Bevölkerung ihren Teil ab.

Pispers meint nicht wörtlich, dass der Besuch von gesellschaftskritischem Kabarett ein Ausdruck des politischen Widerstands ist. Zumal ein politischer Widerstand in Deutschland totaler Unsinn ist. Wir leben immer noch in einer Demokratie und können eine Opposition zur Regierung bilden. Widerstand leisten Gruppen in diktatorischen oder totalitären Systemen. Das haben wir hier aber ganz und gar nicht.

Jedem steht es frei, sich politisch zu engagieren. Seine Aussage bedeutet doch nur, dass einerseits die Parteienlandschaft so gleichförmig und kompromissbereits ist, dass diese demokratische Regierung überspitzt gesagt durchaus diktatorische Züge hat. Und gleichzeitig kritisiert er die Bevölkerung, die zwar Kabarettveranstaltungen besucht, aber ansonsten kaum politisch engagiert ist und sich gerade mal zu solchen Freizeitveranstaltungen bewegen lässt und sich dann schon toll politisch fühlt.

Wer in einem demokratischen Land ernsthaft politisches Kabarett betreibt, der ist kein Widerstandskämpfer, aber er übt mit verschiedenen Stilmitteln Kritik an Politik und Gesellschaft. Auch das ist keine unwichtige Arbeit, auch wenn keine Widerstandbewegung ist. Das Publikum konsumiert das allerdings zum größten Teil nur und fühlt sich ganz toll und ganz engagiert, informiert und engagiert.